Hoffnung auf neue Therapien mit Nabelschnurblut
Bei Erbkrankheiten und Blutkrebs kommen Stammzellen aus der Nabelschnur bereits zum Einsatz, doch Forscher arbeiten an weiteren Anwendungen. Ein Fokus liegt auf frühkindlichen Hirnschädigungen.
In der Krebsmedizin hat Nabelschnur-Stammzellen einen festen Platz, wie bislang über 30 000 Transplantationen weltweit deutlich zeigen. Doch Forscher hoffen auf mehr: Mehr als 100 aktive Studien gehen der Frage nach, ob Nabelschnurblut auch bei anderen Krankheiten helfen kann.
Viele dieser neuen Studien werden - wie bei jeder Forschung - vermutlich im Sande verlaufen. Doch zwei Anwendungen wecken große Hoffnungen: Die Ausweitung der Krebstherapie auf erwachsene Patienten und die Behandlung von Kindern, die seit der Geburt an Hirnschädigungen leiden.
Damit könnte sich eine Erfolgsgeschichte fortsetzen, die vor etwa 25 Jahren ihren Anfang nahm. Damals erhielt ein Junge mit Fanconi-Anämie - einer schweren Erbkrankheit - das Nabelschnurblut seiner gesunden Schwester. Das Resultat: eine fast vollständige Heilung1. Heute werden viele weitere Erbkrankheiten mit Stammzellen aus der Nabelschnur behandelt, darunter vor allem Stoffwechselstörungen und Immunschwächen.
Blutkrebs bei Erwachsenen
Doch der eigentliche Durchbruch kam mit der Behandlung von Blutkrebs. Bei Kindern mit Leukämien hat das Nabelschnurblut heute das Knochenmark als wichtigste Quelle von Stammzellen verdrängt. Es weist viele Vorteile auf: Die Zellen aus der Nabelschnur sind sehr tolerant und neigen seltener dazu, den Körper des Empfängers zu attackieren. Und dank ihrer Jugend wachsen sie gut und weisen kaum Schäden in ihrem Erbgut auf.
Ein großer Nachteil verhindert eine noch breitere Anwendung: Die Nabelschnur enthält nur wenig Blut, und somit auch nur wenige Stammzellen. Die Erfolgsaussichten einer Transplantation werden jedoch umso schlechter, je weniger Zellen übertragen werden. Bei erwachsenen Patienten kann es daher Probleme geben: Es dauert zu lange, bis das Immunsystem wieder aufgebaut ist, und der Körper kann Krankheits-Erregern in dieser Zeit wenig entgegensetzen.
Ärzte behelfen sich, indem sie erwachsenen Patienten die doppelte Menge Nabelschnurblut verabreichen - dafür werden jedoch zwei Spender benötigt2. Das Verfahren ist so erfolgreich, dass heute der Großteil des Nabelschnurbluts an Erwachsene geht. Doch dies ist auch ein großer Verlust von Ressourcen: Wenn eine Spende pro Erwachsener ausreichen würde, könnten die notorisch knappen Spenden doppelt so vielen Krebspatienten helfen.
Nabelschnur-Stammzellen vermehren
Forscher testeten daher viele Methoden, um die Stammzellen aus der Nabelschnur im Labor zu vermehren. Dabei trafen sie jedoch auf ein Problem: Diese Zellen eigneten sich nur noch schlecht für eine Transplantation - sie wuchsen nicht mehr langfristig im Körper des Patienten an3.
Zwei Forschergruppen ist nun ein großer Schritt vorwärts gelungen: Sie konnten die Zellen nicht nur vermehren, sondern auch erfolgreich Patienten mit ihnen heilen4,5. Noch sind diese Verfahren erst bei wenigen Patienten getestet, und eine Anwendung im medizinischen Alltag wird auch im besten Fall noch Jahre auf sich warten lassen. Aber falls es funktioniert, hätte sich nicht nur die Zahl der möglichen Transplantationen auf einen Schlag verdoppelt - erwachsene Patienten könnten dann auch erfolgreich mit ihrem eigenen, eingelagerten Nabelschnurblut behandelt werden.
Nabelschnurblut gegen Hirnschädigungen
Große Hoffnungen ruhen auch auf der Therapie von frühkindlichen Hirnstörungen, die unter dem Begriff Zerebralparese zusammengefasst werden. Auslöser ist oft ein Sauerstoffmangel während der Geburt, der bei den betroffenen Kindern spastische Lähmungen hervorruft. Die Möglichkeiten zur Behandlung sind sehr eingeschränkt, neue Formen der Therapie werden dringend benötigt.
