August 2023
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

Gespendete CAR-T-Zellen drängen B-Zell-Lymphom zurück

Fierce Biotech

Genetisch veränderte CAR-T-Zellen von fremden Spendern sind bei hartnäckigen B-Zell-Lymphomen zumindest anfangs sehr wirksam: Bei 7 von 16 behandelten Patienten waren auch nach 6 Monaten keine Krebszellen mehr nachweisbar. Die Erfolgsquote ist damit vergleichbar mit bereits zugelassenen Therapien, die körpereigene CAR-T-Zellen verwenden. Dies gab der Hersteller Caribou Biosciences im Juli in einer Pressemitteilung bekannt.

Caribou verändert gespendete T-Zellen mit der Genschere CRISPR/Cas9, um zwei Immunrezeptoren auszuschalten. Die so erzeugten CAR-T-Zellen sollen weniger Nebenwirkungen haben und sich nach der Transplantation besser vermehren. Die ersten Ergebnisse zeigen auch, dass die Nebenwirkungen vergleichsweise mild sind. Allerdings ist die Studie noch zu klein, um belastbare Aussagen zur Sicherheit und Wirksamkeit zu machen. Die Studie soll nun mit 30 weiteren Teilnehmern fortgesetzt werden.

Kurzlebige CAR-T-Zellen lindern Myasthenia gravis

Deutsches Ärzteblatt

Eine schonende Variante der CAR-T-Zelltherapie kann bei der Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis helfen: Bei allen 14 Teilnehmern einer ersten Studie gingen die Symptome deutlich zurück, teilweise sogar vollständig. Die US-Firma Cartesian Therapeutics erzeugte die CAR-T-Zellen mit einer Methode, die der mRNA-Impfung gegen COVID entspricht. Die Behandlung verursachte daher nur milde Nebenwirkungen. Diese Ergebnisse wurden in der Juli-Ausgabe der Fachzeitschrift Lancet Neurology veröffentlicht.

Bei der Myasthenia gravis stören Antikörper die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln. Die neue Therapie soll Immunzelle erkennen und beseitigen, die diese autoreaktiven Antikörper produzieren. Dazu werden körpereigene T-Zellen im Labor mit mRNA-Molekülen verändert und vermehrt. Bereits nach wenigen Wochen sind die CAR-T-Zellen im Körper nicht mehr nachweisbar, die Wirkung der Therapie hält jedoch bis zu 9 Monate an. Der Hersteller hat nun eine placebokontrollierte Studie mit 30 Teilnehmern gestartet.

B-Zell-Lymphom: CAR-T-Zellen nach 4 Jahren der Standardtherapie überlegen

New England Journal of Medicine

Die CAR-T-Zelltherapie Yescarta erhöht die Überlebensquote beim großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL), wenn sie als Zweitlinientherapie nach einem Rückfall eingesetzt wird. Das hat eine Studie mit 359 Teilnehmern gezeigt, die je zur Hälfte mit Yescarta und einer Standardtherapie behandelt wurden. Die Langzeitdaten der internationalen Studie wurden im Juni im Fachjournal New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Nach vier Jahren betrug die Überlebensrate mit Yescarta etwa 55 Prozent, mit der Standardtherapie nur 46 Prozent. Zudem waren die Nebenwirkungen der CAR-T-Zelltherapie geringer als bei der bisher üblichen Kombination aus Chemotherapie und Stammzelltransplantation. Der Hersteller Kite Pharma plant nun eine Studie, die den Einsatz von Yescarta als Erstlinientherapie testen soll.

Anwendung

Zolgensma: Viele Kinder benötigen eine zusätzliche Therapie

Reuters

Die Gentherapie Zolgensma kann die erbliche spinale Muskelatrophie (SMA) manchmal nur unzureichend behandeln: Einige Kinder müssen anschließend mit sehr teuren Medikamenten weiterbehandelt werden. Laut einer Studie des Herstellers Novartis könnte dies bei bis zu 1 von 3 Kindern der Fall sein. Ob die Folgetherapien dann noch wirksam sind, ist bislang unklar. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters im August.

