Abecma: CAR-T-Zelltherapie gegen Multiples Myelom

Die CAR-T-Zelltherapie Abecma kann das Multiple Myelom zurückdrängen und das Leben mancher Patienten verlängern. Abecma ist seit 2021 in der Europäischen Union zugelassen.

CAR-T-Zelltherapie Abecma

Abecma: CAR-T-Zellen gegen Myelome

Das Multiple Myelom ist eine schwere Krebserkrankung, die sich im Knochenmark ausbreitet. Trotz zahlreicher Therapieoptionen nimmt die Erkrankung häufig einen schweren Verlauf, das Risiko eines Rückfalls bleibt hoch. Die Gentherapie Abecma beruht auf CAR-T-Zellen, die den Krebsmarker BCMA erkennen. In schweren Fällen kann Abecma das Leben um mehrere Monate verlängern.

Abecma wird vom US-Konzern Bristol Myers Squibb hergestellt und ist seit März 2021 in den USA zugelassen, in der Europäischen Union seit August 20211.

Die Krankheit – Krebszellen im Knochenmark

Das Multiple Myelom wird auch als Plasmazytom oder Morbus Kahler bezeichnet. Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer krankhaften Vermehrung von Plasmazellen im Knochenmark. Plasmazellen sind eine Form von Immunzellen, die für die Produktion von Antikörpern zuständig sind2. Die Myelomzellen eines Erkrankten produzieren alle den gleichen Antikörper oder ein Bruchstück davon (Paraproteine).

Die Krankheit kann sich über viele Jahre hinweg entwickeln, ohne dass spürbare Symptome auftreten. Dabei bilden sich meist mehrere Krankheitsherde im Knochenmark. In einer späten Phase der Erkrankung stören die Krankheitsherde stören die Entstehung neuer Blut- und Immunzellen, was zu einer deutlichen Schwächung des Immunsystems führt. Häufig tritt dann eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen auf. Zusätzlich kommt es zu einem Verlust an Knochensubstanz, der zu Schmerzen und Knochenbrüchen führen kann. Weitere Symptome sind Müdigkeit, Herzrhythmusstörungen und Nierenschäden.

In Deutschland treten jährlich etwa 6500 neue Fälle von Multiplem Myelom auf, die meisten Betroffenen sind älter als 45 Jahre3. Für die Behandlung stehen zahlreiche Medikamente zur Verfügung, die aber meist das Fortschreiten der Krankheit nur verlangsamen können. Rückfälle sind sehr häufig. Erst wenn mindestens zwei Therapieversuche fehlgeschlagen sind, darf ein Multiples Myelom mit Abecma behandelt werden.

Der Nutzen – ein Teil der Patienten lebt deutlich länger

Der Nutzen von Abecma (idecabtagene vicleucel) kann noch nicht endgültig beurteilt werden. An einer ersten Studie nahmen 140 Patienten mit Multiplem Myelom teil, die mit herkömmlichen Methoden nicht mehr behandelbar waren. Abecma erwies sich dabei als wirksam. Da es in dieser Studie aber keine Kontrollgruppe gab, war der Nutzen nicht abschätzbar.

Die bisherigen Erfahrungen basieren daher vor allem auf einer weiteren Studie mit 386 Myelom-Patienten, die durchschnittlich 19 Monate Jahre lang nachverfolgt wurden4. Alle Teilnehmer der Studie hatten mehrere erfolglose Therapieversuche hinter sich. 254 Studienteilnehmer erhielten Abecma, eine Kontrollgruppe von 132 Patienten wurde mit konventionellen Therapien behandelt.

