Nabelschnurblut: Stammzellen für jede Krankheit?
Drei Arten von Stammzellen finden sich im Nabelschnurblut: Blut, Bindegewebe und Gefäßsystem werden durch sie erneuert. In der Medizin finden bislang nur die Blutstammzellen Anwendung.
Stammzellen aus der Nabelschnur helfen bei Blutkrebs und Erbkrankheiten, doch Ärzte wollen noch weitere Krankheiten heilen. Hoffnung macht dabei die Vielseitigkeit des Nabelschnurbluts: Es enthält drei Arten von Stammzellen - jede könnte ein anderes Gewebe heilen.
Doch bislang werden diese Möglichkeiten nur zum Teil genutzt. Alle etablierten Therapien beruhen auf den Fähigkeiten der blutbildenden oder hämatopoetischen Stammzellen. Sie bilden die zahlreichste Gruppe - etwa zwei Millionen Zellen finden sich im Nabelschnurblut. Als enge Verwandte der Knochenmarkzellen können sie alle Bestandteile des Blutes erneuern - weiße und rote Blutkörperchen sowie Thrombozyten.
Darauf baut die Behandlung von Blutkrebs: Nabelschnur-Stammzellen können das erkrankte Knochenmark des Patienten vollständig ersetzen und ein neues Blut- und Immunsystem aufbauen. Doch sie sind festgelegt auf Blutzellen - etwas anderes kann nicht aus ihnen entstehen.
Mesenchymale Stammzellen
Wandelbarer sind da die sogenannten mesenchymalen Stammzellen1. Außer im Nabelschnurblut findet man sie noch in Knochenmark, Fettgewebe und vielen anderen Organen. Sie entwickeln sich zu den Zellen des Bindegewebes - Knochen, Knorpel und Fettzellen. Theoretisch bieten sie die Option, auch diese Gewebe zu reparieren.
Doch ihre Zahl im Blut ist begrenzt, nur wenige tausend finden sich in einer durchschnittlichen Menge Nabelschnurblut. Für eine medizinische Anwendung ist das deutlich zu wenig. Auch gibt es andere Quellen, die deutlich mehr mesenchymale Stammzellen enthalten: Das Gewebe der Nabelschnur selber etwa, oder auch Fettgewebe, das oftmals als Abfall bei kosmetischen Operationen anfällt.
Im Labor entstehen aus mesenchymalen Stammzellen auch Herzmuskel- und Nervenzellen. Viele aktuelle klinischen Studien testen daher, ob Nabelschnurblut bei der Behandlung von Herzinfarkten hilfreich sein kann. Andere Studien erproben die Therapie von Hirnschäden, die bei der Geburt oder im frühen Kindesalter auftreten2.
Doch hier ist Vorsicht angebracht: Im Labor sind Stammzellen entwicklungsfähiger als in der Natur. In Tierversuchen oder im Menschen fehlen bislang überzeugende Beweise, dass mesenchymale Stammzellen etwas anderes als Bindegewebe hervorbringen. Ihre (möglicherweise) heilende Wirkung beruht auf der Produktion von Wachstumsfaktoren - Teil von Herz oder Hirn werden sie nicht.
Endotheliale Vorläufer
Eine weitere Art von Stammzellen in der Nabelschnur erzeugen Endothelzellen, welche die Innenwände der Blutgefäße auskleiden. Diese endothelialen Vorläuferzellen sind allerdings sehr selten - maximal 500 können Forscher aus einer Probe Nabelschnurblut aufreinigen. Theoretisch könnten diese Zellen bei Gefäßkrankheiten und Schlaganfällen helfen, doch medizinische Anwendungen sind bislang erst in einer frühen Phase der Erprobung.
Das Nabelschnurblut bietet zwar eine große Vielfalt von Stammzellen, doch Ärzte können sie noch nicht für neue Therapien nutzen. Auch in absehbarer Zukunft werden die medizinischen Hoffnungen daher vor allem auf den hämatopoetischen Blutstammzellen ruhen.
2 Arien-Zakay et al., Human Umbilical Cord Blood Stem Cells: Rational for Use as a Neuroprotectant in Ischemic Brain Disease, International Journal of Molecular Sciences 2010, vol. 11, pp. 3513-28 (link)
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Kurz und knapp
- im Nabelschnurblut finden sich mehrere Stammzellarten
- aus hämatopoetische Stammzellen entstehen alle Bestandteile des Blut- und Immunsystems
- mesenchymale Stammzellen werden zu Zellen des Bindegewebes - Knochen, Knorpel, Fettgewebe
- endotheliale Vorläuferzellen bringen Zellen hervor, die das Innere der Blutgefäße auskleiden
- bislang sind nur hämatopoetische Stammzellen in der Medizin nutzbar