CAR-T-Zelltherapien gegen Lupus und Multiple Sklerose

Forscher testen, ob CAR-T-Zellen auch bei Autoimmunerkrankungen helfen können. Bei vier Erkrankungen verliefen erste Versuche erfolgreich, bei der Multiplen Sklerose steht die Forschung noch am Anfang.

CAR-T-Zellen gegen MS

CAR-T-Zellen können in Tierversuchen das Gehirn schützen, aber inaktive Kontrollzellen sind ähnlich wirksam

CAR-T-Zellen helfen bei Blutkrebs: Sie schalten die B-Lymphozyten des Immunsystems aus, wenn deren Wachstum außer Kontrolle gerät. B-Lymphozyten sind jedoch auch an Autoimmunerkrankungen beteiligt. Sie produzieren dann Antikörper, die sich gegen den eigenen Körper wenden und schwere Entzündungen auslösen.

Medikamente, die B-Lymphozyten hemmen oder beseitigen, eignen sich auch zur Behandlung einiger Autoimmunerkrankungen. Daher liegt es nahe, CAR-T-Zelltherapien – trotz der oft starken Nebenwirkungen – auch bei diesen Erkrankungen zu testen1. Erste Erkenntnisse gibt es zu :

  1. Systemischer Lupus erythematodes
  2. Multiple Sklerose
  3. Antisynthetase-Syndrom
  4. Myasthenia gravis
  5. Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen
  6. Autoimmune Muskelentzündung
  7. Systemische Sklerose (Sklerodermie)

1. Systemischer Lupus erythematodes

Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) bilden B-Lymphozyten häufig Antikörper, die sich gegen die eigene Erbsubstanz richten. Die Betroffenen leiden unter Entzündungsreaktionen, die schwerwiegende oder sogar lebensbedrohliche Folgen haben können: Hautausschläge, Gelenkschmerzen, Nieren- und Herzerkrankungen.

CAR-T-Zellen als letzte Option

Ärzte haben mehrere Möglichkeiten, die Symptome des SLE zu lindern. Doch bei manchen Betroffenen verlieren alle verfügbaren Optionen ihre Wirkung. So erging es auch einer jungen Frau, die am Uni-Klinikum Erlangen in Behandlung war. Im Jahr 2021 sahen ihre Ärzte nur noch eine Option: CAR-T-Zellen, deren Einsatz zuvor noch nie bei SLE erprobt worden war.

Für die Herstellung der CAR-T-Zellen isolierten die Ärzte besondere Immunzellen der Frau, die T-Zellen. In deren Erbgut schleusten die Forscher einen künstlichen Rezeptor (chimeric antigen receptor, CAR) ein, der sich gegen das Oberflächenprotein CD19 richtete – einen Marker für B-Lymphozyten. Die CAR-T-Zellen sollten die B-Zellen aus dem Körper der Frau entfernen und so die Produktion der schädlichen Autoantikörper stoppen.

Dies gelang besser und schneller als erwartet: Bereits fünf Wochen nach dem Eingriff hatten sich die Beschwerden gelegt. Die Gelenkschmerzen waren verschwunden, der Körper hatte sich vollständig erholt und andere Medikamente wurden überflüssig. Nennenswerte Nebenwirkungen blieben der Frau erspart. Im Dezember 2023 war die Frau weiterhin ohne Beschwerden – 1 000 Tage nach der CAR-T-Zelltherapie9.

Langfristiger Nutzen noch unklar

Nach diesem ersten Erfolg behandelten die Erlanger Ärzte vier weitere Menschen mit SLE. Die Behandelten waren im Durchschnitt 22 Jahre alt und hatten bereits mehrere erfolglose Therapieversuche hinter sich. Bereits drei Monate nach der CAR-T-Zelltherapie ließen die Symptome deutlich nach, die Wirkung hielt bislang im Mittel acht Monate an. Bis auf ein schwach ausgeprägtes Zytokinfreisetzungs-Syndrom traten kaum Nebenwirkungen auf2.

Ob die Wirkung von Dauer ist, bleibt aber bislang unklar. Die CAR-T-Zellen werden wahrscheinlich wieder aus dem Körper verschwinden – es ist denkbar, dass dann auch die Beschwerden zurückkehren. Der langfristige Nutzen der CAR-T-Zelltherapie kann nach Ansicht der Erlanger Forschern nur in einer längeren randomisierten Studie geklärt werden.

