iPS-Zellen sollen schwere Krankheiten lindern
iPS-Zellen werden zur Behandlung von Blindheit, Diabetes, Parkinson und Querschnittslähmung getestet. Einige Studien deuten auf kleine Fortschritte hin, eine sichere Beurteilung der Wirksamkeit ist aber noch nicht möglich.
Innerhalb kürzester Zeit haben iPS-Zellen ihren Weg in die Medizin gefunden: Bereits 2014 – acht Jahre nach ihrer Entdeckung – wurde in Japan erstmals eine erblindete Frau mit den neuartigen Stammzellen behandelt. Seitdem ist die Zahl der klinischen Studien auf 160 angestiegen und jedes Jahr kommen zahlreiche neue hinzu1.
Inhalte
- Vorteile...
- Nachteile...
- Parkinson...
- Diabetes...
- Makuladegeneration...
- Querschnittslähmung...
- Fazit...
Die Vorteile: Wandlungsfähigkeit und breite Akzeptanz
iPS-Zellen gehören zu den pluripotenten Stammzellen – sie sind also sehr wandlungs- und wachstumsfähig. Im Labor kann aus ihnen jede Zelle des menschlichen Körpers entstehen. Damit haben sie das gleiche Potenzial wie embryonale Stammzellen.
Gegenüber ihren embryonalen Verwandten haben iPS-Zellen jedoch zwei wesentliche Vorteile. Bei ihrer Herstellung wird das Erbgut normaler Gewebezellen umprogrammiert – die Zerstörung eines frühen Embryos ist dafür nicht notwendig. Ethische Bedenken gegen ihre Verwendung sind daher nicht zu erwarten.
Die iPS-Zellen können auch aus Gewebe gewonnen werden, das dem Betroffenen vor der Behandlung entnommen wurde. Dadurch verringert sich das Risiko von Abstoßungsreaktionen, mit denen das Immunsystem häufig auf fremdes Gewebe reagiert. Alternativ können iPS-Zellen von Spendern gewonnen werden, die sich besonders gut für eine Transplantation eignen. Entsprechende iPS-Zellbanken werden bereits in Japan aufgebaut.
Der Nachteil: Erhöhtes Krebsrisiko
Die Wachstumsfreude der pluripotenten Zellen hat aber auch einen Nachteil: Es besteht die Gefahr, dass auch Krebszellen entstehen. Bei iPS-Zellen ist das Risiko vermutlich noch höher als bei embryonalen Stammzellen. Für ihre Herstellung werden häufig virale Vektoren als Genfähren verwendet, die selbst Krebs auslösen können.
Bei klinischen Studien stehen daher meist noch Sicherheitsfragen im Vordergrund. Es ist noch nicht vollständig geklärt, welche langfristigen Risiken mit einer Behandlung mit iPS-Zellen verbunden sind.
Parkinson-Krankheit
Die Parkinson-Krankheit verursacht eine Schädigung des Gehirns, die zum Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen führt. Die Folgen sind Bewegungsarmut, Zittern und Muskelsteifheit.
Die Dopamin-produzierenden Zellen können aus iPS-Zellen hergestellt werden. Sie werden dann direkt in das Gehirn eingesetzt, um die motorischen Probleme zu behandeln2.
2018 behandelten japanische Forscher 7 Studienteilnehmer mit körperfremden iPS-Zellen3. Die Ergebnisse stehen noch aus. Etwa zur gleichen Zeit behandelten US-Forscher einen einzelnen Patienten mit körpereigenen iPS-Zellen. Die Ergebnisse deuten auf eine leichte Verbesserung der motorischen Symptome hin4.
Weitere Studien sollen demnächst beginnen.
Diabetes
Bei der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) kann der Körper zu wenig oder gar kein Insulin mehr produzieren. Der Blutzuckerspiegel unterliegt dann lebensbedrohlichen Schwankungen. Ursache ist der Verlust oder die Fehlfunktion der ß-Zellen in der Bauchspeicheldrüse.
iPS-Zellen können im Labor die ß-Zellen hervorbringen. Nach der Transplantation sollen sie den Körper mit Insulin versorgen und den Blutzuckerspiegel auf möglichst natürliche Weise regulieren.
Im Körper eine Insulinproduktion anregen, die schneller und kontrollierter ist, als dies mit der heute üblichen Verabreichung von Spritzen möglich ist5.