Die vorläufigen Ergebnisse der Studie lauten:

  • etwa 7 von 10 Patienten sprachen auf die Behandlung an (in der Kontrollgruppe 4 von 10)
  • bei etwa 4 von 10 Patienten ging der Krebs vollständig zurück (in der Kontrollgruppe 5 von 100)
  • im Mittel überlebten die Patienten fast 14 Monate, bevor die Krebszellen wieder zu wachsen begannen (in der Kontrollgruppe weniger als 5 Monate)
  • die Wirkung von Abecma hielt im Durchschnitt gut 16 Monate an (in der Kontrollgruppe knapp 10 Monate)

Die Überlebenskurve deutet jedoch an, dass der Krebs sein Wachstum nach spätestens 33 Monaten wieder aufnimmt. Ein Langzeitüberleben erscheint daher eher unwahrscheinlich5

Die Therapie – CAR-T-Zellen erkennen den Krebsmarker BCMA

CAR-T-Zellen sind körpereigene Immunzellen, die im Labor mit einem künstlichen Rezeptor ausgestattet werden. Dieser Rezeptor oder CAR (chimeric antigen receptor) kann Krebszellen aufspüren und zielgerichtet beseitigen. Bei Abecma richtet sich der CAR gegen den Marker BCMA, der vor allem auf den krankhaft veränderten Plasmazellen des Multiplen Myeloms zu finden ist.

Für die CAR-T-Zelltherapie werden dem Patienten zuerst Immunzellen aus dem Blut entnommen. Darunter befinden sich auch die sogenannten T-Zellen, die in einer Petrischale mit einem lentiviralen Vektor behandelt werden. Dieser Vektor transportiert den CAR gegen den Krebsmarker BCMA in die T-Zellen. Diese CAR-T-Zellen werden im Labor weiter vermehrt.

Nach etwa drei Wochen erhält der Behandelte eine kurze Chemotherapie, um einen Teil seiner Blutzellen aus dem Körper zu entfernen und so bessere Wachstumsbedingungen für die CAR-T-Zellen zu schaffen. Kurz darauf erfolgt die Infusion der im Labor erzeugten CAR-T-Zellen. Die Zellen vermehren sich im Körper und können den Krebs oft wirksam bekämpfen.

Die Nebenwirkungen – Zytokinsturm, Neurotoxizität und eine seltene Immunreaktion

Wie alle CAR-T-Zelltherapien löst auch Abecma teils schwere Nebenwirkungen aus. Fast alle Patienten müssen mit unerwünschten Folgen rechnen, im Verlauf der ersten Studie ist es auch zu mehreren Todesfällen gekommen4. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind:

  • Zytokinfreisetzungssyndrom: Die Entzündungsreaktion trat bei etwa 9 von 10 Patienten auf, bei etwa 1 von 10 nahm sie einen schweren Verlauf. Zwei Patienten verstarben an den Folgen.
  • Neurotoxizität: Störungen der Gehirnfunktion traten bei 15 von 100 Patienten auf, ein schwerer Verlauf wurde bei 3 von 100 Patienten beobachtet.
  • Zytopenie: Häufig trat auch ein länger andauernder Mangel an Blutzellen auf. Bei 5 von 10 Patienten waren die Thrombozyten betroffen, bei 4 von 10 Patienten die neutrophilen Granulozyten.
  • Hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH): Die lebensbedrohliche Entzündungsreaktion trat bei 4 von 100 Patienten auf.

Weitere häufige Nebenwirkungen sind Fieber, Übelkeit, häufige Virusinfektionen, Müdigkeit, Kopf- und Muskelschmerzen sowie ein geschwächtes Immunsystem.

Die Alternativen – nur wenige Optionen nach Rückfällen

Als erste Behandlung nach der Diagnose eines Multiplen Myelomen erfolgt meist eine hochdosierten Chemotherapie und die Transplantation körpereigener Stammzellen. Alternativ werden auch unterschiedliche Kombinationen von Zytostatika, Steroiden, Proteasom-Inhibitoren, Immunmodulatoren und monoklonale Antikörper eingesetzt6.

Die Transplantation von körperfremden Stammzellen kann eine dauerhafte Heilung bewirken, ist jedoch mit hohen Risiken und schweren körperlichen Belastungen verbunden. Eine Anwendung kommt daher nur bei jüngeren Betroffenen infrage9.

