August 2025
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.
Klinische Studien
Angioödem – Symptome vollständig verschwunden
CRISPR Medicine News
Eine CRISPR-Therapie verhindert lebensbedrohliche Schwellungen, die bei dem seltenen hereditären Angioödem (HAE) auftreten. Alle 10 Teilnehmer einer Studie blieben mindestens 15 Monate lang von Anfällen verschont. Bislang können Therapien die Häufigkeit der Anfälle zwar verringern, aber nicht ganz verhindern. Dies gab die US-Firma Intellia Therapeutics im Juni auf einer Fachkonferenz bekannt.
Bei HAE kommt es zu plötzlichen Schwellungen in Gesicht und Gliedmaßen. Sind die Atemwege betroffen, können die Folgen lebensgefährlich sein. Die Gentherapie Lonvo-z nutzt CRISPR/Cas, um das Gen für Kallikrein auszuschalten und so einen wichtigen Signalprozess zu unterbrechen. Lonvo-z wird direkt in das Blut injiziert und wirkt auf Leberzellen. Die Therapie ist gut verträglich.
Anfang dieses Jahres ist bereits eine Folgestudie mit etwa 60 Teilnehmern gestartet. Bei einem positiven Verlauf plant Intellia, im nächsten Jahr die Zulassung in den USA zu beantragen.
Doppelter Angriff auf Gehirntumor
Nature Medicine
CAR-T-Zellen können das Wachstum eines aggressiven Gehirntumors verlangsamen. Dabei nutzen die Zellen zwei unterschiedliche CAR-Moleküle. US-Kliniken testeten die Therapie an 18 Patienten mit wiederkehrenden Glioblastomen. Bei 8 Teilnehmern verringerte sich die Tumorgröße, in 2 Fällen stellte der Tumor sein Wachstum für mehrere Monate ein. Die Ergebnisse erschienen im Juni im Fachjournal Nature Medicine.
Ärzte injizierten die CAR-T-Zellen direkt in in Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit. 10 Teilnehmer litten danach unter starken neurotoxischen Nebenwirkungen. Der Tumor konnte auch in keinem Fall vollständig beseitigt werden. Zum Abschluss der Studie wollen die US-Forscher noch untersuchen, ob sich der Behandlungserfolg durch eine mehrmalige Gabe der CAR-T-Zellen erhöht.
Glioblastome sind nur schwer zu behandeln, selbst eine vorübergehende Verkleinerung des Tumors gilt daher schon als großer Erfolg. Doch vor allem sehen die Forscher dies als einen vielversprechenden Ausgangspunkt, um die Entwicklung einer wirksamen Glioblastom-Therapie weiter voranzutreiben.
Gentherapie hilft bei Morbus Fabry
Pharmaphorum
Das Einschleusen eines Stoffwechsel-Gens lindert die Symptome der seltenen Erbkrankheit Morbus Fabry. Bei 32 Teilnehmern einer Studie stieg die Filtrationsleistung der Nieren leicht an. Zusätzlich stabilisierten oder verbesserten sich weitere Körperfunktionen für mindestens ein Jahr. Dies gab die US-Firma Sangamo Therapeutics im Juni bekannt.
Die Krankheit Morbus Fabry entsteht durch einen genetischen Defekt im Enzym α-Galaktosidase A. Dadurch entsteht ein giftiges Stoffwechselprodukt, das sich in den inneren Organen ansammelt. Zu den Folgen gehört ein fortschreitender Verlust der Nierenfunktion, der unbehandelt häufig zum vorzeitigen Tod führt.
Behandelt wird Morbus Fabry häufig mit einer Enzymersatztherapie, die den Verlust der Nierenfunktion jedoch nur verlangsamen kann. Nach der Gentherapie konnte die Enzymersatztherapie bei allen 18 betroffenen Teilnehmern abgesetzt werden. Sangamo plant, Anfang 2016 einen Antrag auf Zulassung in den USA zu stellen. Allerdings sucht die Firma noch einen Partner, um die dazu notwendigen Schritte zu finanzieren.
