RNA – ein Biomolekül mit vielen Aufgaben

Das Erbgut erzeugt zahlreiche Arten von RNA-Molekülen. Diese unterscheiden sich deutlich in Größe und Funktion. Einige beeinflussen sogar die Aktivität von Genen.

Drei Arten von Ribonukleinsäuren (RNAs) sind vielen noch aus dem Schulunterricht bekannt: Boten-, Transfer- und ribosomale RNA ermöglichen die Herstellung von Proteinen. Dass viele Proteine eng mit RNA zusammenarbeiten, ist ebenfalls schon länger bekannt1.

Neue Rolle der RNA

Die RNA ist mehr als ein Bote
Mehr als ein Bote: Die RNA ist aktiv an der Regulierung der Genaktivität beteiligt.

Doch es gibt viele weitere Formen der RNA, die erst in den letzten Jahren entdeckt wurden. Im Jahr 2012 fanden Forscher des ENCODE-Projekts Hinweise darauf, dass bis zu 80 Prozent des Erbguts für die Herstellung von RNA genutzt werden. Diese Aktivität geht weit über die bekannten Protein- und RNA-Gene hinaus. Die Bedeutung dieser Studie ist jedoch umstritten: Viele Forscher glauben, dass die meisten dieser RNA-Moleküle keine Funktion haben.

Unumstritten ist jedenfalls, dass diese Funktionen – falls vorhanden – ungewöhnlich sein müssen. Forscher entdeckten mehrere Arten von RNA-Molekülen, die nicht für Proteine kodieren (non-coding oder ncRNA). Die Vielfalt dieser Moleküle ist beeindruckend: Manche bestehen aus kaum mehr als 20 Basen, andere hingegen aus bis zu 20 000.

Viele Arten mit unterschiedlichen Funktionen

Die Funktion dieser RNA-Moleküle bleibt oft noch unklar. Es ist möglich, dass viele nur ein Zufallsprodukt sind und keinen biologischen Zweck erfüllen. Doch zumindest für einige ncRNAs konnten Forscher nachweisen, dass sie einen Einfluss auf die Genaktivität haben2.

miRNAs regulieren Gene

Vergleichsweise gut erforscht ist die Rolle der microRNAs, meist als miRNA abgekürzt. Es sind kleine Moleküle, die in der Regel eine Länge von 20 bis 25 Basen haben. Sie binden an die Boten-RNA und unterdrücken dabei die Produktion von Proteinen. Im menschlichen Erbgut gibt es vermutlich etwa 2300 miRNAs3.

lncRNAs verändern die Struktur des Chromatins

Viele RNAs werden zur Gruppe der long non-coding RNAs (lncRNAs) gerechnet4. Dazu zählen alle Moleküle, die mehr als 200 Basen aufweisen und nicht für die Proteinherstellung umgeschrieben werden. Schätzungen zufolge gibt es zwischen 16 000 und 100 000 lncRNAs im menschlichen Erbgut.

Die Funktion dieser Moleküle ist in der Regel kaum untersucht. Nur für wenige Dutzend lncRNAs gibt es gesicherte Belege oder erste Hinweise5, dass sie

  • das Chromatin und die Aktivität von Genen modulieren
  • den Aufbau und die Funktion membranloser Strukturen im Zellkern (nuclear bodies) regulieren
  • die Stabilität und Translation von mRNA beeinflussen
  • in Signalwege eingreifen

Zirkuläre RNAs – ringförmige Verwandte der Boten-RNAs

Zirkuläre oder circRNAs sind ringförmige, in sich geschlossene RNA-Moleküle, die aus Vorläufern der Boten-RNA entstehen. Sie wurden bereits vor Jahrzehnten identifiziert, aber lange Zeit nur für fehlerhafte Produkte des Stoffwechsels gehalten. Ihre Funktion in der Zelle ist immer noch weitgehend unklar6.

DNA und RNA im Vergleich

Schwestermoleküle: DNA und RNA ähneln sich sehr, weisen aber auch entscheidende Unterschiede auf.

