Elevidys – Gentherapie gegen Duchenne Muskeldystrophie
Elevidys soll Kindern helfen, die an einer erblichen Muskelschwäche leiden. In einer größeren Studie hat die Gentherapie ihr Hauptziel jedoch verfehlt.
Die Duchenne Muskeldystrophie löst einen fortschreitenden Muskelschwund aus, der oft bereits im Kleinkindalter einsetzt. Die Behandlung beschränkt sich bislang auf die Linderung der Symptome, eine Heilung ist nicht möglich. Die US-Firma Sarepta hat eine Therapie entwickelt, die mit Hilfe eines künstlichen Proteins den Muskelschwund aufhalten soll.
Klinische Studien konnten bisher nicht eindeutig belegen, dass Elvedys die körperliche Entwicklung der Kinder fördert. Dennoch hat die US-Arzneimittelbehörde die Gentherapie im Juni 2023 zugelassen1. Eine Zulassung in der Europäischen Union ist noch nicht absehbar.
Die Krankheit – fortschreitender Muskelschwund
Die Duchenne Muskeldystrophie (DMD) ist eine seltene Erbkrankheit, in deren Verlauf es zu einem langsamen Abbau der Muskulatur kommt2. Die Ursache ist ein Mangel des Proteins Dystrophin, das normalerweise die Zellmembranen der Muskelfasern stabilisiert. Zahlreiche unterschiedliche Gendefekte können den Dystrophin-Mangel hervorrufen. Das Dystrophin-Gen liegt auf dem X-Chromosom, daher tritt die Krankheit fast ausschließlich bei Jungen auf. Etwa 1 von 3500 männlichen Neugeborenen ist von DMD betroffen.
Die ersten Symptome der DMD machen sich meist im Alter von zwei bis sechs Jahren bemerkbar. In der Regel bildet sich zuerst die Muskulatur von Becken und Oberschenkeln zurück. Viele Betrofffene verlieren innerhalb weniger Jahre die Fähigkeit, ohne Hilfe zu gehen. In späteren Stadien sind häufig auch die Atem- und Herzmuskulatur betroffen, mit oft lebensbedrohlichen Folgen. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Menschen mit DMD liegt heute bei etwa 35 Jahren.
Der Nutzen – noch nicht nachgewiesen
Eine Studie mit 125 Kindern konnte die Wirksamkeit von Elevidys (Delandistrogene Moxeparvovec) nicht eindeutig nachweisen. Das Hauptziel der Studie war eine deutliche Verbesserung des NSAA-Scores: Dieser weit verbreitete Test bewertet 17 verschiedene motorische Fähigkeiten bei heranwachsenden Kindern.
Bei Anwendung von Elevidys betrug die Verbesserung nach 52 Wochen 2,6 Punkte, in einer Kontrollgruppe 1,9 Punkte. Der Unterschied zwischen Therapie- und Kontrollgruppe war statistisch nicht signifikant – er könnte auch rein zufällig zustande gekommen sein. Damit hat die Studie ihr Hauptziel nicht erreicht3.
Kleinere Fortschritte gab es lediglich bei zwei nachgeordneten Zielen:
- Behandelte Kinder benötigten durchschnittlich 0,64 Sekunden weniger, um aus dem Liegen aufzustehen.
- Behandelte Kinder konnten eine Strecke von 10 Metern durchschnittlich 0,42 Sekunden schneller zurücklegen.
Die Therapie – verkürzte Version eines natürlichen Gens
Zur Behandlung von DMD wird eine verkürzte Version des Dystrophin-Gens eingesetzt: Die natürliche Variante des Gens ist zu groß, um in eine der gängigen Genfähren zu passen. Forscher entwickelten daher ein Mikro-Dystrophin, dessen Länge auf etwa ein Drittel reduziert wurde. Dieses künstliche Gen kann mit einer AAV-Genfähre in Körperzellen eingeschleust werden.
