Februar 2022
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

CAR-T-Zellen als Therapie der ersten Wahl

Deutsches Ärzteblatt

Die CAR-T-Zelltherapie Yescarta ist auch in der Erstlinie erfolgreich: Bei 8 von 10 Patienten mit großzelligem B-Zell-Lymphom ging der Krebs in den ersten Monaten vollständig zurück. Die Nebenwirkungen blieben im erwarteten Rahmen. Alle 42 Teilnehmer der Studie hatten zuvor eine Diagnose erhalten, die auf einen schweren Verlauf hindeutete. Eine internationale Forschergruppe stellte die Zwischenergebnisse im Dezember 2021 auf der Jahrestagung einer US-Fachgesellschaft vor.

Bislang darf Yescarta erst eingesetzt werden, wenn der Patient bereits zwei Rückfälle erlitten hat. Die hohen Ansprechraten in der Studie deuten nun an, dass bei Hochrisikopatienten auch die Anwendung als Erstlinientherapie möglich ist. Allerdings liegen bislang nur vorläufige Daten zur Dauer des Ansprechens vor: Nach durchschnittlich 16 Monaten hielt die Wirkung bei mehr als 7 von 10 Behandelten an. Die abschließende Beurteilung erfolgt erst, wenn alle Patienten nach der Behandlung noch zwei Jahre beobachtet wurden.

Sichelzellanämie: Gentherapie bei allen Patienten erfolgreich

New England Journal of Medicine

Eine Gentherapie der US-Firma Bluebird Bio kann das Auftreten von Sichelzellkrisen vollständig unterdrücken. Dies ist das vorläufige Ergebnis einer Studie mit 25 Patienten, deren Behandlung mindestens sechs Monate zurücklag. Die schmerzhaften und gefährlichen Sichelzellkrisen entstehen, wenn sich die roten Blutzellen der Patienten verformen und kleinere Blutgefäße verschließen. Die Daten wurden im Dezember 2021 im Fachjournal New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Die Gentherapie schleust ein Gen für Hämoglobin in Blutstammzellen ein, das die Bildung von Sichelzellen verhindert. Der Eingriff verlief bei insgesamt 35 Patienten erfolgreich: Das eingeschleuste Gen erzeugte mindestens 40 % des Gesamthämoglobins und war in 85 % der roten Blutzellen nachweisbar. Die Infusion der Stammzellen löste nur selten Nebenwirkungen aus, die zudem innerhalb einer Woche vollständig abklangen. Bluebird Bio will Anfang 2023 die Zulassung der Gentherapie in den USA beantragen.

CAR-T-Zellen nach einem Jahrzehnt noch aktiv

Nature

CAR-T-Zellen können bis zu zehn Jahren im Körper überleben und Krebszellen bekämpfen. Das zeigte eine Untersuchung der ersten beiden Patienten, die im Jahr 2010 mit einer CAR-T-Zelltherapie behandelt wurden. Sie litten an chronischer lymphatischer Leukämie, die bereits wenige Monate nach der Therapie verschwand und seitdem nicht zurückkehrte. Ein Patient ist heute noch am Leben, der andere starb im Januar 2021 an Covid-19. Die Analyse einer Forschergruppe um Carl June – ein Pionier der CAR-T-Zelltherapie – erschien im Februar im Fachjournal Nature.

Die Forscher hatten über die Jahre verfolgt, wie sich die Zellpopulation in den Patienten veränderte. Die Anfangsphase war geprägt von CAR-T-Zellen mit dem Oberflächenrezeptor CD8, in den letzten Jahren dominierte jedoch eine Population mit dem Rezeptor CD4. Ein Patient entwickelte zwischenzeitlich eine Population von CAR-T-Zellen mit dem Gamma-Delta-Rezeptor. Die Forscher vermuten, dass das Zusammenspiel der unterschiedlichen Zellpopulationen zum Erfolg der Therapie beigetragen hat.

Duchenne Muskeldystrophie: Junger Mann stirbt während Gentherapie

Muscular Dystrophy News

Im Rahmen einer Studie des US-Konzerns Pfizer verstarb ein Teilnehmer: Der junge Mann litt an Duchenne Muskeldystrophie im fortgeschrittenen Stadium, die Todesursache ist noch ungeklärt. Bereits am Anfang der Studie traten bei drei Teilnehmern schweren Nebenwirkungen auf, darunter Nierenschäden und geringe Thrombozytenzahlen. Eine Änderung im Studienprotokoll hatte diese Probleme zeitweilig behoben. Pfizer gab den Todesfall im Dezember 2021 bekannt.