Neuere Forschungen deuten jedoch an, dass zumindest einige zirkuläre RNAs eine biologische Funktion haben. Manche von ihnen binden an spezialisierte Proteine oder direkt an die DNA des Erbguts. Andere können miRNAs wie ein Schwamm aufsaugen und so deren hemmende Wirkung auf die Proteinherstellung unterdrücken.

Peptide aus lncRNAs

Laut Definition sollten lncRNAs eigentlich nicht zur Herstellung von Eiweißmolekülen dienen. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass ein kleiner Teil der lncRNAs auch diese Funktion erfüllen kann. Allerdings erzeugen sie in der Regel sehr kleine Eiweiße, die weniger als 100 Aminosäuren aufweisen – diese werden häufig als Peptide oder Mikroproteine bezeichnet.

Eine Studie konnte belegen, dass etwa 800 lncRNAs derartige Peptide produzieren. In sieben Fällen fanden sich Hinweise, dass diese Peptide auch eine Funktion erfüllen7. Allerdings steht die Forschung hier noch am Anfang.

Einzelne ncRNAs sind oft nicht weit verbreitet

Die meisten ncRNAs teilen ein auffälliges Merkmal: Sie sind nur in wenigen Zellen und Geweben zu finden8. Häufig treten sie auch nur in bestimmten Entwicklungsstufen von Lebewesen auf. Dies legt die Vermutung nahe, dass ncRNAs eine Rolle bei der Differenzierung von Zellen und Organen spielen.

Andere Studien haben gezeigt, dass ncRNAs bei bestimmten Krankheiten ihre Aktivität verändern. Sie könnten daher auch als Marker für Erkrankungen oder sogar als Ansatzpunkte für Therapien dienen.

1 Hentze et al., Rethinking RNA-binding proteins: Riboregulation challenges prevailing views, Cell, September 2025 (Link)
2 Statello et al., Gene regulation by long non-coding RNAs and its biological functions, Nature Reviews of Molecular Cell Biology, Februar 2021 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Alles et al., An estimate of the total number of true human miRNAs, Nucleic Acids Research, April 2019 (Link)
4 Kopp und Mendell, Functional Classification and Experimental Dissection of Long Noncoding RNAs, Cell, Januar 2018 (Link)
5 Núñez-Martínez und Recillas-Targa, Emerging Functions of lncRNA Loci beyond the Transcript Itself, International Journal of Molecular Sciences, Juni 2022 (Link)
6 A. Dance, Circular logic: unpicking RNA’s strangest form yet, Nature, November 2024 (Link)
7 Wei und Guo, Coding functions of “noncoding” RNAs, Nature, März 2020 (Link)
8 Keller et al., miRNATissueAtlas2: an update to the human miRNA issue atlas, Nucleic Acids Research, Januar 2022 (Link)

Neue Rolle der RNA

Mehr als ein Bote: Die RNA ist nicht nur passiver Übertrager von Informationen, sondern aktiv an der Regulierung der Genaktivität beteiligt.

Aufbau des Erbguts

Wissenswertes

Epigenetik

Genomforschung

⇒ Aufbau des Erbguts

⇒ Wissenswertes

⇒ Epigenetik

DNA und RNA im Vergleich

Schwestermoleküle: DNA und RNA ähneln sich in Zusammensetzung und Struktur, weisen aber entscheidende Unterschiede auf.

Kurz und knapp

  • es gibt unterschiedliche Arten von RNA-Molekülen
  • Boten-, Transfer- und ribosomale RNAs vermitteln die Proteinbiosynthese
  • miRNAs können die Herstellung von Proteinen hemmen
  • lncRNAs können die Struktur des Chromatins verändern
  • zirkuläre RNAs entstehen aus Vorläufern der Boten-RNA
  • viele nicht-kodierende RNAs tauchen nur in bestimmen Geweben oder Entwicklungsstufen auf
OK

Diese Webseite verwendet Cookies, die für das Bereitstellen der Seiten und ihrer Funktionen technisch notwendig sind.    Info