Natürliche Killerzellen gegen systemische Sklerose
Cell
Genetisch veränderte Immunzellen konnten die Symptome einer Autoimmunkrankheit lindern: Bei einer Frau mit systemischer Sklerose bildeten sich Verhärtungen in der Haut und den Gefäßen zurück. Da auch das Immunsystem Anzeichen eines „Neustarts” zeigte, könnte die Wirkung langfristig sein. Die Nebenwirkungen des Eingriffs waren sehr gering. Die Fallstudie aus China erschien im August im Fachjournal Cell.
Auslöser der systemischen Sklerose sind B-Zellen, die Antikörper gegen das eigene Körpergewebe produzieren. Für die Therapie nutzten Forscher die iPS-Zellen eines fremden Spenders, um daraus Killerzellen (NK-Zellen) zu erzeugen. Diese NK-Zellen wurden mit zwei unterschiedlichen CAR-Molekülen ausgestattet, die B-Zellen erkennen und wirksam beseitigen können.
Die Folgen der systemischen Sklerose – Verhärtungen und Funktionsverluste in vielen Geweben – sind in der Regel nicht umkehrbar. Gängige Therapien können den Krankheitsverlauf lediglich verlangsamen. Der Erfolg der CAR-NK-Zellen stellt daher einen bisher unerreichten Fortschritt dar, der jedoch noch in weiteren Studien bestätigt werden muss.
Gentherapie gegen Arthrose im Knie
Science Translational Medicine
US-amerikanische Ärzte injizierten ein entzündungshemmendes Gen direkt in das Knie, um die Folgen einer Arthrose zu lindern. Bei 9 Behandelten ließen daraufhin die Schmerzen nach, während sich die Funktion des Gelenks verbesserte. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf. Die Ergebnisse dieser Teilstudie erschienen in der Juni-Ausgabe des Fachjournals Science Translational Medicine.
Kennzeichen einer Arthrose ist der Abbau von Knorpelgewebe im Gelenk. Bei einem Teil der Betroffenen wird die Erkrankung durch den entzündlichen Botenstoff IL-1 vorangetrieben. Die US-Firma Genascence hat AAV-Genfähren entwickelt, die einen Gegenspieler von IL-1 in die Gelenke einschleusen können. Die Firma hofft, auf diese Weise das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen.
Die Auswertung der ersten Daten deutet darauf hin, dass die Genfähre hauptsächlich im Knie wirkt und sich kaum im restlichen Körper ausbreitet. Das eingeschleuste Gen blieb dabei mindestens ein Jahr lang aktiv. Wie wirksam die Therapie letztendlich ist, soll eine für 2026 geplante Folgestudie zeigen.
Anwendung
US-Behörde erleichtert Zugang zu CAR-T-Zellen
Biopharma Dive
Ab sofort benötigen Kliniken in den USA keine besondere Zertifizierung mehr, um CAR-T-Zelltherapien anzubieten. Patienten müssen nach dem Eingriff auch nur noch zwei statt vier Wochen in der Nähe der Klinik bleiben. Zudem dürfen sie bereits nach zwei Wochen wieder Auto fahren und schwere Maschinen bedienen (bislang waren es acht Wochen). Dies gab die US-Arzneimittelbehörde FDA im Juni bekannt.
Die Auflagen waren anfangs so streng, weil CAR-T-Zellen lebensgefährliche Nebenwirkungen auslösen können. Doch im Laufe der Jahre haben die Kliniken gelernt, das Risiko mit geeigneten Maßnahmen deutlich zu verringern. Die FDA hat daher nun die Auflagen für alle zugelassenen CAR-T-Zelltherapien gelockert.
Insbesondere in ländlichen Regionen der USA führten die Auflagen dazu, dass viele Krebskranke keinen Zugang zu CAR-T-Zelltherapien hatten. Schätzungen zufolge erhielten landesweit nur 2 von 10 möglichen Patienten die Therapie. Experten erwarten, dass mit der Lockerung der Auflagen auch die Anwendungen von CAR-T-Zellen deutlich zunehmen werden.
