März 2025
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

Taube Kinder können hören

BioPharma Dive

Eine Gentherapie hilft Kindern mit einer seltenen Erbkrankheit, erstmals in ihrem Leben Geräusche wahrzunehmen. Das hat eine Studie mit elf Kindern im Alter zwischen zehn Monaten und 16 Jahren gezeigt. Nach wenigen Wochen verbesserte sich das Hörvermögen von zehn Kindern, nach 72 Wochen konnte ein Kleinkind einzelne Wörter verstehen.

Ein Defekt im OTOF-Gen verhinderte bei den Kindern, dass akustische Signale vom Innenohr zum Gehirn gelangen. Die Gentherapie wird direkt ins Innenohr gespritzt und stellt die Funktion von OTOF wieder her. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf. Dies teilte der US-Konzern Regeneron Pharmaceuticals im Februar auf einer Fachkonferenz in Florida mit.

Obwohl die Krankheit extrem selten ist – in den USA treten jährlich nur etwa 20 bis 45 Fälle auf – ist die Konkurrenz groß: Mehrere Firmen und Forschergruppen aus China, Frankreich und den USA arbeiten an einer wirksamen Gentherapie. Regeneron will die Studie dennoch ausweiten und weitere Patienten behandeln.

Stoffwechselkrankheit: Gen im Erbgut korrigiert

Fierce Biotech

Eine CRISPR/Cas-Variante soll einen DNA-Buchstaben im Erbgut austauschen, um die Folgen des erblichen Alpha-1-Antitrypsin-Mangels (AATM) zu lindern. Ein erster Test verlief offenbar erfolgreich: Bei 9 Behandelten stieg die Menge des funktionsfähigen AAT-Proteins im Blut an. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf, wie die US-Firma Beam Therapeutics im März bekannt gab.

Bei AATM führt ein fehlgefaltetes Protein langfristig zu Schäden an Lunge und Leber. Ein base editing soll das betroffene Gen SERPINA1 direkt in den Leberzellen korrigieren. Ob der Eingriff auch den körperlichen Zustand der Behandelten verbessert, ist bis jetzt noch unklar.

Die Teilnehmer der aktuellen Studie leiden vor allem an Lungenschäden. Eine weitere Studie soll demnächst auch Patienten mit Leberschäden einschließen. Base Editing ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, AATM zu behandeln. Andere Firmen experimentieren mit Ansätzen wie RNA editing oder RNA-Interferenz.

Hemgenix jahrelang wirksam

Canadian Hemophilia Society

Eine Langzeitstudie bei Hämophilie B zeigt, dass die Wirkung der Gentherapie Hemgenix auch nach 4 Jahren unverändert anhält. Bei den 54 Teilnehmern lag die Aktivität des Faktors IX im Durchschnitt bei rund 37 %, was eine nahezu normale Blutgerinnung ermöglicht. Der Hersteller CSL Behring gab diese Daten im Februar der Presse bekannt

Im Einzelnen zeigte sich, dass die Zahl der jährlichen Blutungsereignisse um 90 % zurückging. 94 % der Behandelten benötigten keine regelmäßige Faktor-IX-Ersatztherapie mehr, rund die Hälfte konnte während der gesamten Zeit vollständig auf die Infusion des Gerinnungsfaktors verzichten.

Forschung

Gentherapie vermittelt Schutz gegen SIV

Science Immunology

Genfähren können neutralisierende Antikörper in Rhesusaffen einschleusen, die mit dem SI-Virus infiziert sind (SIV ist eng mit HIV verwandt). Bei 4 von 8 Tieren konnten die Antikörper mindestens 1 Jahr lang verhindern, dass sich SIV im Körper ausbreitet. Dieser Ansatz ist eine mögliche Alternative zur lebenslangen antiretroviralen Medikation von HIV-infizierten Menschen.

Die Gentherapie wurde in die Muskeln injiziert, woraufhin 7 von 8 Tieren große Mengen an Antikörpern produzierten. Die Antikörper konnten aktive Viren neutralisieren und infizierte Zellen beseitigen. Gegen ruhende Viren waren sie jedoch wirkungslos: Eine vollständige Beseitigung von SIV war nicht möglich, wie US-Forscher im Februar in der Fachzeitschrift Science Immunology berichteten.

Bei 3 Tieren verlor die Gentherapie nach einigen Wochen ihre Wirksamkeit. Vermutlich bildeten sich SIV-Varianten, die von den Antikörpern nicht erkannt wurden. Die Forscher schließen daraus, dass die Auswahl geeigneter Antikörper entscheidend für den Therapieerfolg ist. Beim Menschen sind bereits Dutzende von neutralisierenden HIV-Antikörpern bekannt, die für eine Gentherapie in Frage kämen.