2. Multiple Sklerose

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine langsam fortschreitende Erkrankung, deren Auslöser das Epstein-Barr-Virus ist. Das Virus infiziert B-Lymphozyten und löst dabei vermutlich Prozesse aus, die in seltenen Fällen das eigene Immunsystem in die Irre führen. Die Immunzellen wenden sich gegen das eigene Nervengewebe und verursachen schwere Schäden im Gehirn. Die Beseitigung der B-Lymphozyten mit Antikörpern ist eine der wirksamsten Therapien bei MS.

Eine Arbeitsgruppe in San Francisco stellte sich die Frage, ob auch CAR-T-Zellen eine mögliche Behandlungsoption sind3. Die ersten Versuche erfolgten mit Mäusen: Forscher können bei den Tieren eine Erkrankung auslösen, die in einigen Punkten der MS ähnelt.

EAE als Modell der Multiplen Sklerose

Diese experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) kann zum Beispiel entstehen, wenn die Tiere mit dem Protein MOG (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein) immunisiert werden. MOG ist Teil der Myelinscheide, die die Axone einiger Nervenzellen umhüllt. Eine Immunisierung mit MOG hat zur Folge, dass das Immunsystem die Nervenzellen im Gehirn der Mäuse angreift.

Die kalifornischen Forscher haben nun getestet, ob CAR-T-Zellen diese Form der EAE beeinflussen können. Dazu behandelten sie Mäuse zunächst mit Cyclophosphamid. Dieses Zytostatikum wird auch beim Menschen eingesetzt, um die Zahl der Knochenmarkzellen zu verringern und das Wachstum der CAR-T-Zellen zu erleichtern.

CAR-T-Zellen anscheinend erfolgreich – aber die Kontrolle auch

Kurz nach der Behandlung mit Cyclophosphamid erhielten die Tiere CAR-T-Zellen, die das Antigen CD19 erkennen und B-Lymphozyten wirksam beseitigen können. Diese CAR-T-Zellen hatten die Forscher selbst erzeugt, indem sie Immunzellen der Mäuse mit einer Genfähre veränderten. Zur Kontrolle erhielten andere Mäuse Zellen, die ebenfalls mit der Genfähre behandelt worden waren: Allerdings ohne das CAR-Molekül, sondern nur mit einem grün leuchtenden Protein (GFP).

Das Ergebnis dieses Versuchs schien vielversprechend: Die CAR-T-Zellen beseitigten alle B-Zellen und verringerten die Symptome der EAE deutlich. Das Gehirn der behandelten Tiere blieb nahezu frei von Schäden. Eigentlich genau das, was sich die Forscher erhofft hatten.

Doch dann kam die große Überraschung – die Kontrollzellen hatten fast die gleiche Wirkung. Auch hier gingen die Symptome und die Zahl der Läsionen im Gehirn zurück. Und das, obwohl die Zahl der B-Zellen fast unverändert blieb. Das Verschwinden der B-Zellen war also nicht die Erklärung dafür, dass die EAE-Symptome geringer ausfielen. Was ist dann der Grund? Die kalifornischen Forscher wissen es noch nicht.

Anscheinend bereits erste Tests beim Menschen

Die Tierversuche liefern also noch keinen eindeutigen Beweis, dass CAR-T-Zelltherapien bei Multipler Sklerose helfen können. Presseberichten zufolge ist der nächste Schritt aber bereits getan10: In einer Hamburger Klinik wurden die ersten Betroffenen mit CAR-T-Zellen behandelt.

Über die Ergebnisse ist noch nichts bekannt, spektakuläre Erfolge werden aber nicht erwartet. Bei Multipler Sklerose ist das Nervensystem oft schon so stark geschädigt, dass die Schäden kaum noch repariert werden können.

3. Antisynthetase-Syndrom

Das seltene Antisynthetase-Syndrom ist eine weitere Autoimmunerkrankung, an der B-Lymphozyten beteiligt sind. Die Immunzellen bilden dabei Antikörper gegen Enzyme, die für die Synthese von Proteinen notwendig sind. Auch hier haben sich CAR-T-Zellen als erfolgreich erwiesen – bislang allerdings nur bei einem 41-jährigen Mann.

