Alofisel – Stammzelltherapie bei Morbus Crohn
Die Stammzelltherapie Alofisel unterstützt die Heilung von Fisteln im Analbereich, die bei der entzündlichen Darmkrankheit Morbus Crohn auftreten können. Die Therapie nutzt mesenchymale Stammzellen, aus dem Fettgewebe fremder Spender.
Im März 2018 hat die europäische Arzneimittelbehörde die erste Stammzelltherapie zugelassen, deren Zellen von fremden (allogenen) Spendern stammen. Alofisel (Darvadstrocel) ist damit – nach Holoclar – die zweite kommerzielle Stammzelltherapie in Europa.
Die Behandlung unterstützt die Heilung von komplexen Analfisteln, einer Komplikation bei der Darmkrankheit Morbus Crohn. Allerdings profitiert nur ein Teil der Betroffenen von der Therapie1. Entwickelt wurde Alofisel von der belgischen Firma TiGenix, die Vermarktung übernimmt der japanische Konzern Takeda.
Alofisel ist seit September 2019 in Deutschland erhältlich.
Die Krankheit – Analfisteln in Folge von Morbus Crohn
Morbus Crohn ist eine entzündliche Reaktion des Darms, die mit schweren Bauchschmerzen und Durchfall einhergeht. Am häufigsten sind der untere Dünndarm und der Dickdarm betroffen. Die Ursache ist unklar, die Therapie gestaltet sich schwierig und besteht in der Regel aus entzündungshemmenden Maßnahmen.
Eine der zahlreichen Komplikationen von Morbus Crohn sind Fisteln im Analbereich, die bei bis zu drei von zehn Patienten auftreten und sehr schmerzhaft sein können. Es handelt sich dabei um unnatürliche Verbindungen zwischen dem Enddarm und der Körperoberfläche.
Der Begriff „komplexe Fistel“ bezeichnet ein fortgeschrittenes Stadium: Dabei bestehen mehrere Hohlgänge zwischen Darm und Haut, oder die Fisteln reichen sehr tief, oder sie sind mit Eiter gefüllt. Bei komplexen Fisteln sind Ärzte oftmals machtlos.
Das Wirkprinzip – allogene mesenchymale Stammzellen
Mesenchymale Stammzellen können viele Arten von Entzündungen besänftigen. Sie tragen nicht direkt zum Aufbau von neuem Gewebe bei und überleben in der Regel auch nicht langfristig im Körper der Patienten. Für ihre Wirkung reicht es aus, wenn sie über einen begrenzten Zeitraum hinweg entzündungshemmende Botenstoffe aussenden.
Die Anwendung – Injektion in die Darmwand
Alofisel wird aus mesenchymalen Zellen hergestellt, die aus dem Fettgewebe von fremden (allogenen) Spendern stammen. Die Zellen werden kurzzeitig im Labor vermehrt, und pro Patient werden etwa 120 Millionen Zellen in die Wände der Analfistel und in die direkte Umgebung injiziert.
Alofisel wird nur einmal verabreicht. Die Zulassung beschränkt sich auf erwachsene Morbus-Crohn-Patienten mit komplexen Analfisteln, bei den gängige Therapien nicht anschlagen.
Der Nutzen – jeder zweite Patient profitiert
Seine Wirksamkeit bewies Alofisel in einer Studie mit 212 Patienten2, denen mit konventionellen oder biologischen Arzneimittel nicht geholfen werden konnte. 24 Wochen nach der Behandlung wurden die Heilerfolge mit einer Placebo-Gruppe (Scheinbehandlung) verglichen. Als Messlatte für den Erfolg galt das Schließen der unnatürlichen äußeren Öffnungen und die Abwesenheit größere innerer Verbindungen, die mit Flüssigkeit gefüllt sind.
Eine Behandlung mit Alofisel führte bei fast 50 % der Patienten (53 von 107) zu einem Heilerfolg, in der Placebo-Gruppe lag diese Quote mit 34 % (36 von 105) statistisch signifikant niedriger. Ein Nachuntersuchung deutete an, dass die Heilerfolge auch nach 52 Wochen erhalten bleiben3,4.
Auch 3 Jahre nach der Behandlung war noch ein kleiner Effekt nachweisbar. Unter der Behandlung mit Alofisel blieben etwa 54 von 100 Personen beschwerdefrei, in der Placebogruppe waren es nur etwa 46 von 100 Personen2.
Die Nebenwirkungen – Abszesse sind möglich
Die Behandlung von Alofisel kann auch unerwünschte Nebenwirkungen haben. Einer von zehn Patienten muss mit Analabszessen rechnen, also Schwellungen mit Eiteransammlung. Etwa ebenso häufig sind neu auftretende anale Schmerzen sowie Schmerzen während der Behandlung.
Die Entwicklung – durch TiGenix
Entwickelt wurde Alofisel von der Firma TiGenix, die im belgischen Leuven ihren Hauptsitz hat. Bereits im Jahr 2009 wurde die Therapie von der EU als Orphan Drug eingestuft, ein Sonderstatus für hoffnungsvolle Therapien gegen lebensgefährliche oder chronische Krankheiten, die nur wenige Menschen betreffen. Die Vermarktung will TiGenix allerdings nicht selbst übernehmen, alle Rechte außerhalb der USA wurden an den japanischen Konzern Takeda abgetreten.
Die Kosten – etwa 60 000 €
Der Preis für eine einmalige Behandlung mit Alofisel beträgt in Deutschland etwa 60 000 €6. Die Kosten für einen möglichen Krankenhaus sind noch nicht darin enthalten. Mehrmalige Anwendungen sind in der Regel nicht vorgesehen.
2 I. Kutschki, Stammzelltherapie bei Morbus Crohn: Langfristiger Fistelverschluss, Deutsches Ärzteblatt, März 2021 (Link)
alle Referenzen anzeigen
3 Panes et al., Expanded allogeneic adipose-derived mesenchymal stem cells (Cx601) for complex perianal fistulas in Crohn’s disease: a phase 3 randomized, double-blind controlled trial, The Lancet 2016 (Link)4 Panes et al., Long-term Efficacy and Safety of Stem Cell Therapy (Cx601) for Complex Perianal Fistulas in Patients With Crohn’s Disease, Gastroenterology, April 2018 (Link)
5 IQWiG, Darvadstrocel – perianale Fisteln bei Morbus Crohn, Dossierbewertung, August 2018 (Link)
6 Charité Berlin, Entgelttarif für Krankenhäuser im Anwendungsbereich des KHEntgG und der BPflV, Stand Januar 2024 (Link)
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Kurz und knapp
- Morbus Crohn ist eine entzündliche Erkrankung des Darms
- Analfisteln – Hohlgänge zwischen Darm und Haut – sind eine häufige Komplikation von Morbus Crohn
- die Therapie Alofisel (Darvadstrocel) beruht auf mesenchymalen Stammzellen aus dem Fettgewebe fremder Spender
- Alofisel unterstützt die Heilung von komplexen Analfisteln
- etwa die Hälfte der Behandelten kann auf Besserung hoffen
- zu den Nebenwirkungen gehören Abszesse und anale Schmerzen