Vaterschaftstest: 99,9 % gelten schon als Beweis
Ein Vaterschaftstest kann nicht beweisen, dass ein Mann der Kindsvater ist. Aber statistische Analysen können die Wahrscheinlichkeit berechnen.
Die Erbgut in einer menschlichen Zellen umfasst mehr als sechs Milliarden DNA-Buchstaben. Ein Vaterschaftstest untersucht aber meist kaum mehr als 20 000 Buchstaben – also gerade einmal 0,0003 % der Erbinformation. Komplizierte statische Berechnungen sind daher notwendig, um aus dieser Minimalinformation verlässliche Aussagen abzuleiten.
Die 0,0003 % sind allerdings sorgfältig ausgesucht. Sie bestehen aus kleinen DNA-Abschnitten, deren Buchstabenfolge sich vielfach wiederholen kann. Der entscheidende Punkt: Die Länge dieser Abschnitte, Single Tandem Repeats genannt, ist beim Menschen sehr variabel. Vaterschaftstest untersuchen meist mindestens 15 dieser DNA-Marker – genug, um relativ sichere Ergebnisse zu erhalten.
Muster im Erbgut
Nur eine Aussage ist mit 100%iger Sicherheit möglich: Dass ein Mann nicht der Vater des Kindes ist. Dazu müssen bei dem Kind mindestens vier DNA-Marker auftauchen, die weder von der Mutter noch von dem betroffenen Mann stammen1. Einzelne Abweichungen könnten noch durch spontane Mutationen im Erbgut erklärt werden – doch vier Mutationen gleichzeitig, das ist praktisch unmöglich.
Was ist jedoch, wenn das Muster passt? Wenn sich also alle DNA-Marker des Kindes aus den Erbinformationen der Mutter und des möglichen Vaters herleiten lassen? Dann ist das zwar ein starker Hinweis, aber noch kein Beweis – ein anderer Mann könnte ja zufällig das gleiche Muster aufweisen. Daher ist ein Vaterschaftstest mit viel Statistik verbunden: Diese berechnet, wie groß am Ende die Wahrscheinlichkeit ist.
Komplizierte Statistik
Entscheidend ist dabei die Häufigkeit, mit der einzelne DNA-Marker in der Bevölkerung auftreten. Eine Variante könnte bei jedem dritten Mann auftreten, eine andere jedoch nur bei einem von hundert2. Demgemäß lassen Vaterschaftstests, bei denen vor allem häufige DNA-Marker auftauchen, nur eine eher unsichere Aussage zu. Treten jedoch viele seltene DNA-Marker auf, kann die Wahrscheinlichkeit einer Vaterschaft sehr hoch werden.
Bei der statistischen Auswertung wird zuerst der sogenannte Likelihood-Quotient berechnet3. Dieser vergleicht zwei Hypothesen: Erstens, der untersuchte Mann ist der Vater des Kindes (X); zweitens, ein anderer Mann ist der Vater des Kindes (Y). Die Häufigkeiten der DNA-Marker geben Aufschluss darüber, wie wahrscheinlich beide Hypothesen sind. Und der Quotient aus diesen Werten wird Paternity-Index genannt: Pi = X / Y.
Im deutschsprachigen Raum ist der Paternity-Index jedoch eine unübliche Größe. Er wird in der Regel in einen Prozentwert umgerechnet, und zwar mit Hilfe der Esser-Möller-Formel: W = 1 / (1 + Y / X). Dieser Wert stellt dann letztlich das Ergebnis des Vaterschaftstests dar.
Dem Gericht reichen 99,9 %
Wie aussagekräftig ist dieser Wert? Deutsche Gerichte sehen eine Vaterschaft als „praktisch erwiesen“ an, wenn eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 99,9 % erreicht wird. Dieser Wert lässt sich aber weit übertreffen. Manche Anbieter bieten die Vaterschaftstests mit über 30 DNA-Markern an, bei denen die Wahrscheinlichkeit auf 99,9999 % steigen kann.
Die Wahrscheinlichkeiten können also so hoch werden, dass sie fast schon an Gewissheit grenzen. Auch wenn Vaterschaftstests keine definitiven Beweise sind – einem begründeten Zweifel lassen sie manchmal wenig Platz.
Teil 2/4: Was sagt das Gesetz zum Vaterschaftstest?
Teil 3/4: Wie funktioniert ein Vaterschaftstest?
Teil 4/4: 99,9 % gelten schon als Beweis
2 Wiegand et al., Analyse biologischer Spuren, Rechtsmedizin November 2003 (Link)
3 Rolf et al., Abstammungsbegutachtung: DNA-Systeme, biostatistische Auswertung und juristische Aspekte, Rechtsmedizin 2007 (Link)
Gentest
Vaterschaftstest
Kurz und knapp
- Vaterschaftstests können eine Vaterschaft ausschließen, aber nicht definitiv beweisen
- statistische Analysen spielen eine wesentliche Rolle bei der Auswertung von Vaterschaftstests
- ergibt ein Vaterschaftstest eine Wahrscheinlichkeit von 99,9 %, wird das von Gerichten als Beweis akzeptiert