Pfizer testet seine Gentherapie in einer Phase-I-Studie, an der auch ältere Erkrankte mit Duchenne Muskeldystrophie teilnehmen können. Ein AAV-Vektor soll eine verkürzte Variante des Dystrophin-Gens in die Skelettmuskulatur einschleusen und den schleichenden Muskelschwund stoppen. Tierversuche deuten allerdings darauf hin, dass AAV-Vektoren in hoher Dosis schwere Komplikationen und Organschäden auslösen können. Bis Pfizer die näheren Umstände des Todesfalls aufklären kann, wird die Studie nicht fortgeführt.

Forschung

CAR-T-Zellen lindern Herzschwäche bei Mäusen

Science

In Mäusen ist es mit Hilfe von CAR-T-Zellen gelungen, überaktive Gewebezellen zu beseitigen und die Herzfunktion zu verbessern. Eine Injektion von Vesikeln mit Boten-RNA erzeugte die CAR-T-Zellen direkt im Körper der Tiere – ähnlich wie bei einer Covid-Impfung. Die veränderten Immunzellen konnten Gewebezellen erkennen, die den Herzmuskel durch die Produktion von Kollagenfasern versteifen. Die Lebensdauer der CAR-T-Zellen betrug nur wenige Tage. Forscher aus Philadelphia veröffentlichten diese Ergebnisse im Januar im Fachjournal Science.

Dieser Ansatz kann eine wichtige Ursache von Herzschwäche beim Menschen beseitigen. Von Vorteil ist dabei, dass nur kurzlebige CAR-T-Zellen erzeugt werden: Die Kosten sind deutlich geringer, der Eingriff ist für die Patienten weniger belastend und das Risiko einer nachfolgenden Krebserkrankung geringer. In der aktuellen Studie waren kaum Nebenwirkungen feststellbar, doch zuvor traten bei ähnlichen Versuchen schwere Organschäden auf. Für einen Einsatz beim Menschen müssen weitere Versuche erst ausschließen, dass es zu einer Beeinträchtigung anderer Organe kommt.

Industrie

Multiples Myelom: Erfolg von Abecma stoppt Alternative

FierceBiotech

Die CAR-T-Zelltherapie Abecma kann das Multiple Myelom wirksam zurückdrängen und erweist sich nun auch finanziell als Erfolg: Bereits im letzten Jahr belief sich der Umsatz auf 150 Millionen US-Dollar, obwohl die Therapie erst im März 2021 in den USA zugelassen wurde. Für das laufende Jahr rechnen die Hersteller mit einem Umsatz von 250 bis 300 Millionen US-Dollar. Dies gab die US-Firma 2seventy bio bekannt, die zusammen mit dem US-Konzern Bristol Myers Squibb die Therapie auf den Markt gebracht hat.

Andere CAR-T-Zelltherapien wurden den finanziellen Erwartungen bislang nur selten gerecht. Der Erfolg von Abecma bedeutet allerdings, dass ein alternatives Projekt eingestellt wird. Seit 2017 arbeiten 2seventy bio und Bristol Myers Squibb an einer weiteren CAR-T-Zelltherapie, die mit einem veränderten Ansatz gegen das Multiple Myelom vorgeht. In einer ersten Studie zeigte sich die Therapie bereits als wirksam, der klinische und finanzielle Erfolg von Abecma macht diese Alternative nun jedoch überflüssig.

Medienspiegel

Gentherapie 2022 – fünf Herausforderungen für die Industrie

BioPharma Dive

Die Gentherapie ist ein Wachstumsmarkt: Die Investitionen erreichen Rekordhöhen, neue Firmen testen innovative Ansätze und alteingesessene Pharmakonzerne kaufen sich mit viel Geld ein. Doch die Herausforderungen bleiben gewaltig. Der Eingriff ins Erbgut ist immer noch ein Risiko für den Patienten, wie Erkrankungen und Todesfälle im letzten Jahr zeigen. Und der finanzielle Erfolg lässt oft auf sich warten.

Für das Jahr 2022 bleiben viele Fragen offen. Ned Pagliarulo von BioPharma Dive hat versucht, fünf davon zu beantworten.

 
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