Stammzelltherapie nach Herzinfarkt: nur teilweise erfolgreich
Ein Herzinfarkt hinterlässt Schäden, und Ärzte können nur wenig dagegen tun. Die Hoffnung konzentriert sich auf Stammzellen - doch die Zwischenbilanz ist durchwachsen.
Koronare Herzerkrankungen sind weltweit die Todesursache Nummer eins, beinahe neun Millionen Menschen sterben jährlich daran1. Eine chronische Gefäßverengung kann im schlimmsten Fall die Sauerstoff-Versorgung des Herzens unterbrechen - es folgt ein Infarkt mit oftmals mit tödlichem Ende.
Bei rechtzeitiger Behandlung können Ärzte die meisten Patienten retten, doch die Folgen kriegen sie nicht in den Griff2. Innerhalb weniger Stunden sterben bis zu einer Milliarde Muskelzellen an dem Mangel an Sauerstoff, eine chronische Herzschwäche ist die Folge. Je nach Schwere des Infarkts ist das langfristige Sterberisiko drastisch erhöht.
Keine Selbstheilung
Andere Muskeln können sich nach einer Verletzung vollständig regenerieren. Dem Herzmuskel fehlt diese Fähigkeit - vielleicht, weil ihm heilende Stammzellen fehlen? Unter Wissenschaftlern ist noch umstritten, ob Herz-Stammzellen überhaupt existieren oder ob nur ihre Zahl zu gering ist3. So oder so, die Konsequenz ist die gleiche: Ein schwer geschädigtes Organ, das sich nicht selbst heilen kann.
Warum also nicht die Stammzellen von außen zuführen? Zellen aus dem Knochenmark sind im Labor sehr wandelbar und könnten - sofern sie sich im Körper ähnlich verhalten - die fehlenden Selbstheilungskräfte des Herzens ersetzen. Voller Elan starteten Ärzte Hunderte von klinischen Studien, um dieses Konzept in der Praxis zu testen4.
Doch die Resultate blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Viele experimentelle Stammzelltherapien halfen gar nicht, andere hatten nur eine sehr moderate Wirkung. Auch als man dazu überging, statt reinem Knochenmark die etwas wirksameren mesenchymalen Stammzellen oder Zellen aus Herzgewebe zu verwenden, wurde es nur wenig besser. Mit die besten Ergebnisse bislang: Eine 14%ige Verbesserung der Pumpleistung (genauer: der linksventrikulären Ejakulationsfraktion3) und eine Halbierung der Narben im Herzgewebe5.
Kein längeres Leben
Die renommierte Cochrane-Collaboration hat kürzlich eine Metaanalyse der 33 aufschlussreichsten Studien (insgesamt 1765 Patienten) durchgeführt6. Die gute Nachricht: Stammzellen aus dem Knochenmark bewirken eine moderate Verbesserung der Herzfunktion, die bis zu fünf Jahre lang anhält. Aber - trotz der großen Studien- und Patientenzahlen - ergibt die statische Auswertung keinen Beweis, dass Stammzelltherapien auch das Leben verlängern; dazu ist die Zahl der Studien immer noch zu gering. Was damit schon jetzt klar ist: Selbst im besten Fall kann der lebensverlängernde Effekt nicht besonders groß sein.
Eine Ursache dieses enttäuschenden Ergebnisses: Die transplantierten Stammzellen integrieren sich nicht in das Herzgewebe sondern sterben rasch ab - der erhoffte Neuaufbau findet nicht statt. Doch die Zellen setzen vor ihrem Absterben noch Wachstumsfaktoren frei, welche die natürlichen Heilprozesse unterstützen7. Selbst die geringen Erfolge, die man erzielt, haben nur indirekt mit den Stammzellen zu tun.
Eine mögliche Konsequenz wäre, ganz auf die Stammzellen zu verzichten und nur die Wachstumsfaktoren zu verabreichen8. Doch das ist nicht einfach: Mesenchymale Stammzellen setzen etwa 200 verschiedene Proteine frei - und es nicht klar, welche wirksam sind7. Wahrscheinlich wirken sie auch nur, wenn sie in gut abgestimmten Kombinationen verabreicht werden. Erste klinische Studien, die nur einzelne Faktoren einsetzten, verliefen jedenfalls enttäuschend.
Trotz aller Anstrengungen blieb den regenerativen Stammzelltherapien bislang ein Durchbruch verwehrt. Doch der Elan der Ärzte ist ungebrochen: Drei große Studien mit tausenden Patienten sollen nun die Wirksamkeit beweisen9. Die Ergebnisse werden erst in einigen Jahren erwartet - und sie werden die Zukunft der Stammzelltherapie nach Herzinfarkt wesentlich beeinflussen.
2 K.-D. Kolenda, Sekundärprävention der koronaren Herzkrankheit: Effizienz nachweisbar, Deutsches Ärzteblatt 2005, vol. 102, pp. A1889-95 (Link)
alle Referenzen anzeigen
3 Laflamme et al., Heart regeneration, Nature 2011, vol. 473, pp. 326-35 (Link)4 Hansson et al., Regeneration next: toward heart stem cell therapeutics, Cell Stem Cell 2009, vol. 5, pp. 364-377 (Link)
5 Makkar et al., Intracoronary cardiosphere-derived cells for heart regeneration after myocardial infarction , Lancet 2012, vol. 379, pp. 895-904 (Link)
6 The Cochrane Library, Stem cell treatment for acute myocardial infarction, veröffentlicht am 15. Februar 2012 (Link)
7 Ranganath et al., Harnessing the Mesenchymal Stem Cell Secretome for the Treatment of Cardiovascular Disease, Cell Stem Cell 2012, vol. 10, pp. 244-258 (Link)
8 A. Rosenzweig, Cardiac regeneration, Science 2012, vol. 338, pp. 1549-50 (Link)
9 K. Grens, Hearts on Trial, The Scientist, Mai 2015 (Link)
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Kurz und knapp
- bei einem Herzinfarkt sterben bis zu einer Milliarde Muskelzellen
- da traditionelle Methoden nicht helfen, ruhen die Hoffnungen auf Stammzellentherapien
- Hunderte experimentelle Studien wurden bislang durchgeführt
- eingesetzt wurden Knochenmark-Stammzellen, aufgereinigte mesenchymalen Stammzellen und Vorläuferzellen aus dem Herz
- die Ergebnisse sind schwankend, aber im Mittel konnten Stammzellentherapien eine leichte Verbesserung der Herzfunktion erzielen
- es bleibt jedoch unklar, ob Stammzelltherapien auch das Leben von Herzinfarkt-Patienten verlängern können