Dezember 2021
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

CAR-T-Zellen: Maßgeschneidert oder „von der Stange“?

BioPharmaDive

Die US-Firma CRISPR Therapeutics stellte im Oktober erste Daten einer Krebstherapie vor: 26 Patienten mit B-Zell-Lymphomen erhielten CAR-T-Zellen, die von gesunden Spendern stammten und auf Vorrat („off-the-shelf“) angefertigt wurden. Diese allogenen Zellen sind günstiger in der Herstellung, sofort verfügbar und für fast jeden Patienten geeignet – eindeutige Vorteile gegenüber „maßgeschneiderten“ CAR-T-Zellen aus dem eigenen Körper der Patienten. Im Vergleich waren die allogenen Zellen auch besser verträglich, ein Fragezeichen steht jedoch hinter der Wirkungsdauer.

Die Patienten von CRISPR Therapeutics blieben von schweren Zytokinstürmen verschont, neurotoxische Nebenwirkungen traten nur in einem Fall auf. In den ersten Wochen war auch die Wirksamkeit zufriedenstellend: 14 Patienten reagierten auf die Therapie, bei 9 Patienten verschwand der Tumor vollständig. Nach sechs Monaten war jedoch nur noch 4 Patienten frei von Krebszellen – bei maßgeschneiderten Zellen ist der Anteil oft doppelt so hoch. Eine zweite Gabe von allogenen Zellen könnte die Wirksamkeit verlängern und wird im nächsten Teil der Studie getestet.

Immunschwäche: Gentherapie wirkt mindestens zehn Jahre

Blood

Zwischen 2009 und 2012 testeten Forscher in Los Angeles eine Gentherapie gegen die Immunschwäche ADA-SCID: Das Immunsystem von 9 der 10 behandelten Kinder war danach deutlich gestärkt und bot Schutz vor schweren Infektionen. Neue Daten belegen jetzt, dass die Wirkung bis heute fast unvermindert anhält. Die Forscher halten es für möglich, dass die Kinder für den Rest ihres Lebens geschützt sind. Die Daten wurden im Oktober vom Fachjournal Blood veröffentlicht.

Als Genfähre kam ursprünglich ein Gammaretrovirus zum Einsatz, der heute nicht mehr verwendet wird: Das Virus kann die Entwicklung von Blutkrebs auslösen. Bei den behandelten Kinder zeigten sich keine Anzeichen von Krebs, allerdings vermehrten sich einzelne Klone von Immunzellen auffällig stark. Seit 2012 nutzen die Forscher einen Lentivirus als Genfähre, ebenfalls mit Erfolg: In dieser Studie weisen 48 von 50 behandelten Kindern ein funktionsfähiges Immunsystem auf.

Kliniken bestätigen Wirksamkeit und Sicherheit von Zolgensma

Deutsches Ärzteblatt

An 18 Zentren in Deutschland und Österreich erhielten insgesamt 76 Kinder die Gentherapie Zolgensma, um die Folgen der spinalen Muskelatrophie (SMA) zu lindern. Für die meisten liegen nun Daten zur Wirksamkeit vor: Bei 49 von 60 Kindern verbesserte sich die Motorik deutlich, viele konnten eigenständig sitzen, krabbeln oder stehen. 56 Kinder litten an vergleichsweise milden Nebenwirkungen, bei 8 Kindern traten vorübergehende Störungen der Leberfunktion auf. Die Ergebnisse der Beobachtungsstudie wurden im Oktober im Fachjournal Lancet Child & Adolescent Health veröffentlicht.

Bislang lagen nur zwei Studien des Herstellers Novartis mit knapp 40 Kindern vor. Die deutsch-österreichische Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen, fügt aber ein relevante Beobachtung hinzu: Zolgensma verbesserte häufig auch die Motorik von Kindern, die zuvor die alternative Therapie Spinraza erhalten hatten. Der Gemeinsame Bundesausschuss kam im November 2021 hingegen zu dem Schluss, dass Zolgensma keinen signifikanten Zusatznutzen gegenüber Spinraza bietet.

Forschung

CAR-T-Zellen schauen in das Innere des Tumors

Nature

Eine neue Variante des chimeric antigen receptor (CAR) richtet sich gegen bislang unzugängliche Ziele: Proteine im Inneren von Krebszellen, die nur als Bruchstücke an die Zelloberfläche gelangen. Der Ansatz eignet sich besonders für solide Tumore, die sich äußerlich kaum vom umliegenden Gewebe unterscheiden und für bisherige CARs fast unsichtbar sind. Die Arbeit entstand unter Federführung des Children‘s Hospital of Philadelphia und erschien im November im Fachjournal Nature.

Entscheidend für den Erfolg dieser Methode ist es, ein passendes Bruchstück oder Peptid zu identifizieren. Die Forscher fanden einen geeigneten Kandidaten bei menschlichen Neuroblastomen und erzeugten einen Antikörper, der das Peptid in Verbindung mit präsentierenden Immunmolekülen erkannte. Dieser Antikörper bildet das Herzstück des neuen, peptid-zentrierten Rezeptors – kurz PC-CAR genannt. Erste Versuche in Mäusen belegten, dass der PC-CAR menschliche Neuroblastome wirksam beseitigen kann.

Industrie

uniQure – ist die zweite Gentherapie erfolgreich?

Endpoints

Die niederländische Firma uniQure verkündete im Dezember, dass ihre Gentherapie EtranaDez gegen Hämophilie B längere Zeit wirksam und gut verträglich ist. Bei 53 Patienten stabilisierte sich der Blutspiegel des Gerinnungsfaktors IX nach 18 Monaten bei etwa 37 % des Normalwerts. Der Therapieerfolg ist damit mindestens vergleichbar mit der Enzymersatztherapie, die die Patienten zuvor erhielten. uniQure und ihr Partner CSL Behring wollen im nächsten Halbjahr die Zulassung in den USA und Europa beantragen.

uniQure ist ein Pionier auf diesem Gebiet: Im Jahr 2012 hatte die Firma mit Glybera die erste Gentherapie der westlichen Welt entwickelt. Nach nur fünf Jahren verschwand Glybera jedoch wieder vom Markt – die Wirkung war bestenfalls bescheiden und mögliche Patienten sehr selten. Fast 10 Jahre später bildet EtranaDez quasi den Gegenentwurf: Hämophilien gehören zu den häufigsten Erbkrankheiten, die von ihnen ausgelösten Blutungen sind nach der Therapie fast vollständig verschwunden. Laut Schätzungen könnten die Verkaufserlöse von EtranaDez bis zu 1,2 Milliarden US-Dollar betragen.

Medienspiegel

Kleine Erfolge mit großer Wirkung

BioPharmaDive

Dass Luxturna nicht heilen kann, war von Anfang an klar. Die Gentherapie lindert nur die Folgen einer Erbkrankheit, die unbehandelt meist zu vollkommener Erblindung führt. Drei Jahre nach der Zulassung zieht Shoshana Dubnow im Online-Magazin BioPharmaDive eine Zwischenbilanz. Sie erzählt die Geschichte dreier Kinder und zeigt, dass auch kleine Therapieerfolge das Leben verändern können.

 
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