Auch dieser Therapieversuch wurde in Erlangen durchgeführt. Der Mann war bereits in einem kritischen Zustand: Aufgrund einer starken Muskelschwäche konnte er kaum noch selbstständig atmen. Das Syndrom wird häufig mit Steroiden, Immunsuppressiva und B-Zell-depletierenden Antikörpern behandelt – im aktuellen Fall verloren diese aber bald ihre Wirkung4.

Die Erlanger Forscher entnahmen dem Betroffenen Immunzellen, um daraus CAR-T-Zellen zu erzeugen. Der Zustand des Mannes besserte sich rasch: 180 Tage nach der Behandlung war er frei von Symptomen, obwohl die B-Lymphozyten inzwischen wieder in seinen Körper zurückgekehrt waren5. Ob die Autoimmunerkrankung langfristig unterdrückt wird, ist allerdings noch unklar. Zudem ist die Aussagekraft von Einzelfallstudien nur sehr gering.

4. Myasthenia gravis

Bei der Myasthenia gravis produzieren B-Lymphozyten Antikörper, die die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln stören. In der Folge entwickelt sich eine Muskelschwäche, die sich meist zuerst bei der Kontrolle der Augenlider bemerkbar macht. Später können auch andere Muskelgruppen betroffen sein.

Die US-Firma Cartesian Therapeutics hat eine Variante der CAR-T-Zellen entwickelt, die besonders schonend und ohne größere Nebenwirkungen wirken soll. Die Therapie beruht auf körpereigenen T-Zellen, die im Labor mit mRNA-Molekülen verändert werden – ähnlich einer mRNA-Impfung gegen COVID6. Die CAR-T-Zellen werden zunächst im Labor vermehrt und dann dem Erkrankten transplantiert. Die veränderten Zellen sind bereits nach wenigen Wochen wieder aus dem Körper verschwunden.

An der ersten Studie nahmen 14 Menschen teil, die seit 12 Jahren an einer fortgeschrittenen Form der Myasthenia gravis litten7. Bei allen Teilnehmern konnten die CAR-T-Zellen die Symptome deutlich lindern, in einigen Fällen verschwanden sie sogar vollständig. Die Wirkung hielt bis zu 9 Monate an (die bisher längste Beobachtungszeit). Die Nebenwirkungen waren sehr mild und verschwanden in der Regel nach einem Tag.

5. Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen

Einige seltene Autoimmunreaktionen werden unter dem Begriff Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) zusammengefasst. Das Immunsystem bildet dabei Antikörper, die einen Wasserkanal mit Namen AQP4 in der Außenhülle von Nervenzellen angreifen. Häufig entzündet sich dann der Sehnerv, es können aber auch andere Teile des Nervensystems betroffen sein.

Forscher aus China starteten eine Studie mit 12 Patienten, bei denen die gängigen Therapien gegen NMOSD nicht mehr wirkten. Die Studienteilnehmer erhielten CAR-T-Zellen, die B-Lymphozyten über den Marker BCMA erkennen und beseitigen konnten.

Bei allen Behandelten besserte sich der Zustand, 11 Patienten erlitten keinen weiteren Schub mehr. Allerdings betrug die mittlere Beobachtungszeit nur knapp 6 Monate. Die Nebenwirkungen waren zum Teil schwerwiegend, konnten aber langfristig unter Kontrolle gebracht werden8.

Autoimmune Muskelentzündung (idiopathische Myositis)

Eine autoimmune Myositis schädigt vor allem die Muskeln, aber auch Haut, Gelenke und innere Organe können betroffen sein. Die Ursache der Autoimmunreaktion ist in der Regel unbekannt. Bei schweren Verläufen drohen schwere Gehbehinderungen, Schluckbeschwerden und Atemnot11.

Eine kleine Studie am Uni-Klinikum Erlangen behandelte drei Betroffene mit CAR-T-Zellen, die gegen den Marker CD19 auf B-Lymphozyten gerichtet waren12. Die Behandelten litten unter schwerer Muskelschwäche und deutlicher Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Zuvor waren mindestens zwei immunsuppressive Therapien erfolglos geblieben.

