Mai 2025
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

Säugling erhält personalisierte CRISPR-Therapie

Deutsches Ärzteblatt

In Philadelphia (USA) kam 2024 ein Kind mit einer schweren Stoffwechselstörung auf die Welt: Forschende entwickelten daraufhin eine maßgeschneiderte CRISPR-Therapie, die die Mutation im Erbgut mittels Base Editing korrigierte. Nach sieben Monaten war die Therapie einsatzbereit. Der Säugling – unter dem Kürzel KJ bekannt – vertrug den Eingriff gut und die Symptome der Erkrankung ließen bald nach. Der Fallbericht erschien im Mai im New England Journal of Medicine.

Die Forschenden analysierten in kurzer Zeit das Erbgut von KJ, entwickelten einen Heilungsansatz, erzeugten die Reagenzien, testeten deren Sicherheit in Tierversuchen und erhielten die behördliche Zulassung. Sie hoffen nun, dass dieser Ansatz einer „N-of-1-Therapie‟ auf weitere Erkrankungen übertragbar ist.

KJ litt unter der Erbkrankheit CSP1: Diese Störung des Harnstoffwechsels verläuft häufig tödlich. CSP1 gehört zu den rund 7000 Krankheiten, die als selten bezeichnet werden – insgesamt sind jedoch Hunderte Millionen Menschen davon betroffen. Wirksame Behandlungen fehlen häufig, und die Entwicklung von Gentherapien ist kommerziell nicht rentabel. N-of-1-Therapien könnten vielen Betroffenen die dringend benötigte Behandlung ermöglichen.

Cholesterin-Senkung (I) – Genschere schaltet ANGPTL3 aus

Fierce Biotech

Eine Gentherapie kann das Protein ANGPTL3 in Leberzellen ausschalten und so die Blutfettwerte deutlich senken. Dies zeigte eine Studie mit zehn Patienten, die unter schweren Störungen des Fettstoffwechsels litten. In höheren Dosen verringerte die Gentherapie die Blutwerte von LDL-Cholesterin und Triglyzeriden um bis zu 60 Prozent. Diese vorläufigen Ergebnisse teilte die US-Firma CRISPR Therapeutics im Mai der Presse mit.

Das Protein ANGPTL3 ist ein Signalmolekül, das die Konzentration der Blutfette indirekt beeinflusst. Die aktuelle Studie nutzte Lipidvesikel, um die genetische Information für die Genschere Cas9 und die Zielsequenz in den Körper einzuschleusen. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf, die Nachbeobachtungszeit beträgt bislang jedoch nur 30 bis 90 Tage.

Im Erfolgsfall könnte die Therapie nicht nur schwere Erbkrankheiten lindern. Menschen mit einer niedrigen ANGPTL3-Aktivität haben auch ein deutlich geringeres Risiko, eine koronare Herzerkrankung zu entwickeln. Andere Firmen versuchen daher, das Signalmolekül mit Antikörpern oder siRNAs zu hemmen.

Cholesterin-Senkung (II) – Base Editing inaktiviert PCSK9

BioPharma Dive

Die Blutfettwerte sinken auch, wenn das Signalprotein PCSK9 gehemmt wird. Die US-Firma Verve Therapeutics entwickelt dazu eine Therapie, die die Genschere Cas9 für ein Base Editing nutzt. An einer Studie nahmen 14 Menschen teil, die an einer Erbkrankheit litten oder bereits in jungen Jahren eine koronare Herzerkrankung entwickelt hatten. Eine hohe Dosis der Therapie konnte das LDL-Cholesterin nach 28 Tagen um etwa 50 Prozent senken. Dies teilte Verve im April in der Presse mit.

Die Therapie basiert auf einem älteren Medikament, das bei einzelnen Behandelten ernste Nebenwirkungen ausgelöst hatte. Die neue Variante nutzt besser verträgliche Lipid-Nanopartikel, um die Genschere in Leberzellen einzuschleusen. In der aktuellen Studie traten keine schweren Nebenwirkungen auf.

