Gene Drive bei Pflanzen

Gene Drives könnten Wildkräuter eindämmen, die der Landwirtschaft großen Schaden zufügen. Pflanzen haben jedoch Wege der Fortpflanzung, die einen Gene Drive vor große Probleme stellen.

Das Ackerunkraut Amaranthus palmeri hat entweder männliche oder weibliche Blüten: Ein Gene Drive könnte die Geschlechterverteilung manipulieren und eine Fortpflanzung verhindern. (Bild: Pompilid / wikimedia)

Landwirte wenden viel Geld und Mühe auf, um Wildkräuter von ihren Feldern fernzuhalten. Meist sind Herbizide das Mittel der Wahl. Doch diese schädigen nicht nur die Umwelt, sondern verlieren auch zunehmend ihre Wirkung: Viele Pflanzen entwickeln Resistenzen gegen diese Giftstoffe.

Manche Forscher glauben, dass die Gentechnik eine Alternative zu Herbiziden sein könnte. Sie wollen das Erbgut von Pflanzen gezielt verändern – und diese Veränderungen mit Hilfe von Gene Drives in der Natur verbreiten.

Bei Pflanzen erst seit 2024 erfolgreich

Gene Drives sind genetische Elemente, die sich „egoistisch‟ verhalten: Sie setzen sich über die klassischen Regeln der Vererbung hinweg und verdrängen konkurrierende Genvarianten. Dieser Egoismus soll genutzt werden, um neue Eigenschaften fest im Erbgut einer Population zu verankern. Sogar wildlebende Tier- und Pflanzenarten könnten so genetisch verändert werden1.

Im Labor sind Gene Drives bereits sehr erfolgreich: Sie setzen sich innerhalb weniger Generationen vollständig in einer Population durch. Vor allem bei Fliegen und Mücken wurden große Fortschritte erzielt, in begrenztem Maße auch bei Mäusen. Die Übertragung auf Pflanzen erwies sich jedoch lange Zeit als schwierig. Erst 2024 gelang es zwei Forschergruppen, mit einem Cleave and Rescue Ansatz einen Gene Drive in einem Ackerkraut zu verwirklich2,3.

Hilfe für die Landwirtschaft

Manche Forscher arbeiten an Gene Drives, die unerwünschte Wildkräuter zurückdrängen sollen4. Damit könnte die Landwirtschaft ihre Ernten sichern und die Erträge steigern. Dieses Ziel kann auf zwei Wegen erreicht werden.

1. Rücknahme von Herbizid-Resistenzen

Viele Pflanzen haben Resistenzen entwickelt, die die Wirkung von Herbiziden zunichte machen. Diese Resistenzen beruhen meist auf einfachen genetischen Veränderungen, die Forscher leicht aufspüren und untersuchen können. Sie können auch Methoden entwickeln, um diese genetischen Veränderungen wieder rückgängig zu machen.

Zumindest theoretisch wäre es mit Gene Drives möglich, Resistenzen in Wildpflanzen rückgängig zu machen und die Wirkung eines Herbizids wiederherzustellen. Dieser Ansatz könnte die Entwicklung neuer – und möglicherweise noch gefährlicherer – Herbizide überflüssig machen. Eine umweltverträgliche Lösung wäre dies jedoch nicht: Die Abhängigkeit der Landwirtschaft von Umweltgiften würde eher noch zunehmen.

2. Eingeschränkte Vermehrung der Wildkräuter

Etwas schonender für die Natur wäre der Ansatz, gezielt in die Vermehrung von Wildkräutern einzugreifen. Ähnlich wie bei Tieren könnten Forscher versuchen, die Geschlechterverteilung zu beeinflussen: Wenn zum Beispiel nur noch männliche Pflanzen wachsen, ist eine geschlechtliche Fortpflanzung nicht mehr möglich und die Population bricht zusammen.

Dieser Ansatz ist bei zweihäusigen Pflanzenarten denkbar, die sich in verschiedene Geschlechter aufspalten. Einzelne Exemplare bilden dann entweder männliche oder weibliche Blüten aus. Bei einigen Arten wird die Bildung weiblicher Blüten durch ein einzelnes Gen gesteuert. Wird dieses Gen mit einem Gene Drive ausgeschaltet, entstehen in der nächsten Generation nur noch männliche Pflanzen. Die geschlechtliche Vermehrung der Pflanzen käme zum Erliegen.

Ein solcher Gene Drive hätte den Vorteil, dass andere Pflanzenarten nicht beeinträchtigt würden. Dennoch wäre es ein tiefer Eingriff in die Natur: Niemand könnte genau vorhersagen, welche Folgen die Auslöschung der Pflanzen für die betroffenen Ökosysteme hätte.

Amaranthus palmeri als mögliches Ziel

Ein mögliches Ziel für einen Gene Drive ist das Wildkraut Amaranthus palmeri. Dieses Fuchsschwanzgewächs stammt ursprünglich aus dem Südwesten der USA, breitet sich aber inzwischen auf Ackerflächen im ganzen Land aus. Dabei verursacht die Pflanze große Schäden beim Anbau von Baumwolle und Soja.