Der optimale Behandlungszeitpunkt für Zolgensma liegt in den ersten Lebenstagen oder -wochen, doch manche Kinder erhalten die Therapie deutlich später: Bereits im Alter von wenigen Monaten sind manche Schäden jedoch kaum mehr rückgängig zu machen. Zudem entwickeln Kinder mit zunehmendem Alter häufig eine Immunantwort, die die Wirksamkeit der eingesetzten Genfähre einschränken kann. Würden alle Neugeborenen frühzeitig untersucht und behandelt, ließen sich diese Probleme teilweise lösen.

Forschung

Gentherapie verringert Alkoholkonsum bei Affen

Genetic Engineering & Biotechnology News

Das Verlangen nach Alkohol sinkt dramatisch, wenn der Wachstumsfaktor GDNF ins Gehirn eingeschleust wird. Bei vier Rhesusaffen, die an große Mengen Alkohol gewöhnt waren, sank der tägliche Konsum um rund 90 %. Die Wirkung hielt 12 Monate an. GDNF führt vermutlich zur Ausschüttung des Signalmoleküls Dopamin und beeinflusst so das Belohnungssystem im Gehirn. Ein Mangel an Dopamin tritt auch bei Menschen mit schwerer Alkoholabhängigkeit auf. US-Forscher aus Oregon veröffentlichen diese Ergebnisse im August in der Fachzeitschrift Nature Medicine.

Für die Gentherapie wurden den Affen zwei Löcher in den Schädel gebohrt. Eine AAV-Genfähre mit dem Wachstumsfaktor gelangte so direkt in zwei betroffene Regionen und regte dort die Funktion der Nervenzellen an. Nach einem Jahr zeigte die Autopsie der Gehirne, dass in diesen Regionen erhöhte Mengen von GDNF und Dopamin vorhanden waren. Für Studien am Menschen ist es allerdings noch zu früh. Selbst bei einem Erfolg käme diese Therapie nur bei sehr schwerem Alkoholismus infrage, da der Eingriff ins Gehirn sehr riskant ist.

Methoden

Stammzellen im Knochenmark mit mRNA verändert

Science

Eine Variante der mRNA-Technologie eignet sich für den Gentransfer in lebende Tiere: Die Oberfläche von Lipidpartikeln wird mit Antikörpern versehen, die eine gezielte Fusion mit Blutstammzellen ermöglichen. Nach Injektion in die Blutbahn transportieren die Lipidpartikel die genetische Information ins Knochenmark, wo sie die Produktion ausgewählter Enzyme und Proteine anregen. Bei Mäusen erwies sich dieses Verfahren als wirksam und sicher, eine vorherige Konditionierung mit Chemotherapien war nicht notwendig. Forscher der Universität von Pennsylvania veröffentlichten die Studie im Juli im Fachjournal Science.

Wirtschaft

AstraZeneca steigt in die Gentherapie ein

BioPharma Dive

Der britisch-schwedische Konzern AstraZeneca gibt bis zu 900 Millionen Euro aus, um mehrere Gentherapie-Programme in einem frühen Entwicklungsstadium zu kaufen. Teil der Transaktion sind auch neuartige Komponenten von AAV-Genfähren. AstraZeneca hatte bereits zuvor begonnen, seine Forschungs- und Produktionsmöglichkeiten auszubauen. Die neu erworbenen Programme stammen vom US-Konkurrenten Pfizer, der sich auf seine fortgeschrittenen Gentherapie-Programme konzentrieren will. AstraZeneca gab die Übernahme im Juli bekannt.

Neue Zulassungen

Gentherapie Roctavian in den USA zugelassen

BioPharma Dive

Im Juni haben US-Behörden die Gentherapie Roctavian zugelassen. Die Therapie der US-Firma BioMarin verringert die Blutungsepisoden bei der Erbkrankheit Hämophilie A um mehr als 80 Prozent. In der Europäischen Union ist Roctavian bereits seit August 2022 zugelassen. Der Preis in den USA soll bei 2,9 Millionen US-Dollar liegen, in Deutschland verlangt der Hersteller etwa 2,25 Millionen Euro (umgerechnet rund 2,5 Millionen US-Dollar). Nach einer Analyse des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung liegt der wirtschaftlich maximal vertretbare Preis bei etwa 1,1 Millionen Euro.

 
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