Forschung
Base editing gegen Huntington-Krankheit
Nature Genetics
Die Genschere CRISPR/Cas kann Sequenzen im Erbgut unterbrechen, die sich ständig wiederholen und Krankheiten wie Huntington oder die Friedreich-Ataxie verursachen. Mit einem Base Editing verkürzte die Genschere diese Triplett-Repeats und verhinderte so ihre spontane Weiterverlängerung. Die Versuche erfolgten in Mäusen und Zelllinien von Betroffenen. Dies berichteten US-Forscher im Juni in Nature Genetics.
Triplett-Repeats bestehen aus drei DNA-Basen, die sich in derselben Abfolge mehrfach wiederholen. Das Base Editing konnte durch den gezielten Austausch einzelner DNA-Basen diese Abfolge unterbrechen. Je nach Versuchsbedingungen konnten etwa 20 bis 30 Prozent der Triplett-Repeats ausgeschaltet werden.
Ob dieser Eingriff auch die Symptome der Erkrankungen lindert, ist allerdings noch unklar. Zudem führt das Base Editing zu zahlreichen unbeabsichtigten Veränderungen im Erbgut, die möglicherweise eine schädliche Wirkung haben könnten. Vor einem ersten Test am Menschen muss dieser Ansatz daher noch weiter verbessert werden.
Wirtschaft
Sarepta entlässt jeden dritten Mitarbeiter
BioPharma Dive
Ein Hersteller von Therapien gegen die Duchenne Muskeldystrophie (DMD) hat im Juli strenge Sparmaßnahmen angekündigt. Etwa 500 der knapp 1400 Mitarbeiter der US-Firma Sarepta sollen gehen, mehrere Entwicklungsprojekte werden eingestellt. Diese Einschnitte sollen im Jahr 2026 etwa 400 Millionen US-Dollar einsparen und so das Überleben der Firma sichern.
Auslöser der finanziellen Krise waren drei Todesfälle im Zusammenhang mit der Gentherapie Elevidys. Daraufhin empfahlen US-Behörden, die Auslieferung der DMD-Therapie zu stoppen – was Sarepta anfangs verweigerte. Dies führte zu einer längeren Auseinandersetzung, deren Ausgang immer noch unklar ist (Stand Mitte August).
Sarepta ist finanziell stark von Elevidys abhängig und hat seitdem einen Großteil seines Börsenwerts eingebüßt. Auch wenn Elevidys vermutlich nicht die direkte Ursache der Todesfälle ist, scheint das Vertrauen in die Therapie dennoch erschüttert. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies langfristig auf den Markterfolg auswirkt.
Zulassungen
Gentherapie von Sarepta nicht in der EU empfohlen
European Medicines Agency EMA
Im Juli hat sich ein Expertenrat der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) gegen die Zulassung der Gentherapie Elevidys ausgesprochen. Der Hersteller hatte eine Studie mit 125 Kindern vorgelegt, die an der seltenen Erbkrankheit Duchenne Muskeldystrophie (DMD) litten.
Laut den Experten lieferte die Studie keinen Beleg, dass die Therapie die motorische Entwicklung der Kinder unterstützt. Die endgültige Entscheidung über die Zulassung liegt zwar bei der EU-Kommission, diese folgt aber in der Regel dem Rat der EMA.
In den USA ist Elevidys bereits seit 2023 verfügbar. Die Zulassung erfolgte allerdings erst nach Intervention eines hochrangigen Beamten, da Experten der zuständigen US-Behörde große Zweifel an der Wirksamkeit geäußert hatten. Berichte über Todesfälle im Zusammenhang mit Elevidys hatten den Hersteller Sarepta zuletzt in große Schwierigkeiten gebracht (siehe oben). In Europa sollte der Schweizer Konzern Roche die Vermarktung übernehmen.