Die Nebenwirkungen – meist mild
Die Nebenwirkungen von Elevidys blieben meist mild. Am häufigsten können Erbrechen, Übelkeit, Fieber und ein Mangel an Blutplättchen auftreten. In seltenen Fällen wurden jedoch akute Leberschäden und Herzmuskelentzündungen beobachtet. In zwei Fällen kam es zu einer schweren Entzündung der Skelettmuskulatur (Myositis): Diese möglicherweise lebensbedrohliche Nebenwirkung trat jedoch nur auf, wenn die Erkrankung durch bestimmte Mutationen im Dystrophin-Gen verursacht wurde.
Die Alternativen – Langzeitbeatmung und experimentelle Medikamente
DMD ist nicht heilbar, die Behandlung konzentrierte sich bislang meist auf die Linderung der Symptome. Die Einführung der Langzeitbeatmung konnte die Lebenserwartung deutlich verlängern und zusätzlich die Lebensqualität verbessern. Weiterhin wird versucht, die Muskelkraft so lange wie möglich zu erhalten und Herzprobleme zu behandeln.
Seit einigen Jahren sind in den USA Medikamente erhältlich, die die Herstellung des körpereigenen Dystrophin-Moleküls unterstützen sollen. Dabei wird das Ablesen der defekten Genabschnitte verhindert („exon skipping‟) und ein Protein erzeugt, das zumindest einen Teil der natürlichen Funktionen übernehmen soll. Die Wirksamkeit dieser Medikamente ist jedoch noch nicht nachgewiesen, in der Europäischen Union sind sie daher nicht zugelassen.
Die Entwicklung – umstrittene Zulassung
Elevidys wurde von der Firma Sarepta Therapeutics mit Sitz in Cambridge, USA entwickelt. Bisher wurden mehrere klinische Studien durchgeführt, in denen etwa 85 Kinder mit DMD behandelt wurden. Eindeutige Ergebnisse zur Wirksamkeit liegen jedoch noch nicht vor.
Im Juni 2023 wurde Elevidys für den US-Markt zugelassen4. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte zuvor eine Expertenkommission angehört, in der sich mehrere Teilnehmer kritisch zur Wirksamkeit von Elevidys geäußert hatten. Berichten zufolge erfolgte die Zulassung nur, weil sich der Leiter der FDA ausdrücklich dafür eingesetzt hatte5. Sarepta Therapeutics ist jedoch verpflichtet, die Wirksamkeit von Elevidys in einer weiteren Studie nachzuweisen.
Die Kosten – 3,2 Millionen US-Dollar
In den USA soll Elevidys voraussichtlich 3,2 Millionen US-Dollar kosten.
2 Universitätsspital Zürich, Duchenne Muskeldystrophie, Webseite, abgerufen Juli 2023 (Link)
alle Referenzen anzeigen
3 Deutsches Ärzteblatt, Duchenne-Muskeldystrophie: Gentherapie bleibt hinter Erwartungen zurück, November 2023 (Link)4 U.S. Food and Drug Administration (FDA), FDA Approves First Gene Therapy for Treatment of Certain Patients with Duchenne Muscular Dystrophy, Pressemitteilung, Juni 2023 (Link)
5 B, Fidler, Top FDA official overruled review team in approval of Sarepta’s Duchenne gene therapy, BioPharma Dive, Juni 2023 (Link)
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Kurz und knapp
- die Duchenne Muskeldystrophie (DMD) beruht auf einem Defekt in dem Gen für Dystrophin
- DMD führt zu einem forschreitendem Muskelschwund, der bereits im Kindesalter einsetzt
- die Gentherapie Elevidys (Delandistrogene Moxeparvovec) transportiert eine verkürzte Version des Dystrophin-Gens in Körperzellen
- die Wirksamkeit von Elevidys ist noch nicht bewiesen
- die Nebenwirkungen sind meist mild