Im Gegensatz zu ANGPTL3 (siehe oben) ist PCSK9 bereits ein etablierter Ansatzpunkt zur Senkung des LDL-Cholesterinspiegels. Auf dem Markt erhältliche Antikörper und siRNAs müssen jedoch in regelmäßigen Abständen neu injiziert werden. Dieser Mehraufwand führt teils zu erheblichen Absprungraten. Eine Gentherapie müsste hingegen vermutlich nur einmal eingesetzt werden. Langfristig sollte ihre Wirkung daher höher sein.

Kinder mit Immunschwäche können normales Leben führen

New England Journal of Medicine

Eine Gentherapie kann Kinder vor lebensbedrohlichen Infektionen schützen, die häufig als Folge der Immunschwäche LAD-I auftreten. Die Therapie schleust ein Gen in das Erbgut von körpereigenen Blutstammzellen ein. Nach dem Eingriff konnten 9 Kinder erstmals ein weitgehend normales Leben führen. Ein internationales Forscherteam und die US-Firma Rocket Pharmaceuticals veröffentlichten die Ergebnisse im April im New England Journal of Medicine.

Die Erbkrankheit LAD-I wird durch den Verlust des Proteins CD18 verursacht. Dieses ermöglicht Immunzellen, in infiziertes Gewebe einzuwandern. Bislang kann LAD-I nur durch eine Stammzelltransplantation von einem Fremdspender geheilt werden. Selbst wenn eine geeignete Stammzellspende verfügbar ist, besteht bei diesem Eingriff ein hohes Risiko schwerer Abstoßungsreaktionen.

Die Therapie beruht auf einem lentiviralen Vektor, der das CD18-Gen in körpereigene Blutstammzellen einschleust. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf. Nach der Behandlung verringerte sich die Zahl der schweren Infektionen um 85 % und die Dauer der infektionsbedingten Krankenhausaufenthalte um 75 %. In den USA wurde eine Zulassung der Gentherapie bereits beantragt.

CRISPR Prime Editing erstmals im Menschen erfolgreich

RNAi Therapeutics Blog

Eine Variante der CRISPR-Therapie hat ein wichtiges Enzym in Immunzellen aktiviert, das für die Abwehr von Krankheitserregern notwendig ist. Es war der erste Einsatz des „Prime Editing‟: Diese Methode kann größere Bereiche des Erbguts gezielt verändern. Der behandelte Erwachsene litt an der Erbkrankheit chronische Granulomatose (CGD). Das teilte die US-Firma Prime Medicine im Mai der Presse mit.

Beim Prime Editing kommt eine Variante der Genschere Cas zum Einsatz, die den DNA-Strang nicht vollständig durchschneidet. In Kombination mit einem anderen Enzym ist es dann möglich, anhand einer RNA-Vorlage viele DNA-Basen zugleich zu verändern.

Die Immunschwäche CGD entsteht durch Mutationen, die die Aktivität des Enzyms NADPH Oxidase hemmen. Die Therapie veränderte Blutstammzellen im Labor und fügte zwei fehlende DNA-Basen in das Gen NCF1 ein. Nach der Transplantation der veränderten Stammzellen zeigte ein Bluttest, dass mehr als 60 % der NADPH-Oxidase-Aktivität wiederhergestellt waren. Prime Medicine sucht nun nach einem Partner, um die Entwicklung dieser Therapie voranzutreiben.

Anwendung

Patient stirbt nach Behandlung – Studien zu Elevidys pausieren

pharmaphorum

Ende März hat die europäische Arzneimittelbehörde EMA eine Studie gestoppt, welche die Wirkung der Gentherapie Elevidys in Deutschland und weiteren EU-Ländern untersucht. Zwei weitere europäische Studien pausieren anscheinend ebenfalls. Grund dafür ist der Tod eines 16-jährigen Jungen mit Duchenne-Muskeldystrophie, der im März kurz nach der Behandlung mit Elevidys verstorben ist. Der vorläufige Stopp bleibt in Kraft, bis die genauen Umstände des Todes geklärt sind.