Bei allen Behandelten normalisierte sich die Muskelfunktion innerhalb weniger Monate, auch Beschwerden verschwanden. Die bislang veröffentlichten Ergebnisse beschreiben ungefähr das erste Jahr nach Therapiebeginn – wie lange die Wirkung anhält, ist also noch unklar.

Systemische Sklerose (Sklerodermie)

Die Systemische Sklerose ist eine sehr seltene Erkrankung mit unbekannter Ursache. Betroffene leiden unter einer Verdickung und Verhärtung der Haut. In Lunge, Nieren und dem Verdauungstrakt kann es zudem zu Entzündungen der Gefäße kommen13.

Forscher am Uni-Klinikum Erlangen behandelten vier Betroffene mit einer CAR-T-Zelltherapie, um die B-Lymphozyten vorübergehend aus dem Körper zu entfernen12. Die Betroffenen litten an einer aktiven Entzündung der Haut und hatten eine eingeschränkte Lungenfunktion. Alle hatten mindestens zwei erfolglose Behandlungen hinter sich.

Die CAR-T-Zelltherapie konnte die Krankheitssymptome deutlich lindern. Die Behandelten benötigten danach keine immunsuppressiven Medikamente mehr. Die Behandlungsdauer war allerdings mit bisher kaum mehr als sechs Monaten sehr kurz.

1 Nezhad et al., Chimeric Antigen Receptor Based Therapy as a Potential Approach in Autoimmune Diseases: How Close Are We to the Treatment?, Frontiers in Immunology, November 2020 (Link)
2 Mackensen et al., Anti-CD19 CAR T cell therapy for refractory systemic lupus erythematosus, Nature Medicine, November 2022 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Gupta et al., CAR-T Cell-Mediated B-Cell Depletion in Central Nervous System Autoimmunity, Neurology: Neuroimmunology & Neuroinflammation, März 2023 (Link)
4 Deutsches Ärzteblatt, Antisynthetase-Syndrom: CAR-T-Zellen erneut bei lebensgefährlicher Autoimmunerkrankung erfolgreich, März 2023 (Link)
5 Müller et al., CD19-targeted CAR T cells in refractory antisynthetase syndrome, The Lancet, Februar 2023 (Link)
6 Deutsches Ärzteblatt, Myasthenia gravis: Modifizierte CAR-T-Zelltherapie erzielt schonendere Wirkung, Juli 2023 (Link)
7 Granit et al., Safety and clinical activity of autologous RNA chimeric antigen receptor T-cell therapy in myasthenia gravis (MG-001): a prospective, multicentre, open-label, non-randomised phase 1b/2a study, The Lancet Neurology, Juli 2023 (Link)
8 Qin et al., Anti-BCMA CAR T-cell therapy CT103A in relapsed or refractory AQP4-IgG seropositive neuromyelitis optica spectrum disorders: phase 1 trial interim results, Signal Transduction and Targeted Therapy, Januar 2023 (Link)
9 Uniklinikum Erlangen, „Die, die den Wolf besiegte“: Lupus-Patientin 1.000 Tage nach weltweit erster CAR-T-Zell-Therapie immer noch gesund, Pressemitteilung, Dezember 2023 (Link)
10 V. Simon, Krebstherapie gegen Autoimmunkrankheiten, tagesschau.de, Februar 2024 (Link)
11 Universitätsspital Zürich, Myositis, abgerufen März 2024 (Link)
12 Müller et al., CD19 CAR T-Cell Therapy in Autoimmune Disease - A Case Series with Follow-up, New England Journal of Medicine, Februar 2024 (Link)
13 Deutsche Rheuma-Liga, Systemische Sklerose (Sklerodermie), abgerufen März 2024 (Link)

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Kurz und knapp

  • CAR-T-Zellherapien können B-Lymphozyten beseitigen und so Autoimmunerkrankungen lindern
  • beim systemischen Lupus erythematodes haben CAR-T-Zellen bei fünf Menschen die Symptome gelindert (zumindest vorübergehend)
  • beim Antisynthetase-Syndrom haben CAR-T-Zellen hat bei einem Mann die Symptome gelindert (zumindest vorübergehend)
  • zur Multiplen Sklerose gibt es bislang nur Tierversuche mit unklarem Ergebnis
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