In vielen Fällen sind die konventionellen Therapien nicht wirksam oder verlieren im Laufe der Zeit ihre Wirkung. Dann bleiben den Betroffenen nur noch wenige Behandlungsoptionen. Immuntoxine und ein XPO1-Inhibitor können manchmal helfen, deren Wirkung hält jedoch meist nur wenigen Monaten an. In der Europäischen Union und den USA ist seit 2022 mit Carvykti eine zweite CAR-T-Zelltherapie zugelassen, die auf einem ähnlichen Wirkprinzip wie Abecma beruht.

Die Entwicklung – zehn Jahre und drei Firmen

Die Entwicklungszeit von Abecma betrug knapp zehn Jahre. Der lentivirale Vektor, der den CAR in die Immunzellen einschleust, stammt von der US-Firma Bluebird bio. Die klinischen Studien erfolgten dann in Zusammenarbeit mit dem US-Konzern Celgene. Celgene wurde im Jahr 2019 vom US-Pharmariesen Bristol Myers Squibb aufgekauft, der nun als Hersteller geführt wird und die Vermarktung übernimmt.

Die Kosten – in Deutschland 240 000 €

Eine Behandlung mit Abecma kostet in Deutschland etwa 240 000 Euro7. Die Therapie ist grundsätzlich als Einmalbehandlung vorgesehen, in der ersten Studie erhielten jedoch etwa 20 Prozent der Behandelten eine zweite Infusion. Die Kosten der Behandlung würden sich damit verdoppeln. Unter diesen Umständen hat das unabhängige Institute for Clinical and Economic Review (ICER) den Preis als zu hoch kritisiert und vorgeschlagen, den Preis auf etwa die Hälfte zu reduzieren8.

Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel gibt den aktuellen Stand des Wissens wieder. Er enthält jedoch nur allgemeine Hinweise, die nicht für eine Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung geeignet sind. Einen Arztbesuch kann er auf keinen Fall ersetzen.

1 European Medicines Agency (EMA), Abecma (Idecabtagen Vicleucel): Übersicht über Abecma und warum es in der EU zugelassen ist, EMA/116132/2024, Stand März 2024 (Link)
2 Myelom-Gruppe Rhein-Main, Was ist das Multiple Myelom/Plasmozytom?, Webseite, abgerufen Juni 2024 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Zentrum für Krebsregisterdaten, Krebs in Deutschland 2017/2018 - Multiples Myelom, Robert Koch-Institut (Hrsg) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg), Stand November 2021 (Link)
4 Rodriguez-Otero et al., Ide-cel or Standard Regimens in Relapsed and Refractory Multiple Myeloma, New England Journal of Medicine, März 2023 (Link)
5 Deutsches Ärzteblatt,Multiples Myelom: CAR-T-Zelltherapie verlängert progressionsfreies Überleben, Februar 2023 (Link)
6 Leitlinienprogramm Onkologie, S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) oder Multiplem Myelom, Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF, Februar 2022 (Link)
7 Charité Berlin, Entgelttarif für Krankenhäuser im Anwendungsbereich des KHEntgG und der BPflV, Stand Januar 2024 (Link)
8 N. Pagliarulo, New CAR-T therapy from Bristol , Bluebird effective but too costly , ICER finds, BioPharmaDive, April 2021 (Link)
9 Myelom-Gruppe Rhein-Main, Therapiemöglichkeiten zum Multiplen Myelom/Plasmozytom, Webseite, abgerufen Juni 2024 (Link)

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Kurz und knapp

  • die Gentherapie Abecma (idecabtagene vicleucel) nutzt CAR-T-Zellen für die Behandlung des Multiplen Myeloms
  • bei etwa 4 von 10 Behandelten geht der Krebs anfangs vollständig zurück
  • viele Behandelte können mit einer deutlich verlängerten Überlebenszeit rechnen
  • eine langfristige Heilung erscheint nach bisherigem Wissensstand unwahrscheinlich
  • zu den Nebenwirkungen gehören der Zytokinsturm, Neurotoxizität und eine seltene Entzündungsreaktion
  • seit August 2021 ist Abecma in der Europäischen Union zugelassen
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