März 2019
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.
Klinische Studien
Rückschlag bei Duchenne Muskeldystrophie
BioPharmaDive
Die US-Firma Solid Bio will mit einem verkürzten Gen, dem Microdystrophin, die Symptome der schweren Muskelschwäche Duchenne Muskeldystrophie (DMD) lindern. Doch bereits nach drei Monaten erfolgte der erste Rückschlag: Eine Biopsie von Muskelgewebe zeigte bei zwei Patienten keine Spur von Microdystrophin, bei einem dritten waren nur 5 % der normalen Aktivität nachweisbar. Ziel war es, zumindest die Schwelle von 10 % zu überschreiten.
Nun soll die AAV-Genfähre in einer höhere Dosis eingesetzt werden. Allerdings litt bereits der erste Patient dieser Studie unter schweren Nebenwirkungen, die mit steigender Dosis schlimmer werden könnten. Dieses Problem kommt nicht unerwartet: Vor einem Jahr warnte der Gentherapie-Pionier James Wilson vor zu hohen Dosen und trat aus dem Vorstand von Solid Bio zurück.
Motorische Verbesserungen bei Morbus Parkinson
Endpoints
Deutliche Fortschritte erlebten zwei Patienten mit fortgeschrittenem Morbus Parkinson, die mit einer Gentherapie der US-Firma Axovant behandelt wurden. Ein lentiviraler Vektor hatte drei Stoffwechselgene in das Gehirn eingeschleust, um die Produktion des Neurotransmitters Dopamin anzukurbeln. Nach drei Monaten zeigte sich ihre motorische Leistung um 42 % verbessert, auch in anderen Bereichen gab es Fortschritte. Nebenwirkungen bleiben bislang aus.
Axovant hatte die Gentherapie von der britischen Firma Oxford BioMedica übernommen, die sie unter dem Namen Prosavin bereits in klinischen Studien getestet hatte. Dort blieb die Wirksamkeit allerdings beschränkt, Nebenwirkungen waren hingegen häufig. Die ersten Daten von Axovant lassen nun auf bessere Resultate hoffen, und eine zweite Kohorte von Patienten soll demnächst mit einer höheren Dosis starten.
Sehverlust: Zwei Rückschläge und ein neuer Ansatz
Universität Oxford
Die Lebersche Optikusatrophie ist eine seltene Erbkrankheit, die bis zur Erblindung führen kann. Eine Gentherapie der französischen Firma GenSight enttäuscht vorerst: Nach 48 Wochen zeigten sich keine signifikanten Verbesserungen. Bei anderen Erkrankungen hat die Therapie aber ihre Wirksamkeit bereits angedeutet, so dass die Ärzte nun auf spätere Zeitpunkte hoffen.
Eine sehr häufige Augenerkrankung ist die altersbedingte Makuladegeneration (AMD). Forscher aus Australien wollten mit einer Gentherapie die Entzündung bei der feuchten Variante von AMD stoppen: Während der Ansatz im ersten Behandlungsjahr noch Erfolg versprach, waren nach drei Jahren keine signifikanten Fortschritte mehr nachweisbar.
Forscher der Universität Oxford betraten derweil Neuland und behandelten erstmals die häufigere trockene Variante von AMD. Bei einer 80jährigen Frau platzierten sie unter der Augennetzhaut eine Genfähre, die die Komplementfaktoren des Immunsystems lokal deaktivieren und so den Fortschritt der Krankheit stoppen soll.
Forschung
CAR-T-Zellen gegen Autoimmunkrankheit
Lupus Research Alliance
CAR-T-Zellen können die B-Lymphozyten des Immunsystems eliminieren und damit Lymphome und Leukämien bekämpfen. Der gleiche Ansatz könnte auch bei der der Autoimmunkrankheit Lupus erythematodes hilfreich sein: Die B-Lymphozyten verursachen die Symptome durch die Produktion fehlgeleiteter Antikörper, die sich gegen das eigene Gewebe richten.
