Juli 2019
Dieser Newsletter von wissensschau.de informiert im Abstand von zwei Monaten über jüngste Entwicklungen bei der Gentherapie und den CAR-T-Zellen.

 

Klinische Studien

Gentherapie für Hämophilie A verliert an Wirkung

Endpoints

Eine Gentherapie gegen Hämophilie A verhindert übermäßige Blutungen, doch ihre Wirkung lässt mit der Zeit nach. In einer Studie der US-Firma BioMarin mit acht Patienten nahm die Menge des Blutgerinnungsfaktors VIII über einen Zeitraum von drei Jahren um 50 % ab. Laut BioMarin könnte die Therapie dennoch insgesamt acht Jahre lang wirksam bleiben.

Für Unruhe sorgten auch jüngste Daten einer jüngeren Phase III-Studie. Im Durchschnitt der Spiegel von Faktor VIII deutlich niedriger als bei der ersten Studie, bei drei von 17 Patienten war die Behandlung sogar wirkungslos. Dennoch glaubt BioMarin, dass ihre Gentherapie alle Voraussetzungen für eine Zulassung in den USA und Europa erfüllt. Ein entprechender Antrag soll in den nächsten Monaten gestellt werden.

Schwere Nebenwirkungen bei Muskeldystrophie

Endpoints

Eine Gentherapie gegen Duchenne Muskeldystrophie löste bei zwei von sechs behandelten Patienten schwere Immunreaktionen aus, wie der US-Konzern Pfizer berichtete. Ein Patient musste wegen Nierenkomplikationen elf Tage im Krankenhaus behandelt werden. Dennoch war der Eingriff grundsätzlich erfolgreich, das eingeschleuste Mini-Dystrophin-Gen wurde im Muskelgewebe aktiviert. Bei zwei Patienten konnte bereits die motorische Entwicklung beurteilt werden: Sie hatte sich spürbar verbessert.

Vergleichbare Erfolge vermeldete zuvor bereits die US-Firma Sarepta - deren Patienten blieben allerdings von schweren Nebenwirkungen verschont. Drei weitere Firmen arbeiten ebenfalls an Gentherapien für die Duchenne Muskeldystrophie. Noch ist es zu früh, um die verschiedenen Studien direkt miteinander zu vergleichen, doch ein harter Konkurrenzkampf ist schon jetzt absehbar.

Forschung

Krebsmittel stellt CAR-T-Zellen ruhig

Science Translational Medicine

Ein Medikament, das für die Behandlung von Leukämien zugelassen ist, kann auch überaktive CAR-T-Zellen kurzzeitig abschalten. Forscher aus Würzburg und New York konnten auf diese Weise einen Zytokinsturm in Mäusen lindern: Diese schwere Entzündungsreaktion ist eine häufige Nebenwirkung der CAR-T-Zelltherapie, mit manchmal tödlichen Folgen. Die Überlebensrate der Versuchstiere erhöhte sich dank des Medikaments von 25 auf 70 %.

Getestet wurde der Tyrosinkinase-Inhibitor Dasatinib. Dieser unterbricht eine natürliche Signalkette, die auch bei der Aktivierung von CAR-T-Zellen unverzichtbar ist. Die hemmende Wirkung setzt rasch ein und kann über mehrere Tage aufrecht erhalten werden, ohne das Überleben der CAR-T-Zellen im Körper zu gefährden. Mit dem Absetzen des Medikaments kommt auch die Krebsbekämpfung wieder in Gang. Tests am Menschen wurden noch nicht durchgeführt.

Industrie

Gentherapie gegen ß-Thalassämie in Europa zugelassen

BioPharmaDive

Die EU-Kommission hat die Gentherapie Zynteglo für die Behandlung der ß-Thalassämie zugelassen. Diese Erbkrankheit verursacht eine Blutarmut, die in schweren Fällen regelmäßige Bluttransfusionen erfordert. Zynteglo schleust eine neue Variante des Gens ß-Globin in Blutstammzellen ein und konnte in ersten Studien vielen Betroffenen weitere Transfusionen ersparen. Die ersten regulären Patienten werden voraussichtlich Anfang 2020 behandelt.

Die US-Firma Bluebird Bio veranschlagte den Preis von Zynteglo auf 1,575 Millionen €, zahlbar in fünf jährlichen Raten von 315 000 €. Sollte die Wirkung der Gentherapie im Laufe der ersten fünf Jahre nachlassen, werden alle noch ausstehenden Zahlungen erlassen. Bei ausbleibendem Therapieerfolg wären die Kosten also deutlich geringer.

Methoden

Lentiviren für die Leber

Science Translational Medicine

Das Immunmolekül CD47 hilft lentiviralen Vektoren, Gene effizient in Leberzellen einzuschleusen. Es hemmt die Aufnahme durch Fresszellen in Milz und Leber, die bislang eine Ausbreitung des Vektors im Körper verhinderten. Forschern aus Mailand gelang es mit diesem Ansatz, den Gerinnungsfaktor IX effizient in das Lebergewebe von Affen zu transportieren. Schwere Nebenwirkungen oder die Entwicklung von Tumoren waren nicht zu beobachten.

Klinische Studien für Hämophilien, bei denen Gene für Gerinnungsfaktoren in die menschliche Leber eingeschleust werden, nutzen bislang vor allem adeno-assoziierte Vektoren (AAV). Bei schnell wachsenden Geweben ist deren Wirksamkeit jedoch zeitlich begrenzt, da sie die Zellteilung manchmal nicht überstehen (siehe oben für Hämophilie A). Lentivirale Vektoren stammen vom HI-Virus ab, der sich in das Genom einlagert und meist stabil vererbt wird. Bei Blutstammzellen haben sich Lentiviren bereits bewährt, nun könnten sie auch eine Alternative für Leberzellen darstellen.

Gold transportiert Genschere

Nature Biomaterials

Nanopartikel aus kolloidalem Gold transportieren die Genschere CRISPR direkt in den Kern von Blutstammzellen, wo die Genschere das Erbgut gezielt verändern kann. Im Gegensatz zu anderen Verfahren, die auf kurzen elektrischen Impulsen oder viralen Vektoren beruhen, beeinträchtigt der Goldkomplex die Überlebensfähigkeit der Zellen nicht. In ersten Versuchen mit Mäusen ließen sich derart behandelte Stammzellen sehr gut transplantieren. Die Forscher suchen nun nach Partnern, um die Technik auch in klinischen Studien zu testen.

 
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