CAR-T-Zellen erzeugen einen Zytokinsturm

Zu den schweren Nebenwirkungen von CAR-T-Zelltherapien zählt eine lebensgefährliche Überreaktion des Immunsystems. Forscher suchen nach Wegen, dieses Zytokinfreisetzungs-Syndrom zu unterdrücken.

Zytokinsturm und CAR-T-Zellen

CAR-T-Zellen verursachen Zytokinsturm

Neue Krebstherapien nutzen körpereigene Immunzellen, die mit Hilfe eines künstlichen Rezeptors gefährliche Krebszellen aufspüren. Bei den Immunzellen handelt es sich um T-Zellen, der Rezeptor wird CAR (chimeric antigen receptor) genannt1. Finden diese CAR-T-Zellen ihr Ziel, locken sie mithilfe von Botenstoffen weitere Immunzellen zur Verstärkung an. Zu den wichtigsten Botenstoffen gehören kleinere Proteine, die unter dem Begriff Zytokine zusammengefasst werden.

Zytokine bündeln die Kräfte des Immunsystems im Kampf gegen Krebs, doch sie bergen auch eine Gefahr: Werden sehr viele CAR-T-Zellen gleichzeitig aktiviert,kann ein Übermaß an Botenstoffen im Körper freigesetzt werden. Ärzte bezeichnen dies als Zytokinfreisetzungs-Syndrom oder – bei sehr schwerem Verlauf – auch als Zytokinsturm2. Diese massive Entzündungsreaktion trifft viele Organe im ganzen Körper und verläuft im schlimmsten Fall tödlich.

Ein Übermaß an Zytokinen

An dem Zytokinfreisetzungs-Syndrom sind viele Botenstoffe und Immunzellen beteiligt3, doch entscheidend für den Verlauf ist vermutlich nur ein kleiner Teil von ihnen. Den Anfang machen die CAR-T-Zellen selbst: Werden sie durch den Kontakt mit Krebszellen aktiviert, setzen sie rasch große Mengen des Zytokins Interferon-γ (IFN-γ) frei. IFN-γ aktiviert zahlreiche Körperzellen und Gewebe, darunter auch eine Gruppe von Immunzellen, die Makrophagen genannt wird.

Makrophagen produzieren zahlreiche Zytokine, darunter auch die beiden Entzündungsfaktoren Interleukin-1 (IL-1) und Interleukin-6 (IL-6). Vor allem das IL-6 spielt bei den Schäden des Zytokinsturms eine große Rolle, da es in fast jeder Körperzelle entzündliche Reaktionen hervorrufen kann4.

Von Fieber bis zum Organversagen

Die Folgen eines Zytokinsturms machen sich innerhalb weniger Stunden oder Tage bemerkbar. Das erste Anzeichen ist meist hohes Fieber, gefolgt von Müdigkeit, Übelkeit, Durchfall und Herz-Kreislauf-Störungen5. Diese noch relativ milden Symptome werden auf einer medizinischen Skala, die die Schwere der Nebenwirkungen kennzeichnet, als Grad 1 bis 2 eingeordnet.

In vielen Patienten verstärkt sich der Zytokinsturm jedoch weiter und ruft teils lebensbedrohliche Komplikationen hervor (Grad 3 und 4). Eine zentrale Rolle spielt dabei die Wirkung des Zytokins IL-6 auf die Endothelzellen, die das Innere der Blutgefäße auskleiden. Eine Entzündungsreaktion dieser Gefäßzellen hat weitreichende Folgen6: Kleine Blutgerinnsel entstehen, Flüssigkeit tritt aus den Gefäßen in das Gewebe über, der Blutdruck sinkt.

Die Funktion des Herzens wird stark beeinträchtigt, auch bei anderen Organen wie Nieren und Darm droht ein Ausfall. Eine Störung der Hirnfunktion, neben dem Zytokinsturm eine weitere schwere Nebenwirkung von CAR-T-Zellen, könnte ebenfalls mit den entzündeten Gefäße zusammenhängen4. Im schlimmsten Fall tritt der Tod durch das Versagen eines oder mehrerer Körperorgane ein (Grad 5).

Die Häufigkeit dieser Nebenwirkungen wurde bei CAR-T-Zelltherapien bestimmt, die Lymphome oder Leukämien über den Krebsmarker CD19 bekämpfen. Die Analysen von neun klinischen Studien mit CD19-CAR-T-Zellen, an denen insgesamt 387 Patienten teilnahmen, belegen das hohe Risiko5: Acht von zehn behandelten Patienten erlitten Nebenwirkungen von Grad 1 oder 2, fünf von zehn sogar schwere Komplikationen von Grad 3 und 4. Zwei Patienten verstarben.

