April 2022
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

CRISPR/Cas9-Therapie andauernd wirksam

FierceBiotech

Die Genschere CRISPR/Cas9 hemmt die Produktion des Stoffwechselproteins Thyretin in der menschlichen Leber. Eine fehlgefaltete Form von Thyretin verursacht die seltene Erkrankung Transthyretin Amyloidose (ATTR), bei der Protein-Ablagerungen die Funktion von Herz und Nervengeweben stören. Bei keinem Behandelten ließ die Wirkung der CRISPR-Therapie über den Beobachtungszeitraum von zwei bis zwölf Monaten nach. Diese Daten verkündete der Hersteller Intellia Therapeutics im Februar in einer Pressemitteilung.

Die klinische Studie umfasste insgesamt 15 Patienten, die unter ATTR mit Polyneuropathie litten. Die CRISPR-Therapie erfolgte mit Lipidvesikeln, in denen die Erbinformation der Genschere in Form von Boten-RNA enthalten war. Die Vesikel wurden in die Blutbahn injiziert und gelangten dann in Leber. Bei den 12 Patienten, die höhere Dosen erhielten, reduzierte sich der Plasmaspiegel von Thyretin um durchschnittlich etwa 90 %. Die Nebenwirkungen der Therapie blieben mild. Ob die Behandlung auch den Verlauf der Krankheit mildert, ist noch nicht bekannt.

Erste Gentherapie für das Tay-Sachs-Syndrom

Nature Medicine

Forscher in den USA behandelten zwei Kinder mit dem Tay-Sachs-Syndrom: Eine Gentherapie kann den Fortschritt der Erkrankung über bislang etwa zwei Jahre verlangsamen, eine endgültige Bewertung der Wirksamkeit ist noch nicht möglich. Beim Tay-Sachs-Syndrom verursacht der Mangel an einem Stoffwechselenzym schwere neurologischen Störungen, die bereits im Kindesalter zum Tod führen. Eine Therapie ist bislang nicht möglich. Die Studie erschien im Februar im Fachjournal Nature Medicine.

Die Gentherapie nutzt eine AAV-Genfähre, um eine korrekte Kopie des Gens Hexosaminidase A in das Nervensystem einzuschleusen. Die Behandlung wurde gut vertragen und konnte die Produktion des Stoffwechselenzyms deutlich steigern. Eines der behandelten Kinder ist nun fünf Jahre alt und bei stabiler Gesundheit – ein ungewöhnlicher Befund bei dieser Erkrankung. Das zweite Kind zeigte nach drei Monaten Fortschritte bei der Gehirn-Entwicklung, nach sechs Monaten schritt die Erkrankung jedoch wieder voran. Die Forscher wollen demnächst eine höhere Dosis einsetzen, um die Wirksamkeit der Gentherapie zu steigern.

Gentherapie: Gel lindert Schmetterlingshaut

Nature Medicine

Eine Gentherapie kann schlecht heilende Wunden schließen, die von der Erbkrankheit Epidermolysis bullosa verursacht werden. Die Therapie ist aus zwei Gründen ungewöhnlich: Die Applikation erfolgt als Gel direkt auf die Haut und als Genfähre dient ein verändertes Herpes-simplex-Virus. Vorläufige Daten bei neun Erkrankten zeigten eine gute Heilungsrate. Die Studie von Forschern der Stanford Universität in Kalifornien wurde im März im Fachjournal Nature Medicine veröffentlicht.

Die rezessive Epidermolysis bullosa beruht auf einem Defekt in dem Gen COL7A1 und führt zu einem Kollagen-Mangel in der Haut. Jede Berührung dieser „Schmetterlingshaut“ kann Blasen und offene, schlecht heilende Wunden hervorrufen. Die experimentelle Gentherapie schleust eine korrekte Version von COL7A1 in die Hautzellen ein: Nach drei Monaten waren 70 Prozent der behandelten Wunden gut verheilt, bei einer Kontrollbehandlung waren es nur 20 Prozent. Die Therapie wird nun in einer größeren Phase-III-Studie getestet.

Wirtschaft

Carvykti: Zweite CAR-T-Zelltherapie gegen Multiples Myelom

FiercePharma

Seit Februar ist in den USA eine zweite CAR-T-Zelltherapie zur Behandlung von hartnäckigen Multiplen Myelomen zugelassen. Die Therapie mit Namen Carvykti wurde von der US-Firma Legend Biotech entwickelt und wird in Kooperation mit dem Pharmakonzern Johnson & Johnson vermarktet. Der Preis soll 465 000 US$ betragen. Ein Antrag auf Zulassung in der Europäischen Union wurde im März von einem Gremium positiv beurteilt, die Genehmigung steht jedoch noch aus.

