Prochymal - Stammzelltherapie bei Graft-versus-Host-Reaktion

Prochymal nutzt mesenchymale Stammzellen, um Komplikationen bei der Transplantation von Blutzellen zu lindern. Ein Teil der Patienten kann auf ein verlängertes Überleben hoffen.

Die Transplantation von Blutstammzellen kann Leben retten, hat aber häufig schwere Nebenwirkungen: Die Immunzellen des Spenders attackieren das Gewebe des Empfängers und verursachen lebensgefährliche Organausfälle. Mesenchymale Stammzellen können diese Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR) besänftigen und die Überlebenschancen der Patienten erhöhen.

Prochymal bei GvHR

In drei Ländern sind mesenchymale Stammzellen aus dem Knochenmark für die Therapie der GvHR zugelassen. Unter dem Namen Prochymal erlauben Kanada und Neuseeland eine Behandlung von Kindern und jugendlichen Patienten, in Japan ist das gleiche Verfahren unter dem Namen TemCell für die Therapie von Kindern und Erwachsenen zugelassen.

Klinische Studien deuten an, dass in schweren Fällen von GvHR viele Patienten von Prochymal profitieren und sich bei einigen auch das Überleben verlängert. Für die endgültige Bewertung der Wirksamkeit sind aber noch weitere Studien nötig.

Die Krankheit - Graft-versus-Host-Reaktion

In schweren Fällen bleibt bei Leukämien und Lymphomen oft nur eine Option - die Transplantation von Knochenmark oder Stammzellen aus dem Blut. Der Patient enthält dabei ein neues Immunsystem, das auch hartnäckige Krebszellen beseitigen kann. Allerdings kann sich der Angriff auch gegen gesundes Gewebe wenden: Diese Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR) oder auch Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion ist eine häufige Komplikation und tritt bei 30-60 % der Empfänger auf1.

Die Immunzellen des Spenders richten sich bei einer GvHR bevorzugt gegen die Gewebe von Darm, Leber und Haut. Die Folge sind schwere Entzündungen, Blutungen, offene Wunden und im schlimmsten Fall ein Organversagen. Zudem leiden die Patienten unter schweren Schmerzen.

Ärzte verordnen beim Auftreten von GvHR zuerst eine Behandlung mit Steroiden, die aber bei einem Teil der Betroffenen erfolgreich ist. Eine akute GvHR trägt zu 15-30 % der Todesfälle nach einer Stammzelltransplantation bei.

Das Wirkprinzip - mesenchymale Stammzellen mildern die Immunantwort

Mesenchymale Stammzellen (MSC) können überschießende Immunreaktionen besänftigen. Prochymal (auch TemCell oder Remestemcel-L) basiert auf menschlichen MSC, die aus dem Knochenmark von fremden Spendern gewonnen werden. Die Zellen werden im im Labor vermehrt, so dass aus einer Spende bis zu 10 000 Dosen von Prochymal entstehen.

Die MSC gelangen per Infusion in den Blutkreislauf der Patienten, wandern zu den Entzündungsherden und setzen dort Botenstoffe frei, die den Verlauf der GvHR lindern können. Dazu gehören Zytokine, die das Immunsystem besänftigen und Entzündungen hemmen, sowie Wachstumsfaktoren, die die Selbstheilung der Gewebe beschleunigen.

Der Nutzen - ein Teil der Patienten kann auf längeres Leben hoffen

Trotz einiger Studien ist der Nutzen von Prochymal noch nicht eindeutig nachgewiesen: Die bislang einzige Placebo-kontrollierte Studie konnte keinen signifikanten Vorteil nachweisen2. Allerdings schien sich ein Nutzen bei einer Teilgruppe der Patienten anzudeuten: Kinder und Jugendliche, die nicht auf die Standardtherapie mit Steroiden ansprachen3.

Eine Studie mit 241 jungen Patienten stützt diese Hypothese - bei etwa 6 von 10 der behandelten Kinder hatte sich die Entzündung spürbar verbessert. Die Überlebensrate hing davon ab, ob die Kinder auf die Behandlung ansprachen: 8 von 10 Kindern, bei denen Prochymal eine Wirkung zeigte, überlebten mindestens 100 Tage; bei den anderen Kindern waren es nur 4 von 10.

