Embryonale Stammzellen: Die Meinung der evangelischen Kirche
Die Evangelischen Kirche macht es sich nicht leicht. Statt eine einheitliche Position zu diktieren, fördert sie die Diskussion - auch in den eigenen Reihen. Die Folge: Die Haltung zu embryonalen Stammzellen ist zwiespältig.
Zwar erklärte sie im November 2007: "Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bekräftigt, dass die EKD die Zerstörung von Embryonen zur Gewinnung von Stammzell-Linien für die Forschung ablehnt"1. Die Forschung an bereits bestehenden Stammzell-Linien wird damit jedoch nicht zwingend ausgeschlossen.
Diese Erklärung stellt wohl einen Kompromiss zwischen den weit abweichenden Meinungen der einzelnen Bischöfe dar. Während manche für ein vollständiges Verbot eintreten, wollen andere den Fortschritt in Richtung Therapie mit adulten Stammzellen nicht gefährden. Im Gegensatz zur katholischen Kirche wird die moralische Wertung letztlich den Gläubigen selbst überlassen.
Ja, aber...
Gegen ein grundsätzliches Verbot, aber für eine enge zeitliche Begrenzung plädiert Bischof Wolfgang Huber aus Berlin. Die Forschung an embryonalen Zellen sei solange zulässig, wie sie den Fortschritt bei der medizinischen Anwendung von adulten Stammzellen vorantreibt. Den möglichen Heilerfolgen bei schwerkranken Menschen wird zumindest zeitweise eine höhere Priorität eingeräumt als dem Lebensrecht eines fünf Tage alten Embryos.2
Somit akzeptiert Bischof Huber auch die Verwendung von Zell-Linien, die aus überzähligen Embryonen bei der künstlichen Befruchtung stammen - da diese sowieso vernichtet werden. Doch auch er sagt: "Kein Embryo [darf] zu Forschungszwecken hergestellt und dann getötet werden."
Andere fürchten jedoch die langfristigen Folgen, sollte die Verwendung von embryonalen Zellen gesellschaftlich akzeptiert werden. Der württembergische Bischof Frank Otfried July formuliert das so: "Eine Instrumentalisierung und Verwendung menschlichen Lebens auch im Anfangszustand bereitet auch den Weg zu immer weiter gehenden Verfügbarkeitsansprüchen."3
Kein Dekret
Die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann führt diesen Punkt weiter aus4. Aus der Debatte um die künstliche Befruchtung zieht sie die Lehre, dass anfangs sinnvoll erscheinende Maßnahmen in falsche Bahnen gelangen können. Und im Falle von embryonalen Stammzellen hieße dies, dass alle vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden: Der Mensch würde letztlich die Stellung Gottes anstreben, um Tod und Krankheit zu besiegen und den perfekten Menschen zu schaffen.
Diese Positionen stellen ausdrücklich die persönlichen Meinungen der jeweiligen Bischöfe dar. Die evangelische Kirche als Ganzes möchte zwar zur ethischen Debatte um embryonale Stammzellen beitragen, aber nicht deren Ausgang per Dekret bestimmen.
Zwar sind die Eckpunkte klar vorgegeben: Eine Stammzelltherapie wird letztendlich nur mit adulten Zellen akzeptiert und der menschliche Embryo soll davor bewahrt werden, eine Verbrauchsware zu werden. Doch eine zeitlich begrenzte Forschung an embryonalen Zellen wird nicht grundsätzlich als unvereinbar mit dem christlichen Glauben gesehen. Damit grenzt sie sich deutlich von der Position der katholischen Kirche ab.
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Kurz und knapp
- die evangelische Kirche verzichtet auf eine einheitliche und bindende Stellungnahme zur Forschung mit embryonalen Stammzellen
- das Lebensrecht und die Würde des Embryos werden betont
- eine Stammzell-Therapie wird nur bei Verwendung von adulten Zellen akzeptiert
- die Forschung an embryonalen Stammzellen ist (wenn überhaupt) nur zeitlich begrenzt zulässig, und nur wenn sie die medizinische Anwendung von adulten Zellen vorantreibt