Im Jahr 2024 gelang es einer chinesischen Gruppe, eine junge Frau mit Typ-I-Diabetes erfolgreich zu behandeln. Ihr wurden körpereigene iPS-Zellen in den Bauchraum injiziert. Nach 75 Tagen konnte die Frau auf Insulinspritzen verzichten, die Wirkung hält bisher 1 Jahr an. Noch zwei weitere Personen sollen an der Studie teilnehmen.
Ebenfalls im Jahr 2024 behandelten Forscher in Shanghai einen Menschen, der an Diabetes Typ II litt. Auch hier kamen körpereigene iPS-Zellen zum Einsatz. 11 Wochen nach der Behandlung konnte der Mann auf Insulinspritzen verzichten. An der Studie sollen bis zu 20 Personen teilnehmen.
Altersbedingte Makuladegeneration
Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) führt zu einem allmählichen Verfall der Netzhaut des Auges. AMD ist die häufigste Ursache für Erblindung im Alter. Forscher können die Sehzellen des Auges im Labor aus iPS-Zellen herstellen. Eine Übertragung in die Netzhaut des Auges soll den Gewebeverfall aufhalten und eine vollständige Erblindung verhindern.
Die iPS-Zelltherapie wird in 4 Studien mit insgesamt rund 90 Teilnehmern in Japan, China, Indien und den USA getestet6. Bisher gibt es keine Hinweise auf schwerwiegende Komplikationen. Allerdings befinden sich alle Studien noch in einem frühen Stadium, so dass noch keine Aussagen zur Wirksamkeit gemacht werden können.
Querschnittslähmung
Schwere Verletzungen des Rückenmarks können eine Querschnittslähmung verursachen. Dabei werden Nervenbahnen durchtrennt, die für die Kontrolle der Gliedmaßen notwendig sind. Das Rückenmark kann sich nur schwer regenerien, so dass die Schäden in der Regel lebenslang bestehen bleiben.
Forscher können Stammzellen des Nervengewebes im Labor aus iPS-Zellen erzeugen. Die Transplantation dieser Zellen in das Rückenmark soll die Regeneration der Nervenbahnen erleichtern.
Im Dezember 2021 haben japanische Forscher erstmals iPS-Zellen für die Therapie der Querschnittslähmung eingesetzt7. Bei der Studie mit vier Teilnehmern stehen vor allem Sicherheitsfragen im Vordergrund. Ergebnisse sind noch nicht bekannt.
Fazit
In der Medizin gelten iPS-Zellen schon lange als gute Alternative zu embryonalen Stammzellen. Die Entwicklung der letzten Jahre hat diese Einschätzung bestätigt: Im Jahr 2023 wurden weltweit 18 neue klinische Studien mit iPS-Zellen gestartet, aber nur 7 Studien mit embryonalen Stammzellen1.
Diese Studien sind jedoch sehr aufwendig und zeitraubend, mit schnellen Ergebnissen ist nicht zu rechnen. Erst in einigen Jahren wird man wissen, welche Rolle iPS-Zellen in der Medizin spielen können.
Teil 2/3: Therapien mit iPS-Zellen
Teil 3/3: Ethische Probleme mit iPS-Zellen
2 Moon et al., Challenges involved in cell therapy for Parkinson's disease using human pluripotent stem cells, Frontiers in Cell and Developmental Biology, Oktober 2023 (Link)
alle Referenzen anzeigen
3 J. Takahashi, iPS cell-based therapy for Parkinson's disease: A Kyoto trial, Regenerative Therapy, März 2020 (Link)4 Schweitzer et al., Personalized iPSC-Derived Dopamine Progenitor Cells for Parkinson’s Disease, New England Journal of Medicine, Mai 2020 (Link)
5 Fujikura et al., Toward a cure for diabetes: iPSC and ESC-derived islet cell transplantation trials, Journal of Diabetes Investigation, November 2024 (Link)
6 Wu et al., Cell Therapy for Retinal Degenerative Diseases: Progress and Prospects, Pharmaceutics, Oktober 2024 (Link)
7 Sugai et al., First-in-human clinical trial of transplantation of iPSC-derived NS/PCs in subacute complete spinal cord injury: Study protocol, Regenerative Therapy, Dezember 2021 (Link)
Kurz und knapp
- iPS-Zellen können alle Zellen des menschlichen Körpers hervorbringen
- ihre Transplantation soll schwer geschädigte Organe regenerieren
- erste Studien laufen bei Blindheit, Diabetes, Parkinson und Querschnittslähmung
- iPS-Zelltherapien scheinen für die Behandelten sicher zu sein
- in Einzelfällen zeigten die Therapien eindeutige Erfolge
- die langfristige Wirksamkeit dieser Therapien ist noch nicht belegt