CAR – ein Rezeptor aus dem Baukasten

Ein künstliches Signalmolekül hilft Immunzellen bei der Abwehr von Krebs: Der chimeric antigen receptor (CAR) kombiniert Bausteine, die aus natürlichen Proteinen stammen.

Drei Generationen von CAR

Der CAR besteht aus mehreren unterschiedlichen Modulen

Das Immunsystem ist eine mächtige Waffe im Kampf gegen Krebs. Doch manchmal verliert es das Ziel aus den Augen – der Tumor wird beinahe unsichtbar. Wo natürliche Mechanismen ins Leere laufen, fanden Forscher einen Ausweg: Sie konstruierten einen künstlichen Rezeptor, der die Immunzellen zurück auf die Spur der Krebszellen führt1,2.

Dieser Rezeptor – bekannt über die Abkürzung CAR – wird in die T-Zellen des Immunsystems eingebaut. Die so entstandenen Zellen – nun CAR-T-Zellen genannt – können wirksam gegen Blut- und Lymphdrüsenkrebs vorgehen: Etwa 1 von 2 Behandelten gewinnt viele zusätzliche Lebensjahre. Gegenüber älteren Therapieformen ist das oft ein deutlicher Fortschritt. Der Ansatz ist nun ein fester Teil der Medizin: In Europa sind mittlerweile sechs CAR-T-Zelltherapien zugelassen.

Wandelbar wie die Chimäre

Der CAR ist ein künstliches Molekül oder Rezeptor, der auf natürlichen Vorlagen basiert. Wie die mythische Chimäre, ein aus vielen Tieren zusammengesetztes Fabelwesen, vereint dieser Rezeptor Eigenschaften, die die Natur auf unterschiedliche Proteine verteilt hat. Die vollständige englische Bezeichnung spielt daher auch auf dieses Fabelwesen an – chimeric antigen receptor.

Ein CAR ist flexibel: Forscher suchen sich gewünschte Eigenschaften aus dem Immunsystem zusammen, um diese dann wie Bausteine aus dem Steckkasten zu kombinieren. Mindestens drei Bausteine oder Module bilden das Grundgerüst eines CAR. Das erste dient zum Aufspüren des Tumors – es erkennt die Oberfläche von Krebszellen und heftet sich fest daran an. Dieses Erkennungsmodul war ursprünglich Teil eines Antikörpers, den das Immunsystem als natürliche Abwehr gegen den Krebs hervorgebracht hat.

Ein CAR aktiviert T-Zellen

Das zweite Modul verankert den CAR in der Membran von Immunzellen. Diese sogenannte Transmembrandomäne sorgt auch für die richtige Orientierung der Module: Das Erkennungsmodul zeigt nach außen, wobei ein kurzer Abstandshalter die richtige Distanz zu den Krebszellen einstellt.

Das dritte Modul befindet sich im Inneren der Zelle. Es ist abgeleitet von dem Signalmolekül CD3ζ, das die T-Zellen des Immunsystems aktivieren kann: Diese spielen eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung von Erregern – und von Krebs.

Um seine Wirkung zu entfalten, muss der CAR in die T-Zellen eines Krebspatienten eingeschleust werden. Dies erfolgt mit Hilfe von viralen Vektoren, eine Methode, die in der Gentherapie weite Anwendung findet. Am Ende entstehen die CAR-T-Zellen, die über das Erkennungsmodul des Rezeptors an den Krebs andocken und über das Signalmodul aktiviert werden.

Drei Generationen von CAR-T-Zellen

Diese Grundversion des CAR – heute als erste Generation bezeichnet – erwies sich in Labortests als äußerst wirksam. Mit großen Hoffnungen wurde er im Jahr 2008 erstmals am Menschen getestet – und enttäuschte auf ganzer Linie. Die CAR-T-Zellen überlebten nicht lange im Körper der Patienten, im Kampf gegen den Krebs erwiesen sie sich als wirkungslos. Offenkundig fehlte noch eine wichtige Komponente.

Forscher erweiterten den Rezeptor daher um ein weiteres Modul. Das Signal über CD3ζ aktiviert die T-Zellen oftmals nicht vollständig – ein zweites, sogenanntes kostimulatorisches Signal gibt dann den entscheidenden Impuls. Und so enthielt der Rezeptor nun zwei Signalmodule: Neben CD3ζ auch eines aus dem kostimulatorischen Molekül CD28. Drei Studien testeten diesen CAR der zweiten Generation im Jahr 2011 – und erzielten erstmals überzeugende Erfolge3.

Noch eine Reihe weiterer Module wurden seitdem für den CAR getestet. Kostimulatorische Moleküle haben unterschiedliche Auswirkungen auf das Verhalten der T-Zellen: Während der Rezeptor CD28 eine rasche Vermehrung begünstigt, kann der Rezeptor 4-1BB das langfristige Überleben erleichtern. Um diese Eigenschaften zu vereinen, werden manche Rezeptoren nun mit zwei kostimulatorischen Modulen ausgestattet – bekannt als dritte Generation des CAR.

