Mai 2024
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

CAR-T-Zellen und Blutstammzellen gemeinsam gegen Leukämie

New England Journal of Medicine

Eine „All-in-One‟ Kombination aus CAR-T-Zelltherapie und Stammzelltransplantation (HSCT) war bei CD7-positiven Leukämien erfolgreich. Chinesische Forscher transplantierten die körperfremden Stammzellen, ohne zuvor das alte Knochenmark zu beseitigen. Von 10 behandelten Patienten erreichten 6 eine vollständige Remission, die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 15 Monate. Die Studie erschien im April im New England Journal of Medicine.

Die Behandlung mit körperfremden Blutstammzellen erfordert meist eine Hemmung des Immunsystems, um schwere Entzündungsreaktionen (GvHD) zu vermeiden. Diese Immunsuppression kann – zusammen mit der Beseitigung des alten Knochenmarks – den Erfolg einer CAR-T-Zelltherapie gefährden. In der aktuellen Studie waren diese Maßnahmen jedoch verzichtbar: Nur bei 3 Patienten entwickelten eine GvHD, die zudem gut behandelbar war. Allerdings starben 2 Patienten an einem septischen Schock. Dennoch könnte dieser Ansatz helfen, wenn eine konventionelle HSCT nicht möglich ist.

CRISPR-Therapie lindert Erblindung

Deutsches Ärzteblatt

Eine Injektion ins Auge kann erblindeten Menschen einen Teil ihres Sehvermögens zurückgeben: Die Genschere CRISPR/Cas9 stellt dabei die Funktion des Gens CEP290 in der Netzhaut wieder her. Der Eingriff führte bei 11 von 14 Studienteilnehmern zu einer spürbaren Verbesserung des Sehvermögens. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf. Die Studie der US-Firma Editas Medicine wurde im Mai in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Die Behandelten litten an der Leber‘schen kongenitalen Amaurose vom Typ 10 (LCA 10), die bereits im frühen Kindesalter zu einem starken Sehverlust führt. Die Studie wurde erstmals im Jahr 2022 ausgewertet, damals noch mit eher enttäuschenden Ergebnissen. Die aktuellen Daten zeigen, dass sich die Wirkung der Therapie in den letzten zwei Jahren verbessert hat. Die Zukunft der Studie ist dennoch fraglich, da Editas Medicine für die Fortführung einen finanzstarken Partner benötigt.

Sarkom: Chemotherapie unterstützt CAR-T-Zellen

Nature Cancer

Eine CAR-T-Zelltherapie gegen solide Tumore ist wirksamer, wenn zuvor die körpereigenen T-Zellen entfernt werden. Das hat eine Studie mit 13 Patienten gezeigt, die an schwer behandelbaren Sarkomen litten. Bei 19 von 21 Infusionen vermehrten sich die CAR-T-Zellen, jeder zweite Behandelte profitierte von der Therapie. Ein Junge mit metastasiertem Sarkom, der im Alter von sieben Jahren behandelt wurde, ist seit fünf Jahren in Remission. Diese Ergebnisse veröffentlichten die Forscher aus Texas im April in Nature Cancer.

Die CAR-T-Zellen stammten aus körpereigenen Zellen und waren gegen den Krebsmarker HER2 gerichtet. In einer früheren Studie hatten sich die CAR-T-Zellen im Körper jedoch nicht vermehrt. Deshalb wurden in der neuen Studie die verbliebenen T-Zellen mit Zytostatika aus dem Körper entfernt, um das Wachstum der CAR-T-Zellen zu fördern. Zusätzlich wurde bei 7 Teilnehmern die CAR-T-Zelltherapie mehrfach eingesetzt, um die Wirkdauer zu verlängern. Eine Kombination mit Checkpoint-Inhibitoren soll in einer Folgestudie die Wirksamkeit weiter erhöhen.

Hurler Syndrom: Gentherapie verbessert das Wachstum deutlich

Science Translational Medicine

Transplantierte Blutstammzellen lindern die Folgen einer seltenen Stoffwechselkrankheit, indem sie erhöhte Mengen eines Enzyms freisetzen. Italienische Forscher haben die Gentherapie an acht Kleinkindern getestet: Nach durchschnittlich vier Jahren waren Skelett und Gelenke fast normal entwickelt. Das Wachstum verlief damit deutlich besser als nach einer herkömmlichen Stammzelltransplantation. Die Studie erschien im Mai in Science Translational Medicine.

Die Kinder litten am Hurler-Syndrom, einer lysosomalen Speicherkrankheit mit Skelettveränderungen, Kleinwuchs und Gelenkversteifung. Bei der Gentherapie wurde das Stoffwechselgen IDUA in Blutstammzellen eingeschleust. Dadurch können neu gebildete Blutzellen deutlich erhöhte Mengen des Enzyms freisetzen und den Stoffwechsel normalisieren. Die Kinder werden noch länger beobachtet, um die langfristige Wirksamkeit der Therapie beurteilen zu können.

