Assoziationsstudien: Krankheits-Genen auf der Spur

Wie die Nadel im Heuhaufen: Wer nach den genetischen Ursachen von Krankheiten sucht, muss rund 20 000 menschliche Gene im Blick behalten.

Die Suche nach einem einzigen Krankheits-Gen dauerte anfangs noch viele Jahre. Forscher mussten mühsam einzelne Patienten analysieren, und jedes Gen im menschlichen Erbgut kam als Übeltäter in Frage. Mit dem Fortschritt der Genomforschung hat sich dies nun erheblich beschleunigt: Tausende Patienten können gleichzeitig untersucht und miteinander verglichen werden – selbst geringen genetischen Einflüssen kommt man so auf die Spur.

Erbliche Krankheits-Risiken: Assoziationsstudien spüren sie auf und grenzen ihre Position auf den Chromosomen ein. Allein auf den Chromosomen 9 bis 12 finden sich hunderte Risikofaktoren. (Quelle: Leja et al., NHGRI; Burdett et al., EBI)

Diese Assoziationsstudien – sie assoziieren Krankheiten mit Merkmalen des Genoms – müssen viele Personen umfassen, um eine zuverlässige statistische Auswertung zu ermöglichen1. Heute sind das oft zehntausende Menschen, dazu eine gleich große Zahl von Kontrollpersonen.

Fast tausend Krankheiten

Im Erbgut aller Beteiligten wird meist nach genetischen Markierungen gefahndet, den single nucleotide polymorphisms (SNPs). Taucht ein einzelner SNP auffällig oft bei Erkrankten auf, hat man eine heiße Spur entdeckt. Das Krankheits-Gen ist damit zwar noch nicht identifiziert, doch ist nun klar, an welcher Stelle des Genoms es zu suchen ist. Das schränkt die Zahl der in Frage kommenden Gene drastisch ein.

Die Erfolge können sich sehen lassen: In über 6000 Studien wurden beinahe 500 000 Assoziationen zwischen SNPs und Krankheiten oder Eigenschaften gefunden2. Viele der Ergebnisse waren überraschend, da die auffälligen Abschnitte nur unbekannte Gene enthielten oder solche, die nie zuvor mit Krankheiten in Verbindung gebracht worden waren. Das ist der große Vorteil dieser Studien: Man benötigt kein Vorwissen, um ans Ziel zu kommen.

Auswirkungen auf die Behandlung von Krankheiten hatten diese Erkenntnisse bisher jedoch kaum3. Der Kern des Problems: Die bislang bekannten Risikofaktoren erklären nur einen kleinen Teil des vererbten Risikos. Jeder Faktor für sich allein bewirkt wenig, erst das Zusammenspiel hunderter oder tausender Gene bildet jene Merkmale aus, die wir von unseren Eltern geerbt haben. So müssen nahezu 10 000 SNPs analysiert werden, um 50 Pozent der ererbten Körpergröße zu erklären4.

Kaum spürbare Auswirkungen

Der Weg zu einer Therapie ist steinig. Zunächst muss geklärt werden, wie Kandidaten-Gene die jeweilige Krankheit auslösen. Tierversuche sind aufwendig, zeitraubend und führen oft nicht weiter: Nicht jede menschliche Krankheit hat ein Gegenstück in Mäsuen oder Ratten. Die Stammzellforschung könnte hier weiterhelfen, denn mit iPS-Zellen lassen sich Erbkrankheiten im Labor untersuchen.

Bislang wurden etwa 2800 Assoziationsstudien durchgeführt, die 32 000 genomische Marker mit 2000 Krankheiten oder Eigenschaften in Verbindung brachten. (Quelle: T. Manolio)

Bis die Ergebnisse der Assoziationsstudien die Medizin spürbar verbessern, wird es also noch eine Weile dauern. Aber Assoziationsstudien werden dazu beitragen, die Ursachen und den Verlauf vieler Krankheiten besser zu verstehen5. Und die meisten Forscher sind sich sicher, dass dies langfristig zu neuen Medikamenten und Therapien führen wird.

Die Verknüpfung von Krankheit und Genom – das Ziel der Assoziationsstudien – könnte auch der personalisierten Medizin zum Durchbruch verhelfen. Ärzte könnten in Zukunft eine Therapie verordnen, die auf das Genom des Patienten zugeschnitten ist. Spätestens dann haben sich auch die Mühen und Kosten der Assoziationsstudien gelohnt.

1 Claussnitzer et al., A brief history of human disease genetics, Nature, Januar 2020 (Link)
2 GWAS Catalog, The NHGRI-EBI Catalog of published genome-wide association studies, Stand März 2023 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Hutchinson et al., Fine-mapping genetic associations, Human Molecular Genetics, September 2020 (Link)
4 J. Kaiser, Growth spurt for height genetics, Science, November 2020 (Link)
5 Visscher et al., Discovery and implications of polygenicity of common diseases, Science, September 2021 (Link)
Erbliche Krankheits-Risiken: Assoziationsstudien spüren sie auf und grenzen ihre Position auf den Chromosomen ein. Allein auf den Chromosomen 9 bis 12 finden sich hunderte Risikofaktoren. (Quelle: Leja et al., NHGRI; Burdett et al., EBI)

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Kurz und knapp

  • Assoziationsstudien vergleichen das Erbgut von erkrankten und gesunden Personen, um die genetischen Ursachen von Krankheiten aufzuspüren
  • die Krankheits-Gene können nicht direkt identifiziert werden, sondern nur deren Position im Genom
  • es wurden 400 000 Assoziationen zwischen 220 000 Genom-Markern und tausenden Krankheiten und Eigenschaften gefunden
  • die bekannten Risikofaktoren machen bislang jedoch nur einen kleinen Teil des Gesamtrisikos aus
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