Social Freezing: Eizellen für die Schwangerschaft einfrieren

Die weibliche Fruchtbarkeit erreicht ihren Höhepunkt im Alter von etwa 25 Jahren, danach lässt sie langsam nach. Das rechtzeitige Einfrieren von Eizellen erhöht die Chance, auch im höheren Alter noch schwanger zu werden.

Mütter werden immer älter: In Deutschland war 1975 eine Frau bei der Geburt ihres Kindes durchschnittlich etwa 26 Jahre alt, heute hat sie meist schon die Grenze von 30 überschritten1. Der weibliche Körper kommt bei dieser Entwicklung an seine Grenzen: Immer mehr Frauen schieben ihren Kinderwunsch bis in ein Alter auf, in dem ihre Fruchtbarkeit spürbar nachgelassen hat.

Weibliche Unfruchtbarkeit

Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft sinkt mit dem Alter
Daten gemäß Carcio und Rosenthal

In einem Alter von etwa 25 Jahren können noch fast 9 von 10 Frauen darauf hoffen, innerhalb eines Jahres schwanger zu werden. Doch dieser Anteil verringert sich rasch: Anfang vierzig gelingt dies nur noch weniger als 4 von 10 Frauen. Eine künstliche Befruchtung kann in manchen Fällen helfen, doch auch hier sinkt die Erfolgsrate mit zunehmenden Alter deutlich ab2. Viele Frauen stehen dann vor der Situation, dass sie sich den Wunsch eines eigenen Kindes nicht mehr erfüllen können.

Die Zahl der Eizellen nimmt im Alter ab

Eine neue Entwicklung in der Reproduktionsmedizin, das Social Freezing, soll hier Abhilfe schaffen. Es bietet Frauen die Option, ihre Eizellen frühzeitig zu entnehmen und in speziellen Kühltanks zu lagern. Ärzte können dann Jahre später auf diese Zellen zurückgreifen und sie für eine künstliche Befruchtung nutzen. Der große Vorteil: Je jünger die Frauen bei der Abnahme die Eizellen sind, umso höher sind später die Chancen einer Schwangerschaft.

Denn es sind vor allem die Eizellen, die unter dem Alterungsprozess zu leiden haben. Zum einen nimmt ihre Zahl stetig ab: Bei der Geburt enthalten die Eierstöcke eines weiblichen Kindes etwa eine Millionen Eizellen, doch bereits beim Erreichen der Pubertät bleiben nur noch etwa 300 000 übrig3. Auch erwachsene Frauen verlieren monatlich hunderte Eizellen, bis dann - in einem Alter von etwa 50 Jahren - deren Zahl fast vollständig erschöpft ist.

Die Qualität der Eizellen wird zunehmend schlechter

Doch mit dem Alter nimmt nicht nur die Zahl der Eizellen ab, auch deren Qualität sinkt beständig. Exakt 23 Chromosomen muss die Eizelle aufweisen, um dem Embryo eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen. Der Reifungsprozess der Eizellen verläuft jedoch oftmals nicht störungsfrei: Einzelne Chromosomen fehlen oder haben sich verdoppelt - ein schwerwiegender Defekt, den Ärzte als Aneuploidie bezeichnen.

Je älter eine Frau wird, umso größer wird der Anteil an aneuploiden Eizellen. In seltenen Fällen kann sich aus diesen Zellen trotzdem ein Kind entwickeln, doch in der Regel verhindert die Aneuploidie eine Schwangerschaft oder führt frühzeitig in zu Fehlgeburt. Spätestens ab einem Alter von 35 Jahren treten diese Störungen so häufig aus, dass sie die Fruchtbarkeit ernsthaft beeinträchtigen.

Alterung der reproduktiven Organe

Der Alterungsprozess schädigt jedoch nicht nur die Eierstöcke, andere weibliche Fortpflanzungsorgane sind betroffen. Dazu gehört auch die Gebärmutter, bei der eine Vielzahl von Krankheiten und chronischen Prozessen dazu führen kann, dass die Einnistung des Embryos nicht mehr wirksam unterstützt wird4. Dies sind allerdings Probleme, die auch durch ein Social Freezing nicht gelöst werden können.

Dennoch sind die bisherigen Erfahrungen mit dem Social Freezing meist positiv. Die verwendeten Verfahren gelten als sicher und etabliert, und Studien deuten an, dass sie die Aussichten auf den Erfolg einer künstlichen Befruchtung deutlich erhöhen. Doch noch ist es zu früh für endgültige Aussagen - dazu ist die Zahl der behandelten Frauen noch zu klein.

Social Freezing löst nicht alle Probleme

Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass eine Schwangerschaft im höheren Alter immer problematisch ist - ob sie durch Social Freezing eingeleitet wurde oder nicht. Die Mutter muss häufiger mit Komplikationen wie Schwangerschaftsdiabetes und Präeklampsie rechnen. Auch das Kind ist unter Umständen gefährdet: Noch ist der Verdacht nicht ausgeräumt, dass eine künstliche Befruchtung mit einem erhöhten Risiko von Behinderungen einhergeht5.

Das Social Freezing bietet keine Garantie für die Erfüllung eines Kinderwunsches6. Doch wenn Frauen ihre Eizellen in jungen Jahren einfrieren lassen, bleibt eine Schwangerschaft auch im fortgeschrittenen Alter noch eine realistische Option.

1 Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Durchschnittliches Alter der Mütter bei Geburt ihrer Kinder in Deutschland, West- und Ostdeutschland , Stand 2015 (Link)
2 te Velde und Pearson, The variability of female reproductive ageing, Human Reproduktion Update 2002 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 American Society For Reproductive Medicine, Age and Fertility - A Guide for patients, 2012 (Link)
4 S. Bewley, Which career first?, British Medical Journal 2005, (Link)
5 von Wolff et al., Fertility Preservation for Non-Medical Reasons, Deutsches Ärzteblatt 2015 (Link)
6 British Fertility Society, Data show that freezing your eggs now is no guarantee of a baby later, Pressemitteilung Januar 2020 (Link)

Weibliche Unfruchtbarkeit

Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft sinkt mit dem Alter
Wie groß ist die Chance, innerhalb eines Jahres bei regel­mäßigem und unge­schütztem Geschlechts­verkehr schwanger zu werden? Je älter eine Frau ist, umso geringer die Chance. Daten gemäß Carcio und Rosenthal.

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Kurz und knapp

  • die weibliche Fruchtbarkeit nimmt spätestens mit 35 Jahren deutlich ab
  • die Ursachen sind vielfältig:
    - die Zahl der Eizellen verringert sich
    - die Qualität der Eizellen sinkt
    - die reproduktiven Organen altern
  • beim Social Freezing werden junge Eizellen eingefroren, die später eine künstliche Befruchtung erleichtern sollen
  • das Problem der alters­bedingten weiblichen Unfrucht­barkeit wird so teil­weise umgangen
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