Blockade des Zytokins IL-6

Diesem Risiko sehen sich auch alle Patienten gegenüber, die mit den CAR-T-Zelltherapien Kymriah und Yescarta behandelt werden. Allerdings haben die Ärzte mittlerweile mehr Erfahrung gewonnen und können auf neue Medikamente zurückgreifen. Todesfälle traten daher in letzter Zeit so gut wie nicht mehr auf: Die meisten Betroffenen überstehen das Zytokinfreisetzungs-Syndrom gut und erholen sich in der Regel wieder vollständig.

Als wirksame Therapie hat sich vor allem der Wirkstoff Tocilizumab erwiesen, der die Wirkung des Zytokins IL-6 hemmt. Er hilft meist innerhalb weniger Stunden, ohne die Wirkung der CAR-T-Zellen zu beeinträchtigen. Tocilizumab ist seit 2018 in der EU zugelassen und wird vor allem bei schweren Nebenwirkungen angewendet6. Eine weitere Option könnte in Zukunft der Wirkstoff Anakinra sein, der das Zytokin IL-1 blockiert5.

Wenn die Patienten nicht auf Tocilizumab ansprechen, müssen Ärzte auf den Einsatz von Kortikosteroiden zurückgreifen. Diese Medikamente hemmen die Aktivität des gesamten Immunsystems, mit unerwünschten Folgen: Die Wirksamkeit und das Überleben der CAR-T-Zellen wird vermindert, die Anfälligkeit für Infektionen hingegen erhöht5. Kortikosteroide sind daher in der Regel nur das Mittel der letzten Wahl.

CAR-T-Zellen mit steuerbarer Aktivität

Bei den bislang zugelassenen Therapien fällt es sehr schwer, überaktive CAR-T-Zellen im Körper des Patienten wieder in ihre Schranken zu weisen. Forscher arbeiten daher an neuen Versionen des CAR-Moleküls1. Eine Möglichkeit wäre der Einbau von "Selbstmord-Schaltern" oder Kill Switches: Bei Problemen nimmt der Patient einen Wirkstoff ein, der in den CAR-T-Zellen einen selbstzerstörerischen Prozess auslöst. Bei anderen Varianten des CAR-Moleküls werden die Zellen erst nach Zugabe eines Wirkstoffs aktiv – bei Bedarf können sie auch rasch wieder abgeschaltet werden. Wann diese Ansätze allerdings einsatzbereit sind, ist noch unklar.

Ärzte hoffen, dass CAR-T-Zellen in Zukunft weitere Arten von Krebs bekämpfen können. Eine wichtige Voraussetzung ist jedoch, dass die Nebenwirkungen besser unter Kontrolle gebracht werden – allen voran das Zytokinfreisetzungs-Syndrom. Falls dies gelingt, wäre auch die Behandlung von Tumoren in festen Geweben wie Brust oder Lunge einen großen Schritt näher gerückt.

1 Labanieh und Mackall, CAR immune cells: design principles, resistance and the next generation, Nature, Februar 2023 (Link)
2 Morris et al., Cytokine release syndrome and associated neurotoxicity in cancer immunotherapy, Nature Reviews Immunology, Februar 2022 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Fajgenbaum und June, Cytokine Storm, New England Journal of Medicine, Dezember 2020 (Link)
4 Shimabukuro-Vornhagen et al., Cytokine release syndrome, Journal for ImmunoTherapy of Cancer, Juni 2018 (Link)
5 Thakar et al., Controlling Cytokine Release Syndrome to Harness the Full Potential of CAR-Based Cellular Therapy, Frontiers in Oncology, Januar 2020 (Link)
6 Borrega et al., In the Eye of the Storm: Immune-mediated Toxicities Associated With CAR-T Cell Therapy, HemaSphere, April 2019 (Link)

Zytokinsturm und CAR-T-Zellen

CAR-T-Zellen verursachen Zytokinsturm
In vielen Patienten lösen CAR-T-Zellen eine gefährliche Überreaktion des Immunsystems aus.

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Kurz und knapp

  • CAR-T-Zellen setzen Botenstoffen oder Zytokinen frei, um andere Immunzellen anzulocken
  • ein Übermaß an Zytokinen – ein Zytokinsturm – verbreitet die Entzündung im ganzen Körper
  • der Zytokinsturm kann die Funktion lebenswichtiger Organe stören
  • die Hemmung des Zytokins IL-6 ist oft ein wirksames Gegenmittel
  • neue Versionen des CAR-Moleküls sollen einen Zytokinsturm vermeiden
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