Methoden

Wirkstoff-Cocktail erzeugt aktivere CAR-T-Zellen

Nature Immunology

Ein „Cocktail‟ aus drei Wirkstoffen fördert die Bildung von CAR-T-Zellen, die ähnliche Eigenschaften wie Stammzellen haben. Labor- und Tierversuche haben gezeigt, dass diese Zellen Tumore besser bekämpfen können. Bevor der Cocktail am Menschen getestet werden kann, muss seine Wirkungsweise aber noch besser erforscht werden.

Der Cocktail besteht aus drei Kinase-Hemmern, die Entwicklungssignale in Immunzellen beeinflussen. Er kommt nur kurzzeitig zum Einsatz, wenn die CAR-T-Zellen im Labor hergestellt werden. US-Forschende stellten diese Methode im Januar in der Fachzeitschrift Nature Immunology vor.

Bei manchen Krebspatienten ist es schwierig, wirksame CAR-T-Zellen im Labor herzustellen. Die körpereigenen Immunzellen haben dann oft schon stark unter der Krebserkrankung gelitten. Der Wirkstoffcocktail soll dann gezielt die Immunzellen anregen, die noch eine hohe Aktivität behalten haben.

Wirtschaft

Gentherapie gegen Hämophilie B zurückgezogen

Fierce Pharma

Die Gentherapie Durveqtix stößt auf wenig Interesse: Der US-Konzern Pfizer hat daher die Weiterentwicklung und den Verkauf eingestellt. Durveqtix lindert wirksam die Folgen der Erbkrankheit Hämophilie B und erhielt 2014 die Zulassung in der EU und den USA (unter dem Namen Beqvez). Seither wurde aber offenbar noch kein Patient damit behandelt.

Das lag auch an der starken Konkurrenz: Gegen Hämophilie B gibt es bereits wirksame Therapien, darunter die Gentherapie Hemgenix des Konkurrenten CSL Behring (siehe oben). Pfizer sah wohl keine Erfolgsaussichten mehr und entschied im Februar, Durveqtix nicht weiter zu vermarkten.

Weitere Projekte, etwa gegen Hämophilie A und Duchenne-Muskeldystrophie, hatte Pfizer bereits in den Monaten zuvor eingestellt. Damit hat sich der Konzern weitgehend aus der Gentherapie zurückgezogen.

Bluebird Bio von privaten Investoren gekauft

BioPharma Dive

Die Investment-Firmen Carlyle und SK Capital übernehmen den Gentherapie-Pionier Bluebird Bio für einen Preis von 3 US-Dollar pro Aktie – in der Spitze war die Aktie 3000 US-Dollar wert. Insgesamt kostet die Übernahme 30 Millionen US-Dollar, bei gutem Geschäftsverlauf könnten 2027 knapp 100 Millionen US-Dollar dazu kommen.

Bluebird Bio war seit Jahren finanziell schwer angeschlagen, verschiedene Maßnahmen wie die Ausgliederung der CAR-T-Zelltherapien (2seventy bio, siehe unten) brachten keine Besserung. Im Februar sah das Management keine andere Möglichkeit mehr, als die Firma zu verkaufen.

In den USA bietet Bluebird Bio Gentherapien gegen ß-Thalassämie (Zynteglo), Sichelzellanämie (Lyfgenia) und zerebrale Adrenoleukodystrophie (Skysona) ab. Zwei Therapien waren auch in der EU zugelassen, wurden aber 2021 wieder zurückgezogen.

2seventy bio von US-Konzern gekauft

Genetic Engineering & Biotechnology News

Der US-Konzern Bristol Myers Squibb (BMS) übernimmt sämtliche Aktien der Firma 2seventy bio für etwa 290 Millionen US-Dollar. Die beiden Firmen hatten bereits bei der Entwicklung und Vermarktung der CAR-T-Zelltherapie Abecma zusammengearbeitet. Die Übernahme wurde im März bekannt gegeben.

2seventy entstand 2021 als Ausgründung der US-Firma Bluebird Bio (siehe oben): Sie übernahm alle onkologischen Targets und CAR-T-Zelltherapien. Finanzielle Schwierigkeiten, die Abgabe von Projekten und der Abbau von Arbeitsplätzen prägten die kurze Geschichte der Firma. Am Ende blieb nur noch die Therapie Abecma übrig – aus der Verlustzone kam 2seventy dennoch nicht.

Medienspiegel

Zolgensma – wer hat bezahlt, wer profitiert?

ProPublica

Warum sind Gentherapien so teuer? Die Frage ist fast so alt wie die Therapien selbst. Eine Standardantwort lautet: Forschung und Entwicklung verschlingen immense Summen, was letztlich den Preis in die Höhe treibt. Aber stimmt das wirklich?

Die Geschichte von Zolgensma zeichnet ein anderes Bild. Robin Fields hat für ProPublica genau hingeschaut und kommt zu dem Schluss: Die Entwicklung wurde von Patienten-Organisationen und der öffentlichen Hand bezahlt. Den Preis bestimmte vor allem der Markt. Und die Profite landeten bei den Firmen und Investoren.

 
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