Früherkennung bei Brustkrebs - nicht ohne Risiko

Regelmäßige Untersuchungen der Brust können Leben retten, wenn auch seltener als viele denken. Und sie haben eine Schattenseite - Überdiagnosen und Überbehandlungen gefährden die Gesundheit.

Je früher ein Krebs erkannt wird, desto einfacher lässt er sich behandeln - diese Logik scheint einleuchtend. Und dies gilt besonders für Brustkrebs: Etwa 70 000 Neuerkrankungen hat Deutschland jährlich zu verzeichnen, und fast 18 000 Frauen sterben daran1.

Früherkennung bei Brustkrebs

Eine Mammographie kann Leben retten, birgt aber auch die Gefahr von Überdiagnosen und unnötigen Behandlungen.

Und so gehört eine Mammographie zu den Untersuchungen, die viele Frauen regelmäßig über sich ergehen lassen. Die Methode ist so ausgereift, dass Ärzte bereits die ersten Anzeichen von Krebs erkennen können. Damit ist auch die Zahl der verdächtigen Befunde beständig angestiegen - was aber nicht unbedingt hilfreich ist.

Früherkennung hat Grenzen

Tausende Frauen verdanken der Mammographie ihr Leben, daran besteht kein Zweifel. Doch diese Erfolge sind seltener als viele denken, denn tatsächlich profitiert nur ein Bruchteil der Untersuchten. Die unabhängige Cochrane Stiftung hat ausgerechnet, dass 2000 Frauen zehn Jahre lang zur Früherkennung gehen müssen, um eine Krebstote zu verhindern2.

Ein weitere Statistik wirft Fragen auf: Obwohl die Zahl der verdächtigen Befunde in den letzten Jahren stetig anstieg, blieb die allgemeine Todesrate unter Frauen nahezu unverändert1. Bedeutet dies, dass die Früherkennung nahezu wirkungslos ist? Oder gibt es andere Faktoren, die den positiven Effekte zunichte machen?

Brustkrebs - mal mehr, mal weniger gefährlich

Wer die Antwort auf diese Fragen verstehen will, muss sich von einer verbreiteten Vorstellung frei machen. Lange Zeit gingen Ärzte davon aus, dass jede Krebszelle unweigerlich zu einem gefährlichen Tumor heranwächst. Diese Annahme hat sich als falsch erwiesen: Nicht jeder Brustkrebs ist eine tödliche Gefahr. Manchmal sind es harmlose Wucherungen, oder die Tumore wachsen so langsam, dass sie niemals Probleme verursachen werden.

In der Regel harmlos ist etwa das sogenannte Duktale Carcinoma in Situ (DCIS). Bei einem von sechs Befunden, die eine Früherkennung liefert, handelt es sich um unkontrolliert wachsende Zellen, die jedoch in den Milchgängen verbleiben. Damit geht von diesen DCIS akut nur wenig Gefahr aus. Und selbst über einen Zeitraum von 20 Jahren wird sich vermutlich nur eine von fünf dieser Wucherungen in einen bösartigen Tumor verwandeln3.

Und auch innerhalb der bösartigen Tumore gibt es Unterschiede. Gefährlich sind vor allem schnell wachsende Brustkrebs-Typen, die sich rasch im Körper ausbreiten und die Funktion von lebenswichtigen Organen stören. Andere Formen, die langsamer wachsen, lassen sich oftmals noch rechtzeitig bekämpfen. Letztlich gibt es auch Varianten, die so langsam wachsen, dass sie nie das Leben der Betroffenen bedrohen werden - eine Studie schätzt deren Zahl auf 22 % aller bösartigen Tumore4.

Welcher Tumor ist gefährlich?

Ärzte stellt dies vor ein gewaltiges Problem - die Entwicklung lässt sich kaum vorhersagen. Wird ein DCIS gefährlich? Wächst der Tumor langsam oder schnell? Die Ärzte wissen das nicht, müssen aber eine Entscheidung treffen. Die meisten tendieren zur Sicherheit: Sie behandeln jeden auffälligen Befund so, als handele es sich um einen lebensgefährlichen Tumor.