US-Forscher aus Tennessee testen den Einsatz von CAR-T-Zellen nun in Mäusen aus. Die Eliminierung der B-Lymphozyten in erkrankten Tiere verbesserte deren Zustand deutlich: Die Lupus-Symptome ließen nach, der Fortschritt der Krankheit wurde gehemmt und die Lebensdauer der Tier verlängerte sich signifikant. Versuche beim Menschen sind noch nicht geplant.
Industrie
Kaufrausch: Gentherapie hoch begehrt
BioPharmaDive
Pharma-Riesen entdecken die Gentherapie: Novartis machten kürzlich den Anfang, nun ziehen die Konkurrenten nach. Den größten Coup landete Roche, das für 4,3 Milliarden Euro die US-Firma Spark erwarb. Spark hat mit Luxturna bereits eine zugelassene Gentherapie auf dem Markt. Fast schon günstig kam Pfizer weg, deren Option auf die französische Firma Vivet Therapeutics, ein Spezialist für Lebererkrankungen, sich letztlich auf 600 Millionen Euro addieren könnte.
Der US-Konzern Biogen erwarb für 700 Millionen Euro die US-Firma Nightstar Therapeutics und sicherte sich damit eine gute Position bei Augenerkrankungen. Und auch Thermo Fisher, weltweit größter Anbieter von Laborbedarf, stockt sein Portfolio durch den Ankauf der US-Firma Brammer Bio auf: Für 1,5 Milliarden Euro erhält der Konzern Zugriff auf die Produktion von viralen Vektoren. Analysten erwarten in näherer Zukunft weitere Übernahmen durch finanzkräftige Konzerne
Zwei Gentherapien vor Zulassung in Japan
Nikkei Asian Review
Im Februar hat das japanische Gesundheitsministerium zwei Gentherapien eine vorläufige Genehmigung erteilt. Es handelt sich um die Therapien Kymriah (Hersteller Novartis) und Collategene (AnGes, Osaka). Für die endgültige Zulassung müssen erst die Preisverhandlungen zum Abschluss kommen, was frühestens im Mai erwartet wird.
Kymriah setzt CAR-T-Zellen für die Behandlung von Leukämien ein und ist bereits in vielen Ländern auf dem Markt. Die Zulassung von Collatagene hingegen wurde bislang nur in Japan beantragt. Die Gentherapie soll bei einem Arterienverschluss in den unteren Extremitäten die Bildung neuer Blutgefäße anregen.
Methoden
CAR-T-Zellen vor Erschöpfung bewahrt
Nature
CAR-T-Zellen bekämpfen wirksam Leukämien und Lymphome, doch bei Tumoren in festen Geweben sind sie in der Regel machtlos. Zu den möglichen Ursachen zählt ein Zustand, den Forscher "Erschöpfung" nennen: Die CAR-T-Zellen stellen ihre Aktivität ein und verharren untätig im Krebsgewebe. Wissenschaftler am kalifornischen La Jolla Institut fanden nun einen Weg, diesen Zustand in Mäusen zu vermeiden.
Grundlage war die Identifizierung einer Familie von Proteinen, die den Erschöpfungszustand steuert. Nachdem Forscher diese Nr4a-Transkriptionsfaktoren gezielt ausgeschaltet haben, stieg die Aktivität der CAR-T-Zellen spürbar an: Sie konnten Tumore in Mäusen effizienter bekämpfen und die Überlebensrate der Tiere deutlich erhöhen. Vor einem Test im Menschen muss allerdings ausgeschlossen werden, dass die Manipulation der Nr4a-Proteine keine nachteiligen Folgen hat.
Medienspiegel
Leben mit Sichelzellanämie
New York Times
Brandon Williams ist einer von etwa 100 000 US-Bürgern, die an Sichelzellanämie leiden. Seine Schwester ist im Alter von 22 Jahren an der Krankheit gestorben, sie hinterließ ein kleines Kind. Brandon hatte Glück: Eine experimentelle Gentherapie hat seine Symptome verschwinden lassen. Ein Artikel in New York Times berichtet über das Leben mit Sichelzellanämie und den Versuch der Firma Bluebird Bio, diese schwere Erbkrankheit zu heilen.