Eine Beobachtungsstudie in Japan mit 300 Teilnehmern weist ebenfalls auf einen möglichen Nutzen hin. Bei etwa 5 bis 6 von 10 Behandelten schien die Therapie zu wirken. Die Aussagekraft der Studie ist jedoch gering, da keine Placebo-Gruppe als Kontrolle diente4.

Die Nebenwirkungen - Prochymal wird gut vertragen

Prochymal wird allgemein sehr gut vertragen. In selten Fällen kann der Infusionsvorgang eine leichte Unverträglichkeit hervorrufen, aber ansonsten konnten der Behandlung keine schwere Nebenwirkung eindeutig zugeordnet werden. Zudem traten keine negativen Auswirkungen auf das Blutsystem oder die Niere auf, auch die Entstehung von krebsähnlichen Wucherungen wurde nicht beobachtet

Die Entwicklung - von den USA nach Australien und Japan

Prochymal wurde ursprünglich von der US-Firma Osiris Therapeutics entwickelt, die nach eigenen Angaben 20 Jahre daran gearbeitet hatte. Zwei größere klinische Studien wurden 2009 mit wenig überzeugenden Resultaten abgeschlossen. Allerdings deutete sich dabei an, dass Prochymal Kindern mit GvHR helfen konnte, die nicht auf eine Steroid-Therapie ansprachen. Für diese Patientengruppe erfolgte im Jahr 2013 die Zulassung in Kanada und Neuseeland - allerdings unter der Auflage, dass weitere Studien die Wirksamkeit klar belegen.

Der Pharmakonzern Sanofi besaß zu diesem Zeitpunkt das Recht, Prochymal in allen Ländern außer Nordamerika zu vermarkten. Im Jahr 2012 verzichtete Sanofi jedoch auf diese Option. Die Rechte für Prochymal wurden 2013 an die australische Firma Mesoblast abgegeben, die eine Lizenz nach Japan an die Firma JCR Pharmaceutical weitergab. Dort wurde die Therapie im Jahr 2015 und dem Handelsnamen TemCell für Erwachsene und Kinder zugelassen.

Die Kosten - bis zu 200 000 US$

Prochymal wird in mehreren kleinen Dosen über einen Zeitraum von einigen Wochen verabreicht. Die Gesamtkosten können sich von Patient zu Patient unterscheiden, belaufen sich durchschnittlich aber auf etwa 200 000 US$ in Nordamerika5 und 110-230 000 US$ in Japan (TemCell)6.

1 Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V., Graft-versus-Host Erkrankung, akut, Onkopedia Leitlinien, Juli 2024 (Link)
2 Locatelli et al., Remestemcel-L for the treatment of graft versus host disease, Expert Review of Clinical Immunology, Juli 2016 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Kurtzberg et al., Allogeneic Human Mesenchymal Stem Cell Therapy (Remestemcel-L, Prochymal) as a Rescue Agent for Severe Refractory Acute Graft-versus-Host Disease in Pediatric Patients, Biol Blood Marrow Transplant, 2014 (Link)
4 Murata et al., Off-the-shelf bone marrow-derived mesenchymal stem cell treatment for acute graft-versus-host disease: real-world evidence, Bone Marrow Transplantation, Mai 2021 (Link)
5 Verter et al., Cost comparison: Saving Stem Cells versus Buying Them, Parent's Guide to Cord Blood Foundation, Oktober 2013 (Link)
6 Pressemitteilung Mesoblast, Mesoblast’s Japan Licensee Receives Pricing for TEMCELL® HS Inj. for Treatment of Acute Graft Versus Host Disease, November 2015 (Link)

Prochymal bei GvHR

Mesenchymale Stammzellen können eine häufige Komplikation bei der Transplantation von Blutstammzellen lindern.

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Kurz und knapp

  • bei der Transplantation von Blutstammzellen kann sich das neue Immunsystem gegen die Gewebe des Empfängers richten
  • diese häufige Komplikation nennt sich Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR) oder Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion
  • Prochymal (TemCell, Remestemcel-L) besteht aus mesenchymalen Stammzellen, die aus dem Knochenmark von fremden Spendern stammen
  • die Stammzellen setzen Botenstoffe frei, die die Attacke des Immunsystems hemmen
  • in schweren Fällen von GvHR kann Prochymal die Entzündung lindern und das Überleben verlängern
  • die Nebenwirkungen sind gering
  • in Kanada und Neuseeland ist Prochymal für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassen, in Japan unter dem Namen TemCell auf für Erwachsene
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