Elevidys ist seit 2023 in den USA zugelassen, die Wirksamkeit ist jedoch weiterhin umstritten. In der EU wird die Zulassung weiterhin geprüft. Die Entwicklung von Elevidys erfolgte durch die US-Firma Sarepta, die Vermarktung außerhalb der USA erfolgt durch den Schweizer Konzern Roche.

Ein akutes Leberversagen ist eine bekannte Nebenwirkung von Elevidys. Auslöser ist vermutlich die Genfähre AAV. Zum Zeitpunkt der Behandlung hatte der Verstorbene eine Infektion mit dem Cytomegalovirus, welches ebenfalls die Leber angreift und die Komplikationen verstärkt haben könnte. Genauere Informationen aus dem Autopsiebericht werden in den kommenden Wochen erwartet. Laut Sarepta ist dies der erste Todesfall unter 800 Behandlungen.

Wirtschaft

Gentherapie-Firmen: Erfolge in der Klinik, Probleme bei der Finanzierung

BioPharma Dive / Fierce Biotech

Die Lage bleibt schwierig. Trotz zahreicher Erfolge – vor allem bei den CRISPR-Therapien – kämpfen viele Firmen um das finanzielle Überleben. Hier eine Auswahl der vergangenen zwei Monate:

Neue Zulassungen

Zweite Therapie gegen Epidermolysis bullosa in den USA zugelassen

BioPharma Dive

Die Gentherapie Zevaskyn kann schwere Entzündungsreaktionen lindern, wie sie bei der Hautkrankheit Epidermolysis bullosa dystrophica (EBD) auftreten. Zevaskyn trägt dazu bei, große Wunden zu schließen und Schmerzen zu verringern. Die Therapie wurde im April von der US-Arzneimittelbehörde zugelassen. Der Hersteller Abeona Therapeutics hat einen Listenpreis von 3,1 Millionen US-Dollar festgesetzt.

Bei der EBD leiden die Betroffenen unter einer höchst empfindlichen Haut, die sich bereits nach geringen Berührungen ablöst und Blasen bildet. Ursache ist ein defektes Gen für Kollagen VII. Zevaskyn schleust eine korrekte Version dieses Gens in körpereigene Hautzellen ein, die anschließend auf die Wunden transplantiert werden. Laut Hersteller sollte eine einmalige Anwendung ausreichen.

In den USA konkurriert Zevaskyn mit der bereits finanziell erfolgreichen Gentherapie Vyjuvek. Vyjuvek bietet jedoch keine dauerhafte Heilung und muss regelmäßig als Gel neu auf die Haut aufgetragen werden. Der Hersteller von Zevaskyn hofft, dass die Aussicht auf eine einmalige Anwendung einen Wettbewerbsvorteil bietet.

China lässt eigene Gentherapie gegen Hämophilie B zu

Hemophilia News Today

Die chinesische Firma Belief Biomed (BBM) hat eigenständig eine Gentherapie gegen Hämophilie B entwickelt, die im April in China zugelassen wurde. Die Therapie mit der Bezeichnung BBM-H901 nutzt eine AAV-Genfähre, um eine optimierte Version des Gerinnungsfaktors IX in Leberzellen einzuschleusen. Die Vermarktung in China, Hongkong und Macau erfolgt durch Takeda China. Erste Schritte für eine Zulassung in den USA und der EU wurden bereits unternommen.

Eine große Phase-III-Studie ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Vorläufige Daten zeigen aber wohl, dass 8 von 10 Behandelten ein Jahr nach der Gentherapie keine Blutungen mehr erlitten. In der EU ist die Gentherapie Hemgenix seit 2023 zur Behandlung von Hämophilie B zugelassen.

 
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