Neue CAR-Varianten in der Entwicklung

Doch auch die dritte CAR-Generation stößt an ihre Grenzen: CAR-T-Zelltherapien haben sich bisher nur bei eher seltenen Krebsformen als wirksam erwiesen. Und die Nebenwirkungen sind so stark, dass ein Teil der Patienten auf der Intensivstation behandelt werden muss4.

Die Entwicklung des CAR geht also weiter. Forscher versuchen auf unterschiedlichen Wegen, die Probleme der Wirksamkeit und Sicherheit in den Griff zu bekommen5.

Immunevasion verhindern

Manchmal verlieren Krebszellen das Antigen, das den CAR-T-Zellen als Andockstelle dient – sie werden dann für das Immunsystem wieder unsichtbar. Dieser Vorgang wird Immunevasion genannt. Forscher testen daher CAR-T-Zelltherapien, die sich gegen zwei unterschiedliche Antigene richten. Dazu werden entweder zwei unterschiedliche Arten von CAR-T-Zellen erzeugt oder die T-Zellen werden mit zwei unterschiedlichen CARs ausgestattet.

Erste Tests deuten an, dass diese Therapieansätze sicher und möglicherweise auch wirksamer sind. Allerdings sind der Aufwand und die Kosten ebenfalls deutlich höher.

Überleben und Aktivität der CAR-T-Zellen verbessern

Manchmal verlieren die CAR-T-Zellen im Laufe der Zeit ihre Wirksamkeit. Eine Ursache kann der Tumor sein, der die Immunantwort aktiv hemmen kann. Oder die CAR-T-Zellen geraten in einen Zustand der „Erschöpfung‟: Sie sind kaum noch aktiv und vermehren sich fast gar nicht mehr.

Diesen Aktivitätsverlust wollen Forscher auf verschiedenen Wegen aufhalten. So werden genetische und epigenetische Steuerungsmechanismen in den T-Zellen verändert. Oder es werden zusätzliche Aktivierungssignale in den CAR eingebaut. Die meisten dieser Ansätze befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Ein Ansatz wird jedoch bereits am Menschen erprobt: Die Genschere CRISPR/Cas konnte den Immuncheckpoint PD-1 ausschalten, um eine Hemmung durch den Tumor zu verhindern.

Wirkung des CAR gezielt steuern

Immunzellen verfügen über ausgeklügelte Signal- und Kontrollmechanismen, die ihre Aktivität steuern. Auch der CAR wird Teil dieses komplexen Systems, wenn er in die T-Zellen eingebaut wird. Forscher können das Signalsystem so verändern, dass die Aktivität des CAR beeinflusst werden kann. Ein Beispiel sind so genannte „Kill Switches‟, die beim Auftreten von schweren Nebenwirkungen helfen sollen: Der Betroffene nimmt dann einen Wirkstoff ein, der gezielt die CAR-T-Zellen anspricht und sie zum Absterben bringt.

1 Abrantes et al., CAR-Ts: new perspectives in cancer therapy, FEBS Letters, Januar 2022 (Link)
2 Singh und McGuirk, CAR T cells: continuation in a revolution of immunotherapy, Lancet, März 2020 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Oluwole und Davila, At The Bedside: Clinical review of chimeric antigen receptor (CAR) T cell therapy for B cell malignancies, Journal of Leukocyte Biology, September 2016 (Link)
4 Morris et al., Cytokine release syndrome and associated neurotoxicity in cancer immunotherapy, Nature Reviews Immunology, Februar 2022 (Link)
5 Labanieh und Mackall, CAR immune cells: design principles, resistance and the next generation, Nature, Februar 2023 (Link)

Drei Generationen von CAR

Der CAR besteht aus mehreren unterschiedlichen Modulen
Die erste Generation des CAR bestand aus drei Modulen, in der Folge kamen neue Signaleinheiten dazu.

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Kurz und knapp

  • CAR ist die Abkürzung für chimeric antigen receptor
  • ein CAR hilft Immunzellen, Krebs zu erkennen und zu bekämpfen
  • ein CAR enthält mindestens drei Module, die von natürlichen Proteinen stammen
  • das Erkennungsmodul dockt an Krebszellen an und nutzt dafür ein Fragment von natürlichen Antikörpern
  • Signalmodule nutzen unterschiedliche Signalmoleküle, um die CAR-T-Zellen zu aktivieren
  • das Bauprinzip des CAR ermöglicht die flexible Kombination von unterschiedlichen Modulen
  • CAR-T-Zellen konnten ihre Wirksamkeit bislang nur bei Blutkrebs nachweisen
  • Forschern entwickeln neue CAR-Varianten, die auch die Therapie weiterer Krebsarten ermöglichen sollen
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