Dezember 2020
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

Deutlich weniger Blutungen bei Hämophilie B

BioPharmaDive

Eine Gentherapie der niederländischen Firma uniQure ist wirksam gegen Hämophilie B: Von 54 behandelten Patienten konnten 52 vollständig auf eine Enzym-Ersatztherapie verzichten, bei 39 traten keine Blutungen mehr auf. Diese Daten wurden im Dezember auf einer Webkonferenz der American Society of Hematology (ASH) vorgestellt. Die Rechte an der Gentherapie hatte uniQure bereits im Juni an die US-Firma CSL Behring verkauft.

Der Beobachtungszeitraum betrug 26 Wochen. In dieser Zeit stieg der Spiegel des Gerinnungsfaktors IX durchschnittlich von 2 % auf 37 % an, die Blutungsrate fiel um 83 %. Als Nebenwirkungen traten vor allem erhöhte Leberwerte, Kopfschmerzen und Grippesymptome auf. In Absprache mit der US-Arzneimittelbehörde FDA weitet uniQure den Beobachtungszeitraum auf 52 Wochen aus, entscheidend für eine Zulassung soll dann die Entwicklung der Blutungsrate sein.

Körperfremde CAR-T-Zellen gegen das Multiple Myelom

FierceBiotech

Die kalifornische Firma Allogene konnte erstmals mit CAR-T-Zellen von fremden Spendern einen Teilerfolg gegen das Multiple Myelom erzielen. In der höchsten Dosierung sprachen 6 von 10 Krebspatienten auf die Therapie an, die Nebenwirkungen blieben meist in einem vertretbaren Rahmen. Diese vorläufigen Ergebnisse wurden auf der ASH-Webkonferenz im Dezember bekannt gegeben.

Die Auswertung von Allogene konzentriert sich auf 10 Patienten, die die höchste Dosis erhielten. In fünf Fällen waren keine Tumorzellen mehr nachweisbar, allerdings lässt der kurze Behandlungszeitraum von durchschnittlich drei Monaten noch keine belastbaren Aussagen zu. Andere Studien mit CAR-T-Zelltherapien, die körpereigene Zellen nutzten, zeigten deutlich höhere Ansprechraten. Körperfremde Zellen sind jedoch schneller einsatzbereit und daher bei manchen Patienten im Vorteil.

CRISPR/Cas9 gegen ß-Thalassämie und Sichelzellanämie

STAT

Ein Eingriff in das Erbgut half zehn Patienten mit ß-Thalassämie und Sichelzellanämie: Alle waren nach der experimentellen Therapie weitgehend frei von Symptomen und unabhängig von Bluttransfusionen. Dies berichteten die Firmen Vertex Pharmaceuticals und CRISPR Therapeutics auf ASH-Webkonferenz im Dezember. Bereits vor einem Jahr publizierten die Firmen erste Erfolge, die nun mit weiteren Daten untermauert wurden.

Die Genschere CRISPR/Cas9 manipulierte das Erbgut von Blutstammzellen, um die Produktion einer fetalen Variante von Hämoglobin anzuschalten. Die Hämoglobin-Spiegel erreichte danach nahezu Normalwerte. Die Beobachtungszeit beträgt maximal 18 Monate und ist noch zu kurz für eine endgültige Bewertung der Wirksamkeit. Die Nebenwirkungen waren beherrschbar und meist auf die vorbereitende Chemotherapie zurückzuführen. Es sollen nun weitere Patienten behandelt werden, das Enddatum der Studie ist noch offen.

Gentherapie für Sichelzellänamie - die zweite Lösung

New England Journal of Medicine

Forscher am Children’s Hospital in Boston fanden einen weiteren Weg, um die Sichelzellanämie zu behandeln: Die Produktion von körpereigenem fetalen Hämoglobin wird mit einer Methode namens RNA-Interferenz angeregt. Die Gentherapie wurde an sechs Patienten getestet, die innerhalb durchschnittlich 18 Monaten keine oder fast keine Krankheitssymptome mehr aufwiesen. Die Ergebnisse der Studie wurden im Dezember vom Fachjournal New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Während die Therapie mit CRISPR/Cas9 das Erbgut direkt verändert (siehe oben), schleusten die Forscher aus Boston ein kleines RNA-Molekül mit einem lentiviralen Vektor in Blutstammzellen ein. Dieses RNA-Molekül löst eine Bremse, die bei Erwachsenen die Produktion von fetalem Hämoglobin verhindert. Die Nebenwirkungen blieben in vertretbarem Rahmen. Damit gibt es nun drei unterschiedliche Optionen, eine Sichelzellanämie zu behandeln: Auch die Gentherapie Zynteglo, bereits für ß-Thalassämie zugelassen, hat bereits gute Erfolge bei dieser Erbkrankheit erzielt.

