Tumor-Genome: Grundlage für maßgeschneiderte Krebstherapien?

Jeder Tumor ist anders - das macht die Behandlung von Krebs so schwierig. Nun sollen Krebs­therapien individuell auf einzelne Patienten zuge­schnitten werden. Persona­lisierte Medizin heißt die neue Hoffnung.

Tumorgenom

Jahrzehntelang versuchten Krebs-Mediziner, mit einer Therapie möglichst vielen Patienten zu helfen. Doch dies erwies sich in der Regel als Sackgasse.Nun geht der Trend in die andere Richtung: Gen-Mutationen, die den Krebs verursachen und für das Wachs­tum unerlässlich sind, sollen ein Ansatzpunkt für personalisierte Therapien bilden. Aus den mutierten Genen entstehen veränderte Proteine, deren schädliche Wirkung die Ärzte gezielt hemmen wollen. Erste Erfolge geben ihnen recht.

Doch die Hürden sind hoch, die Suche nach derartigen Onkogenen (lat. für Krebsgen) ist äußerst aufwändig. Erst kürzlich haben Forscher die Genome von 50 Brustkrebs-Tumoren sequenziert und jede einzelne Mutation aufgespürt. Das Resultat war weit davon entfernt, eindeutig zu sein: 1700 Mutationen wurden entdeckt, und die meisten traten nur in einem einzigen Tumor auf. Wie trennt man da den Spreu vom Weizen?

Genomanalyse als Routine

Eine möglicher Ausweg: Noch mehr Tumorgenome analysieren - in der Hoffnung, dass viele Details am Ende ein vollständiges Bild ergeben. Und so plant ein Verbund von internationalen Krebszentren, in den nächsten Jahren 25 000 Tumorgenome von 50 verschiedenen Krebsarten zu sequenzieren1. Im nächsten Jahrzehnt könnte es sogar Routine werden, dass der Tumor eines jeden Krebspatienten vollständig sequenziert wird. Erste Pilotversuche haben bestätigt, dass dies durchaus sinnvoll sein kann2.

Kleinere Tests, bei denen nur eine begrenzte Zahl von Tumorgenen untersucht wird, haben sich bereits in der Praxis durchgesetzt; manche US-amerikanische Kliniken wenden sie routinemäßig bei allen Krebspatienten an3. Denn es gibt schon seit mehr als zehn Jahren Wirkstoffe, die ziel­gerichtet Krebsarten mit bestimmten Genmutationen angreifen.

Zu den ersten gehörte das Medikament Glivec, welches bei Blutkrebs-Patienten, die das sogenannte Philadelphia-Chromosom aufweisen, eine Heilungsrate von fast 90 % erzielt. Die Erfolge waren so beeindruckend, dass die amerikanischen und europäischen Gesundheitsbehörden das Medikament in Rekordzeit zugelassen haben.

Gut etabliert ist auch das Medikament Herceptin. Es hemmt einen Wachstumsfaktor von Brustkrebs-Zellen und vermindert so die Gefahr, dass ein Tumor nach (scheinbar) erfolgreicher Behandlung wieder zurückkehrt. Bei etwa einem Viertel aller Brustkrebs-Patientinnen kann Herceptin eingesetzt werden.

Und sogar bei dem notorisch schwer zu behandelndem Hautkrebs gelang ein spektakulärer - aber leider nicht endgültiger - Durchbruch. Ein neues zielgerichtetes Medikament kann Metastasen von Melanomen, in denen das Gen BRAF mutiert ist, fast vollständig zurückbilden; Patienten, die kurz vor dem Tod standen, schienen fast schon geheilt. Doch nach etwa sieben Monaten kommen die Metastasen so schnell zurück, wie sie verschwunden sind - die Krebszellen sind gegen den Wirkstoff resistent geworden4.

Schattenseiten

Trotzdem besteht Grund zur Hoffnung: Viele Forscher sind zuversichtlich, die Resistenz gezielt umgehen zu können, etwa durch Kombination mit anderen Präparaten. Und optimistisch stimmt auch die kurze Entwicklungszeit, zwischen Entdeckung der Mutation und Anwendung des Medikaments lagen weniger als zehn Jahre. Für die Krebsforschung ein rasantes Tempo.

Doch der Erfolg der personalisierten Medizin hat auch seine Schattenseiten: Die neuen Krebstherapien sind bislang extrem teuer (mehr als 20 000 US-Dollar pro Behandlung) und verlängern die durch­schnittliche Lebenszeit meist nur um wenige Monate5. Die Kosten für die Gesundheitssysteme werden erst einmal kräftig steigen.

Aus diesem Grund wird manchen Medikamenten, die in den USA gebräuchlich sind, in Europa die Zulassung verweigert. Erst wenn man vorhersagen kann, welche Krebstherapie bei welchem Patienten Erfolg verspricht, wird das Kosten/Nutzen-Verhältnis in einem finanzierbaren Rahmen zurückkehren.

Allerdings kann der Ansatz der personalisierten Medizin - die Therapie individuell auf den Patienten abzustimmen - auch helfen, die Kosten zu senken. Experten schätzen, das allein in den USA 600 Millionen Dollar gespart werden können, wenn Darmkrebs-Patienten auf das KRAS-Gen getestet werden - und dadurch unwirksame und teure Behandlungen vermieden werden6.

Die personalisierte Medizin wird die Krebstherapie verändern - das ist sicher. In nicht so ferner Zukunft wird die Sequenzierung von individuellen Tumorgenomen weit verbreitet, wenn nicht gar Standard sein. Immer mehr Wirkstoffe werden gezielt an einzelnen Genmutationen ansetzen. Und die Kombination mehrere solcher Medikamente wird Resistenzen vermeiden und die Heilquoten deutlich erhöhen. Doch werden wir jeden Krebs besiegen können? Davon reden im Moment noch nicht einmal die größten Optimisten.

Teil 1/3: Krebs - eine Krankheit der Gene
Teil 2/3: Ursache von Genmutationen
Teil 3/3: Tumor-Genome - Grundlage für maßgeschneiderte Krebstherapien?
1The International Cancer Genome Consortium, International network of cancer genome projects., Nature 2010, vol. 464, pp. 993-8 (Link)
2 Pasche et al., A Step Closer to Personalized Medicine, JAMA 2011, vol. 305, pp. 1596-7 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 E.C. Hayden, Personalized cancer therapy gets closer, Nature 2009, vol. 458, pp. 131-2 (Link)
4 H. Ledford, Rare victory in fight against melanoma, Nature 2010, vol. 467, pp. 140-1 (Link)
5 D. Malakoff, Can Treatment Costs Be Tamed?, Science 2011, vol. 331, pp. 1545-7 (Link)
6 G. Poste, Bring on the biomarkers, Nature 2011, vol. 469, pp. 156-7 (Link)

Tumorgenom

Die Analyse von Tumorgenomen könnte Krebs-Medizinern den Weg zu einer erfolgreichen Therapie weisen.

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Kurz und knapp

  • Tumor-Gene sind Ansatzpunkte für neuartige Krebstherapien
  • die vollständige Sequenzierung der Tumor-Genome kann die Diagnose und Behandlung unterstützen
  • erste Medikamente nutzen Genmutationen als Schwachstellen aus
  • in Zukunft wird die Analyse des Tumorgenoms vermutlich normaler Bestandteil der Krebstherapie sein
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