A. palmeri bietet zwei Ansatzpunkte für einen Gene Drive. Zum einen kann die Pflanze nur dann weibliche Blüten bilden, wenn ein bestimmtes Gen aktiv ist. Das Ausschalten dieses Gens könnte die geschlechtliche Fortpflanzung behindern. Zum anderen ist A. palmeri gegen viele Herbizide resistent. Die Ursachen für diese Resistenzen sind bekannt und könnten mit einem Gene Drive ausgeschaltet werden.

Hohe Hürden in der Natur

Ob sich ein Gene Drive in der Natur durchsetzen kann, ist noch unklar. Gerade bei Pflanzen sind die Hürden hoch: Im Vergleich zu Tieren ist ihre Fortpflanzung viel komplizierter und vielfältiger. Einige dieser Besonderheiten könnten dazu beitragen, dass ein Gene Drive ins Leere läuft4.

  • Vegetative Vermehrung: Viele Pflanzen verbreiten sich über Ableger oder Wurzelgeflechte. Diese Form der ungeschlechtlichen Vermehrung wird durch einen Gene Drive nicht beeinflusst.
  • Selbstbefruchtung: Einige Pflanzen bestäuben ihre Blüten mit eigenem Pollen. Einem Gene Drive nimmt das die Möglichkeit, von einem Individuum zum nächsten zu springen.
  • Samen- oder Diasporenbanken: Viele Pflanzen verstreuen langlebige Samen im Boden, die zum Teil erst nach Jahren keimen und neue Triebe bilden. Selbst ein sehr erfolgreicher Gene Drive müsste ständig mit nachwachsenden Pflanzen konkurrieren, die das natürliche Erbgut wieder in der Natur verbreiten.
  • Kreuzung zwischen verwandten Arten: Viele Wildkräuter spalten sich in Arten auf, die sich genetisch sehr ähnlich sind. Kreuzungen sind dann jederzeit möglich (auch bei Amaranthus-Arten). Diese Auskreuzung können resistente Genvarianten einführen, die den Gene Drive zum Erliegen bringen.
  • Lange Generationszeiten: Während Insekten meist zahlreiche Vermehrungszyklen pro Jahr durchlaufen, sind es bei Pflanzen oft deutlich weniger. Nicht selten entsteht nur eine neue Generation pro Jahr. Gene Drives würden viele Jahre brauchen, um sich in der Natur durchzusetzen.
  • Polyploide Genome: Im Erbgut vieler Pflanzenarten liegen Gene nicht in doppelter, sondern in vierfacher oder noch höherer Anzahl vor. Dies stellt höhere Anforderungen an die Durchsetzungskraft eines Gene Drives und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Resistenzen.

Praktische Umsetzung noch sehr unsicher

Es erscheint im Augenblich sehr unwahrscheinlich, dass sich Gene Drives als Alternative zu Herbiziden etablieren werden. Ihre Wirksamkeit in der Natur wird immer mit großen Unsicherheiten behaftet sein. Und selbst im besten Fall würde sich ein Erfolg erst in mehreren Jahren einstellen. Bis dahin müssten Landwirte die gentechnisch veränderten Varianten der unerwünschten „Unkräuter‟ aktiv anbauen – und dafür Arbeit und wertvolles Ackerland investieren. Die Wirkung von Herbiziden setzt dagegen schnell ein und ist in der Regel gut vorhersehbar.

Auch für die Pflanzenzüchtung bietet der Gene Drive kaum Vorteile. Es gibt zahlreiche etablierte Methoden, um Pflanzen gentechnisch zu verändern – einfach, schnell und zuverlässig. Die aufwändige Entwicklung eines Gene Drives würde bei Pflanzen nur zusätzlichen Aufwand und Kosten verursachen.

Auch wenn Gene Drives bei Pflanzen technisch machbar sind, macht ihr Einsatz in der Landwirtschaft nach heutigem Wissensstand wenig Sinn.

1 E. Bier, Gene drives gaining speed, Nature Reviews Genetics, Januar 2022 (Link)
2 Oberhofer et al., Cleave and Rescue gamete killers create conditions for gene drive in plants, Nature Plants, Juni 2024 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Liu et al., Overriding Mendelian inheritance in Arabidopsis with a CRISPR toxin-antidote gene drive that impairs pollen germination, Nature Plants, Juni 2024 (Link)
4 Kumam et al., ransformative Approaches for Sustainable Weed Management: The Power of Gene Drive and CRISPR-Cas9, Genes, April 2023 (Link)
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Broschüre zum Gene Drive

Kunstdrucke und Naturfotografie von Jens Rosbach

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Kurz und knapp

  • Gene Drives könnten die landwirtschaftliche Ernte vor der Konkurrenz durch Wildkräuter schützen
  • sie könnten Resistenzen gegen Herbizide zurücknehmen
  • Gene Drives könnten bei zweihäusigen Pflanzenarten die Geschlechterverteilung manipulieren und die Fortpflanzung behindern
  • Besonderheiten bei der Vermehrung von Pflanzen erschweren die Durchsetzung eines Gene Drive in freier Natur
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