Die Zwischenergebnisse einer Studie mit 97 Patienten waren sehr positiv ausgefallen. Fast alle Teilnehmer sprachen auf die Therapie mit Carvykti an, bei 8 von 10 Behandelten ging der Tumor vollständig zurück. Nach bislang 22 Monaten zeigte sich bei der Hälfte der Behandelten kein Fortschreiten der Erkrankung. Zumindest auf dem Papier scheint Carvykti damit wirksamer zu sein als die CAR-T-Zelltherapie Abecma, das Konkurrenzprodukt der US-Firma Bristol Myers Squibb.

Yescarta als Zweitlinientherapie anerkannt

Endpoints

In den USA darf die CAR-T-Zelltherapie Yescarta nun früher angewendet werden: Bei Erwachsenen mit B-Zell-Lymphomen, die auf die Ersttherapie nicht ansprechen oder innerhalb eines Jahres rückfällig werden. Bislang war dies erst nach mehreren erfolglosen Therapieversuchen möglich. Der Hersteller Gilead erwartet, dass Yescarta damit einer doppelt so hohen Zahl von Patienten zugänglich wird. Die US-Arzneimittelbehörde verkündete diese Entscheidung im April 2022.

Die erweiterte Zulassung basiert auf Studien, die Yescarta mit der bislang empfohlenen Zweitlinientherapie verglichen: einer Kombination aus Chemotherapie und Stammzelltransplantation. Nach einer Behandlung mit Yescarta waren 40 Prozent der Patienten nach zwei Jahren noch am Leben, ohne dass die Erkrankung voranschritt. Bei den bisher empfohlenen Therapien waren es deutlich weniger als die Hälfte, gerade einmal 16 Prozent.

CAR-T-Zelltherapie Breyanzi in Europa zugelassen

Pharmazeutische Zeitung

Die Europäische Union hat im April die Zulassung für Breyanzi erteilt, eine CAR-T-Zelltherapie gegen das diffus großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL). In ersten Studien ging bei etwa der Hälfte der Behandelten der Tumor vollständig zurück, die mittlere Ansprechdauer betrug 20 Monate. Der Hersteller Bristol Myers Squibb hatte bereits im Februar 2021 die Zulassung für den US-Markt erhalten. In den USA betragen die Kosten von Breyanzi etwa 410 000 US$, in Europa ist der Preis noch nicht festgelegt.

Bluebird Bio und Orchard Therapeutics in Not

BioPharmaDive

Drastischer Stellenabbau, Einstellung von Projekten, Kostensenkungen – knapp ein Dutzend Gentherapie-Firmen kämpft mit akuten Problemen. Eine Ursache sind deutliche Kurseinbrüche an der US-Börse, die den Entwicklern von Gen- und Zelltherapien besonders zu schaffen machen. Viele dieser Firmen verfügen noch über keine zugelassene Therapien und haben oft noch jahrelange Entwicklungsarbeit vor sich.

Aber es trifft auch etablierte Firmen wie Bluebird Bio und Orchard Therapeutics, die jeweils ein Drittel ihrer Belegschaft entlassen müssen. Bluebird Bio hat mit Skysona und Zynteglo kürzlich erst zwei Gentherapien aus Europa zurückgezogen und bangt nun um die Finanzierung für dieses Jahr. Orchard Therapeutics konzentriert sich in Zukunft auf die Vermarktung von Libmeldy, zwei andere fortgeschrittene Projekte werden hingegen eingestellt. Zudem wird die Weiterentwicklung von Strimvelis gestoppt – die Therapie kam seit 2016 erst bei 16 Patienten zur Anwendung.

Methoden

CAR-T-Zellen an einem Tag

Nature Biomedical Engineering

Eine neue Methode verkürzt die Erzeugung von CAR-T-Zellen auf einen Tag. Bislang dauert die Herstellung mindestens neun Tage, da die Zellen im Labor aktiviert und vermehrt werden. Eine verkürzte Produktionszeit könnte Patienten mit schnell wachsenden Tumoren helfen, zudem ermöglicht der geringere Arbeitsaufwand eine dezentralisierte Herstellung in lokalen Krankenhäusern. Forscher der Universität von Pennsylvania veröffentlichten die Ergebnisse in der Februar-Ausgabe des Fachjournals Nature Biomedical Engineering.

Die Forscher konnten die Wirksamkeit einer lentiviralen Genfähre steigern und so den CAR auch in frisch gewonnene Immunzellen einschleusen. Nach wenigen Stunden werden die Zellen zurück in den Körper gegeben, wo sie sich rasch vermehren und Krebs wirksam bekämpfen. In Tierversuchen erwies sich dieser Ansatz als vielversprechend: Ihre anfänglich geringere Zahl glichen die CAR-T-Zellen durch eine gesteigerte Aktivität aus. Tests am Menschen stehen allerdings noch aus.

 
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