RNA – ein Biomolekül mit vielen Aufgaben

Das Erbgut erzeugt viele Arten von RNA-Molekülen, die sich deutlich in Größe und Funktion unterscheiden. Einige davon können die Aktivität von Genen beeinflussen.

Ribonukleinsäuren (RNAs) ermöglichen die Herstellung von Proteinen: Boten-, Transfer- und ribosomale RNAs sind bereits seit Jahrzehnten gut bekannt. Doch in letzter Zeit begannen Forscher, sich vermehrt für weitere Formen der RNA zu interessieren.

Neue Rolle der RNA

Die RNA ist mehr als ein Bote
Mehr als ein Bote: Die RNA ist aktiv an der Regulierung der Genaktivität beteiligt.

Zusätzlichen Aufwind bekam diese Forschung durch das ENCODE-Projekt. Im Jahr 2012 fand diese internationale Forschergruppe Hinweise, dass bis zu 80 Prozent des Erbguts für die Herstellung von RNA genutzt werden. Diese Aktivität geht weit über die bekannten Protein- und RNA-Gene hinaus. Doch die Bedeutung dieser Studie ist umstritten: Viele Forscher glauben, dass die meisten dieser RNA-Moleküle keine Funktion haben.

Unumstritten ist jedenfalls, dass diese Funktionen – falls vorhanden – ungewöhnlich sein müssen. Forscher entdeckten mehrere Arten von RNA-Molekülen, die nicht für Proteine kodieren (non-coding oder ncRNA). Die Vielfalt dieser Moleküle ist beeindruckend: Manche bestehen aus kaum mehr als 20 Basen, andere hingegen aus bis zu 20 000.

Viele Arten mit unterschiedlichen Funktionen

Die Funktion dieser RNA-Moleküle bleibt oft noch unklar. Es ist möglich, dass viele nur ein Zufallsprodukt sind und keinen biologischen Zweck erfüllen. Doch zumindest für einige ncRNAs konnten Forscher nachweisen, dass sie einen Einfluss auf die Genaktivität haben1.

miRNAs regulieren Gene

Vergleichsweise gut erforscht ist die Rolle der microRNAs, meist als miRNA abgekürzt. Es sind kleine Moleküle, die in der Regel eine Länge von 20 bis 25 Basen haben. Sie binden an die Boten-RNA und unterdrücken dabei die Produktion von Proteinen. Im menschlichen Erbgut gibt es vermutlich etwa 2300 miRNAs2.

lncRNAs verändern die Struktur des Chromatins

Viele RNAs werden zur Gruppe der long non-coding RNAs (lncRNAs) gerechnet3. Dazu zählen alle Moleküle, die mehr als 200 Basen aufweisen und nicht für die Proteinherstellung umgeschrieben werden. Schätzungen zufolge gibt es zwischen 16 000 und 100 000 lncRNAs im menschlichen Erbgut.

Die Funktion dieser Moleküle ist in der Regel kaum untersucht. Nur für wenige Dutzend lncRNAs gibt es gesicherte Belege oder erste Hinweise4, dass sie

  • das Chromatin und die Aktivität von Genen modulieren
  • den Aufbau und die Funktion membranloser Strukturen im Zellkern (nuclear bodies) regulieren
  • die Stabilität und Translation von mRNA beeinflussen
  • in Signalwege eingreifen

Zirkuläre RNAs – ringförmige Verwandte der Boten-RNAs

Zirkuläre oder circRNAs sind ringförmige, in sich geschlossene RNA-Moleküle, die aus Vorläufern der Boten-RNA entstehen5. Sie wurden bereits vor Jahrzehnten identifiziert, aber lange Zeit nur für fehlerhafte Produkte des Stoffwechsels gehalten.

DNA und RNA im Vergleich

Schwestermoleküle: DNA und RNA ähneln sich sehr, weisen aber auch entscheidende Unterschiede auf.

Neuere Forschungen deuten jedoch an, dass zumindest einige dieser sehr zahlreichen Moleküle eine biologische Funktion haben. Manche von ihnen binden an spezialisierte Proteine. Andere können miRNAs wie ein Schwamm aufsaugen und so deren hemmende Wirkung auf die Proteinherstellung unterdrücken.

Peptide aus lncRNAs

Laut Definition sollten lncRNAs eigentlich nicht zur Herstellung von Eiweißmolekülen dienen. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass ein kleiner Teil der lncRNAs auch diese Funktion erfüllen kann. Allerdings erzeugen sie in der Regel sehr kleine Eiweiße, die weniger als 100 Aminosäuren aufweisen – diese werden häufig als Peptide oder Mikroproteine bezeichnet.

Eine Studie konnte belegen, dass etwa 800 lncRNAs derartige Peptide produzieren. In sieben Fällen fanden sich Hinweise, dass diese Peptide auch eine Funktion erfüllen6. Allerdings steht die Forschung hier noch am Anfang.

Einzelne ncRNAs sind oft nicht weit verbreitet

Die meisten ncRNAs teilen ein auffälliges Merkmal: Sie sind nur in wenigen Zellen und Geweben zu finden7. Häufig treten sie auch nur in bestimmten Entwicklungsstufen von Lebewesen auf. Dies legt die Vermutung nahe, dass ncRNAs eine Rolle bei der Differenzierung von Zellen und Organen spielen.

Andere Studien haben gezeigt, dass ncRNAs bei bestimmten Krankheiten ihre Aktivität verändern. Sie könnten daher auch als Marker für Erkrankungen oder sogar als Ansatzpunkte für Therapien dienen.

1 Statello et al., Gene regulation by long non-coding RNAs and its biological functions, Nature Reviews of Molecular Cell Biology, Februar 2021 (Link)
2 Alles et al., An estimate of the total number of true human miRNAs, Nucleic Acids Research, April 2019 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Kopp und Mendell, Functional Classification and Experimental Dissection of Long Noncoding RNAs, Cell, Januar 2018 (Link)
4 Núñez-Martínez und Recillas-Targa, Emerging Functions of lncRNA Loci beyond the Transcript Itself, International Journal of Molecular Sciences, Juni 2022 (Link)
5 Misir et al., Specific expression and functions of circular RNAs, Cell Death & Differentiation, Februar 2022 (Link)
6 Wei und Guo, Coding functions of “noncoding” RNAs, Nature, März 2020 (Link)
7 Keller et al., miRNATissueAtlas2: an update to the human miRNA issue atlas, Nucleic Acids Research, Januar 2022 (Link)

Neue Rolle der RNA

Mehr als ein Bote: Die RNA ist nicht nur passiver Übertrager von Informationen, sondern aktiv an der Regulierung der Genaktivität beteiligt.

Aufbau des Erbguts

Wissenswertes

Epigenetik

Genomforschung

⇒ Aufbau des Erbguts

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DNA und RNA im Vergleich

Schwestermoleküle: DNA und RNA ähneln sich in Zusammensetzung und Struktur, weisen aber entscheidende Unterschiede auf.

Kurz und knapp

  • es gibt unterschiedliche Arten von RNA-Molekülen
  • Boten-, Transfer- und ribosomale RNAs vermitteln die Proteinbiosynthese
  • miRNAs können die Herstellung von Proteinen hemmen
  • lncRNAs können die Struktur des Chromatins verändern
  • zirkuläre RNAs entstehen aus Vorläufern der Boten-RNA
  • viele nicht-kodierende RNAs tauchen nur in bestimmen Geweben oder Entwicklungsstufen auf
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