Viele Betroffene unterstützen dies - die verständliche Angst vor Krebs treibt sie zu radikalen Schritten. Doch diese Entscheidung ist nicht ohne Risiko, denn die Ergebnisse einer Mammographie sollten mit Vorsicht betrachtet werden. Die gefährlichsten Krebstypen wachsen so schnell, dass die Früherkennung fasst immer schon spät kommt: Der Tumor hat sich bereits im ganzen Körper ausgebreitet. Findet eine Mammographie jedoch ein frühes Stadium, handelt es sich meist um langsam wachsenden Brustkrebs - und der ist oftmals eher harmlos.

Überbehandlung als großes Risiko

Und so werden viele Patientinnen mit schweren Therapien belastet, obwohl nie eine Gefahr für ihr Leben bestand. Diese Überbehandlung ist kein seltenes Problem: Experten schätzen, dass auf jeden verhinderten Krebstod zehn Überbehandlungen kommen2. Die Folgen sind nicht trivial, denn Krebstherapien können die Gesundheit der Betroffenen langfristig schädigen. Eine Strahlentherapie steigert das Risiko von Herzerkrankungen um 25 Prozent5, und eine Hormontherapie erhöht die Gefahr von Schlaganfällen6.

Es sind also zwei Faktoren, die den Nutzen der Mammographie schmälern: Erstens, die aggressivsten Varianten von Brustkrebs breiten sich so schnell aus, dass selbst die Früherkennung zu spät kommt. Zweitens erhöht die Mammographie das Risiko einer Überbehandlung, die mit langfristigen Folgeschäden verbunden sein kann.

Die Suche nach Biomarkern

Den Expertengremien sind diese Probleme bewusst, und deshalb empfehlen sie die Brustkrebs-Vorsorge nur für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. In diesem Alter ist das Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko noch vorteilhaft. Langfristig lässt sich das Problem der Überbehandlung aber nur lösen, wenn Forscher sogenannte Biomarker identifizieren, die zwischen gefährlichem und harmlosem Krebs unterscheiden können.

Erst wenn Ärzte nicht nur Wucherungen erkennen, sondern auch deren Gefährlichkeit einschätzen können, kann sich das Potenzial der Früherkennung vollständig entfalten. Erste genetische Tests, die derartige Biomarker bestimmen, sind bereits auf dem Markt; ihre Aussagekraft bleibt aber limitiert3.

Der Status Quo bleibt unbefriedigend: Die Früherkennung hat vielen Frauen mit Brustkrebs das Leben gerettet, manchen Frauen jedoch auch geschadet. In Zukunft können Fortschritte der Krebsmedizin dieses Dilemma vielleicht auflösen, aber heute bleibt den Betroffen nur eine Möglichkeit - bei einem verdächtigen Befund möglichst besonnen zu reagieren. Übereifer kann manchmal mehr schaden als nutzen.

1 Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert Koch-Institut, abgerufen am 31.5.2016 (Link)
2 Gøtzsche et al., Screening for breast cancer with mammography, Cochrane Systematic Review, Juni 2013 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 H. Hoag, Marked Progress, Nature 2015 (Link)
4 Miller et al., Twenty five year follow-up for breast cancer incidence and mortality of the Canadian National Breast Screening Study: randomised screening trial, British Medical Journal 2014 (Link)
5 Gotzsche, Screening for breast cancer with mammography, Cochrane Database Syst. Rev. 2011, (Link)
6 A. Barrat, The risks of overdiagnosis, Nature 2015 (Link)

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Kurz und knapp

  • eine Mammographie kann Brustkrebs schon in einer frühen Phase erkennen
  • die Früherkennung rettete bereits vielen Frauen das Leben
  • die gefährlichsten Tumore werden auch mit der Mammographie nur selten rechtzeitig erkannt
  • viele verdächtige Befunde sind vermutlich nur harmlose Wucherungen
  • Überbehandlungen sind ein großes Problem und können langfristige Folgen haben
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