CRISPR-Therapie kann HI-Viren nicht restlos beseitigen

BioSpace

Eine CRISPR-Therapie konnte AIDS nicht endgültig heilen: Der Genschere ist es nicht gelungen, das ruhende HI-Virus vollständig aus dem menschlichen Körper entfernen. AIDS lässt sich mit antiretroviralen Medikamenten unterdrücken, doch das Virus überlebt dauerhaft im Erbgut von Immunzellen. Die Firma Excision BioTherapeutics hatte versucht, die Erbinformation des Virus mit Hilfe einer Genschere zu zerstören. Das Online-Magazin STAT News hatte im Mai als erstes über das Scheitern der Studie berichtet.

Die Genschere sollte das ruhende HI-Virus an drei verschiedenen Stellen im Erbgut angreifen. In einer Studie wurden 5 Menschen mit AIDS behandelt, 3 von ihnen setzten danach die antiretroviralen Medikamente ab. Das Virus kehrte jedoch spätestens nach 16 Wochen zurück. Der Eingriff mit CRISPR erwies sich dennoch als gut verträglich: Excision BioTherapeutics will die Genschere nun bei chronischen Infektionen mit Herpes- und Hepatitis-Viren testen.

Anwendung

Mehr CAR-T-Zelltherapien, weniger Stammzelltransplantationen in Europa

Deutsches Ärzteblatt

Im Jahr 2022 erhielten in Europa rund 3200 Menschen eine CAR-T-Zelltherapie, rund 27 % mehr als im Vorjahr. Die häufigsten Erkrankungen waren Non-Hodgkin-Lymphome mit 2260 Fällen, gefolgt von Myelomen und Leukämien mit 570 bzw. 380 Fällen. Die Zahl der Stammzelltransplantationen ging leicht zurück, blieb aber mit über 40.000 Eingriffen auf hohem Niveau. Diese Zahlen präsentierte die Europäische Gesellschaft für Blut- und Knochenmarktransplantation (EBMT) im März in der Fachzeitschrift Bone Marrow Transplantation.

Wirtschaft

Indische Firma produziert kostengünstig CAR-T-Zellen

Nature

Eine CAR-T-Zelltherapie der indischen Firma ImmunoACT kostet nur rund 40 000 US-Dollar – etwa ein Zehntel der Kosten in Europa. Die Entwicklung und Produktion erfolgt vollständig in Indien, technische Neuerungen senken die Kosten zusätzlich. Erste Daten einer kleinen Studie deuten auf eine hohe Wirksamkeit hin: 19 von 33 Patienten mit Leukämien oder Lymphomen sprachen auf die Behandlung an. Indien hat im Oktober die Zulassung erteilt, seit Dezember erhalten monatlich etwa 20 Patienten die CAR-T-Zelltherapie. Dies berichtete das Fachmagazin Nature im März.

Neue Zulassungen

Zweite Gentherapie gegen Hämophilie B zugelassen

BioPharma Dive

Der US-Konzern Pfizer darf seit April in den USA die Gentherapie Beqvez zur Behandlung der „Bluterkrankheit‟ Hämophilie B anbieten. Die Anwendung soll einen erblich bedingten Mangel am Gerinnungsfaktor IX beheben und das Risiko schwerer Blutungen deutlich senken. Das Medikament ist für Erwachsene zugelassen, die an mittelschweren oder schweren Formen der seltenen Erbkrankheit leiden.

Beqvez ist damit bereits die zweite Gentherapie gegen Hämophilie B: Vor etwa zwei Jahren kam in den USA das Konkurrenzprodukt Hemgenix auf den Markt. Allerdings lief der Verkauf von Hemgenix nur schleppend an. Dennoch entschied sich Pfizer, den Preis der Konkurrenz nicht zu unterbieten: Beide Therapien haben einen Listenpreis von 3,5 Millionen US-Dollar. Hemgenix ist in der EU seit 2023 zugelassen, das Genehmigungsverfahren für Beqvez ist noch nicht abgeschlossen.

Kinderhospital strebt Zulassung in Eigenregie an

Great Ormond Street Hospital

Eine Londoner Klinik bemüht sich um die Zulassung einer Gentherapie, an der gewinnorientierte Unternehmen kein Interesse zeigen. Dabei hat eine Studie nachgewiesen, dass die Therapie bei der seltenen Immunschwäche ADA-SCID sehr wirksam ist. Es wäre das erste Mal in Großbritannien, dass eine öffentliche Einrichtung eine Therapie in eigener Verantwortung auf den Markt bringt. Sollte das Pilotprojekt erfolgreich sein, könnten weitere Therapien folgen. Dies gab das Great Ormond Street Hospital im April in einer Pressemitteilung bekannt.

Gemeinsam mit einer kalifornischen Universität hatte das Londoner Kinderhospital bereits die Entwicklung der Therapie vorangetrieben. Die Rechte wurden dann an eine Firma übertragen, die das Programm jedoch 2021 einstellte – als Grund wurden technische Probleme angeführt. Vermutlich waren aber auch die Gewinnaussichten zu gering: In Großbritannien werden jährlich nur etwa drei Kinder mit ADA-SCID geboren. Bei der Zulassung wird die Klinik von zwei gemeinnützigen Organisationen und einem kommerziellen Dienstleister unterstützt.

 
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