Embryonale Stammzellen: Was sagt die katholische Kirche

Die katholische Kirche fordert ein Verbot der Forschung mit embryonalen Stammzellen – ohne Wenn und Aber.

"Jeder Christ muss gegen die Tötung ungeborener Menschen eintreten", erklärte der ehemalige Augsburger Bischof Walter Mixa1 im Jahr 2008. Diese Aussage zielte auf die Verwendung früher Embryonen in Forschung und Medizin – und bringt auch heute noch die Haltung der katholischen Kirche auf den Punkt.

Vatikan
Die vatikanische Glaubenskongregation hat die Position der katholischen Kirche verbindlich festgelegt.

Deutlich ausführlicher bekräftigte der Vatikan diese Position in einer bioethischen Instruktion, die für alle Katholiken bindenden Charakter hat.Die Zerstörung von Embryonen wurde darin aufs Schärfste verurteilt und der Erhaltung des menschlichen Lebens höchste Priorität eingeräumt: "Die Frucht der menschlichen Zeugung erfordert ab dem ersten Augenblick ihrer Existenz, also von der Bildung der Zygote an, jene unbedingte Achtung, die man dem Menschen in seiner leiblichen und geistigen Ganzheit sittlich schuldet." (Dignitas personae, Nr. 6)

Gesetz des Stärkeren

Kategorisch wendete sich Mixa gegen alle Argumente, die die Forschung mit embryonalen Zellen als ethisch gerechtfertigt betrachten: "Wer das Lebensrecht des wehrlosen Embryos gegen ungewisse Heilungschancen aus den Ergebnissen der Stammzellenforschung ausspiele, redet dem Gesetz des Stärkeren das Wort".

Auch die Argumentation, dass überzählige Embryonen aus der künstlichen Befruchtung ohnehin vernichtet werden, bezeichnete er als "zynisch". Deutschland sollte stattdessen den Ehrgeiz aufbringen, bei der Forschung mit adulten Stammzellen eine führende Position einzunehmen1.

Berufen konnte sich Mixa darauf auf das Bioethik-Dokument Dignitas personae. "Wenn man den menschlichen Embryo als bloßes "Labormaterial" behandelt, kommt es zu einer Veränderung und Diskriminierung auch bezüglich des Begriffs der Menschenwürde", heißt es dort im Abschnitt 22. Und: "Es ist in schwerwiegender Weise unmoralisch, ein menschliches Leben für eine therapeutische Zielsetzung zu opfern" (Nr. 30).

Kategorischer Standpunkt – im Widerspruch zu älteren Auffassungen

Dignitas personae wurde im September 2008 von der vatikanischen Glaubenskongregation vorgelegt, mit ausdrücklicher Billigung von Papst Benedikt XVI. Der rasche biomedizinische Fortschritt der letzten Jahrzehnte wird darin dokumentiert und ethisch bewertet. Das Dokument hat den Rang einer Instruktion und legt die Position der gesamten katholischen Kirche verbindlich fest. Die moralischen Bedenken gegen die Forschung mit embryonalen Stammzellen sind derart kategorisch formuliert, dass ein Abrücken von dieser Position ausgeschlossen werden kann.

Historisch gesehen ist dieser rigorose Standpunkt der katholischen Kirche allerdings relativ jung – er datiert auf das Jahr 1869. Papst Pius IX nahm dabei neue biologische Erkenntnisse auf, die auf Fortschritten in der Mikroskopie basierten2. Aber auch die damals sehr populäre Verehrung der Jungfrau Maria spielte wohl eine Rolle: Erst wenige Jahre zuvor war das Dogma der Unbefleckten Empfängnis verkündet worden. Dieses vertrug sich besser mit Auffassung, dass die Seele zum Zeitpunkt der Befruchtung in den Körper eintritt3. In den Jahrhunderten zuvor neigten katholische Theologen wie Thomas von Aquin eher der jüdischen Interpretation zu, bei der ein Embryo erst an Tag 40 nach der Befruchtung eine Seele erhält3.

Adulte Stammzelltherapien unterstützt

Der Vatikan versuchte lange aktiv, die Forschung mit adulten Stammzellen zu unterstützen. Ab 2011 wurden regelmäßig internationale Konferenzen über adulte Stammzellen abgehalten4. 2010 floss römisches Geld (über Umwege) an eine amerikanische Universität5, um die Forschung an adulten Darm-Stammzellen zu fördern. Und im selben Jahr wurden 1 Millionen US-Dollar in das Pharmaunternehmen NeoStem eingegangen, das einer Alternative zur embryonalen Stammzelltherapie arbeitet6. Allerdings war die Existenz der Stammzellen, auf denen die Therapie beruht, wissenschaftlich höchst umstritten.

In den letzten Jahren fiel jedoch auf, dass die katholische Kirche zu diesen Fragen kaum noch öffentlich Stellung bezog. Die jüngsten Fortschritte bei den embryonalen Stammzelltherapien etwa blieben weitgehend unkommentiert.

Dass sich der Standpunkt der Kirche nicht geändert hat, zeigte jedoch 2021 ein Interview mit Bischof Gebhard Fürst aus Rottenburg-Stuttgart7: „Deshalb kommt dem Embryo auch der volle Schutz der menschlichen Person zu, unter dem sie vom ersten Anfang ihres Lebens bis zu ihrem natürlichen Tod steht.“

1 Katholische Nachrichten, Bischof Mixa: Forschung mit embryonalen Stammzellen generell verbieten, März 2008 (Link)
2 William Neaves, The status of the human embryo in various religions, Development, Juli 2017 (Link)
3 Interview mit Uta Ranke-Heinemann, Merkel und der Maria-Mythos, Focus Oktober 2011 (Link)
4 Domradio, Papst begrüßt Forschung mit adulten Stammzellen, 12. November 2011 (Link)
5 Zenit.org, Vatikanklinik an adulter Stammzellforschung beteiligt, April 2010
6 Katholisches, Kooperation Vatikan – NeoStem zur Förderung adulter Stammzellforschung, Mai 2010 (Link)
6 Vatican News, Bischöfe sagen Nein zu verbrauchender Embryonenforschung, Juni 2021 (Link)
Vatikan
Die vatikanische Glaubenskongregation hat die Position der katholischen Kirche verbindlich festgelegt.

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Kurz und knapp

  • die katholische Kirche verurteilt die Forschung mit embryonalen Stammzellen aufs Schärfste
  • dafür soll die Forschung mit adulten Stammzellen ausgebaut werden
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