Südkoreanische Forscher hatten im Jahr 2013 von ersten Erfolgen berichtet6: Eine Behandlung mit Nabelschnurblut verbesserte die Motorik und die geistigen Fähigkeiten der betroffenen Kinder. Vier weitere klinische Studien zu diesem Thema sollen bis Ende 2016 abgeschlossen werden. Sollten diese ebenfalls erfolgreich sein, könnte ein weiterer Durchbruch bei der Therapie mit Nabelschnurblut bevorstehen (mehr dazu hier).
Bislang wenig Erfolg bei Diabetes
Bei anderen Krankheiten sind die Aussichten nicht ganz so gut. Dazu gehört auch Typ-I-Diabetes, eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen im Kindesalter. Schon früh gab es Berichte, dass Nabelschnurblut beruhigend auf ein Immunsystem einwirkt, das aus dem Gleichgewicht geraten ist. Zellen aus der Nabelschnur, so die Hoffnung, könnten auch bei Diabetes die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse vor weiteren Angriffen schützen.
Im Jahr 2008 startete in den USA eine erste Pilotstudie, und kurz darauf folgten Forscher in China, Australien und Deutschland ihrem Beispiel. Amerikaner und Deutsche haben mittlerweile die ersten Ergebnisse vorgestellt - und sie stimmen wenig optimistisch7,8. Eine heilende Wirkung von Nabelschnurblut konnte nicht nachgewiesen werden. Die Forscher lassen sich dennoch nicht entmutigen und wollen weitere Versuche starten.
Auch bei Autismus sinnvoll?
Manche Forscher wollen Nabelschnurblut auch nutzen, um Autismus bei Kindern zu behandeln. Doch wie genau die Therapie den Kindern helfen soll, bleibt völlig unklar. Die Aussichten auf Erfolg sind daher äußerst ungewiss (mehr dazu hier).
Es gibt noch eine Reihe anderer Krankheiten, für die eine Therapie mit Nabelschnurblut getestet wird. Doch dabei handelt es sich meist um kleine Studien, die nur von einzelnen Forschungslaboren betrieben werden. Die Erfahrung lehrt, dass nur die wenigsten von ihnen Erfolg haben werden.
Dennoch stimmen die Aussichten optimistisch. Weltweit lagern mehr als drei Millionen Nabelschnurblut-Spenden in flüssigem Stickstoff, Tendenz steigend. Diese gewaltige Ressource wird noch viele Menschen von ihrem Blutkrebs erlösen. Und vielleicht werden irgendwann auch Patienten mit anderen Krankheiten davon profitieren.
Teil 2/4: Hoffnung auf neue Therapien mit Nabelschnurblut
Teil 3/4: Öffentliche oder private Banken - wo spenden?
Teil 4/4: Nabelschnurblut einfrieren - Pro und Contra
2 Lund et al., Advances in umbilical cord blood manipulation - from niche to bedside, Nat. Rev. Clin. Oncol. März 2015 (Link)
alle Referenzen anzeigen
3 Sideri et al., An overview of the progress on double umbilical cord blood transplantation, Haematologica August 2011 (Link)4 Horwitz et al., Umbilical cord blood expansion with nicotinamide provides long-term multilineage engraftment, JCI Juli 2014 (Link)
5 Wagner et al., 728 StemRegenin-1 (SR1) Expansion Culture Abrogates the Engraftment Barrier Associated with Umbilical Cord Blood Transplantation (UCBT), 56th ASH Annual Meeting Dezember 2014 (Link)
6 Min et al., Umbilical cord blood therapy potentiated with erythropoietin for children with cerebral palsy: a double-blind, randomized, placebo-controlled trial., Stem Cells 2013, vol. 31, pp. 581-591 (Link)
7 Haller et al., Autologous umbilical cord blood transfusion in young children with type 1 diabetes fails to preserve C-peptide., Diabetes Care 2011, vol. 34, pp. 2567-2569 (Link)
8 Giannopoulou et al., Effect of a single autologous cord blood infusion on beta-cell and immune function in children with new onset type 1 diabetes: a non-randomized, controlled trial., Pediatr Diabetes 2014, vol. 15, pp. 100-109 (Link)
Nabelschnurblut
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Nabelschnurgewebe
Kurz und knapp
- Stammzellen aus Nabelschnurblut spielen eine wichtige Rolle bei der Therapie von leukämiekranken Kindern
- angeborene Anämien, Immunschwächen und Stoffwechselstörungen können ebenfalls mit Nabelschnur-Stammzellen behandelt werden
- die Therapie von erwachsenen Leukämie-Patienten erfordert die Transplantation von zwei Nabelschnurblut-Spenden
- Stammzellen lassen sich im Labor vermehren, um damit vielleicht in Zukunft leichter Erwachsene zu behandeln
- Forscher arbeiten an der Entwicklung von Nabelschnurblut-Therapien für Zerebralparese