Industrie

Bayer investiert in Gentherapie und CAR-T-Zellen

BioPharmaDive – Endpoints

Anfang Dezember übernahm der deutsche Bayer-Konzern die US-Firma Asklepios Biopharmaceuticals (AskBio), die mit einer fast 20-jährigen Erfahrung zu den Pionieren der Gentherapie gehört. Drei klinische Studien bei Parkinson, Herzschwäche und der Stoffwechselstörung Morbus Pompe wurden kürzlich gestartet. Zusätzlich kann AskBio die für die Therapie benötigten AAV-Vektoren in Eigenregie produzieren. Die Übernahme kostet Bayer zwei Milliarden US-Dollar, eine ähnliche Summe könnte im Laufe der nächsten Jahre als Meilenstein-Zahlungen dazu kommen.

Ebenfalls im Dezember verkündete Bayer eine Kooperation mit der kalifornischen Biotech-Firma Atara. Für 60 Millionen US-Dollar sicherte sich Bayer eine CAR-T-Zelltherapie gegen den Krebsmarker Mesothelin-1, die für die Behandlung von Lungenkrebs getestet werden soll. Eine klinische Studie mit körpereigenen CAR-T-Zellen startete in November, vor allem soll jedoch eine Variante mit körperfremden Zellen eingesetzt werden. Langfristig könnten für Bayer Kosten von 610 Millionen US-Dollar auflaufen.

Patient erkrankt an Leukämie – Zukunft von Strimvelis fraglich

Endpoints

Vier Jahre nach Anwendung der Gentherapie Strimvelis ist ein Patient an Krebs erkrankt und wurde zur Behandlung in ein Leukämie-Zentrum eingewiesen. Die Vermarktung der Gentherapie wurde daraufhin vorerst gestoppt, wie der Hersteller Orchard Therapeutics Ende Oktober bekannt gab. Die Firma wartet nun die Ergebnisse einer gründlichen Untersuchung ab, bevor sie über die Zukunft von Strimvelis entscheidet.

Strimvelis behandelt die seltene Immunschwäche ADA-SCID und ermöglicht den Betroffenen ein fast normales Leben. Ein kommerzieller Erfolg blieb jedoch aus, seit der EU-Zulassung im Jahr 2016 fanden sich erst 16 Patienten. Zudem bleibt der verwendete Gammaretrovirus ein Sicherheitsrisiko: Er kann sich in das Erbgut einbauen und Krebs auslösen. Erste Untersuchungen deuten an, dass dies auch den aktuellen Krebsfall verursacht haben könnte.

Methoden

Nasenspray als Schutz vor COVID-19

BioPharmaDive

Der US-Konzern Regeneron und der Gentherapie-Pionier James Wilson wollen ein Spray entwickeln, das schützende Antikörper in der Nase erzeugt. Grundlage bilden zwei Wirkstoffe des Medikaments REGEN-COV-2, deren genetische Baupläne mithilfe von AAV-Vektoren in die Nasenschleimhaut eingeschleust werden. Das Gemeinschaftsprojekt wurde Ende November von der Universität Pennsylvania bekannt gegeben.

REGEN-COV-2 ist zugelassen für die Behandlung von milden und mittelschweren COVID-19-Erkrankungen, aber der Hersteller Regeneron hofft, dass es auch uninfizierte Risikopersonen vor dem Virus schützen kann. Erste klinische Tests haben bereits begonnen, das Medikament muss jedoch bislang in einer Klinik verabreicht werden. Ein Nasenspray mit AAV-Vektoren wäre einfacher anwendbar und könnte laut Wilson wochenlang vor Infektionen schützen. Die Wirksamkeit soll zuerst in Tieren getestet werden.

Medienspiegel

CRISPR/Cas9 soll Schweine in Organspender verwandeln

Future Human

Tausende schwerkranke Menschen könnten gerettet werden, wenn ausreichend Organe für die Transplantation bereit ständen. Schweine wären ideale Spender, doch ihr Gewebe wird vom menschlichen Körper abgestoßen. Eine chinesische Firma nutzt die Genschere CRISPR/Cas9, um dieses Problem zu lösen: Die Manipulation von 13 Genen soll Immunreaktionen und die Übertragung von Viren verhindern. Die Organe dieser Tiere, pig 3.0 genannt, werden bereits an Affen getestet werden. Mehr darüber berichtet Emily Mullin im Online Magazin Future Human.

 
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