Hemgenix: Gentherapie gegen Hämophilie B

Die Gentherapie Hemgenix kann einen Mangel am Gerinnungsfaktor IX ausgleichen: Das Blutungsrisiko sinkt deutlich und regelmäßige Substitutionstherapien werden meist überflüssig.

Gentherapie gegen Hämophilie

Hemgenix ersetzt ein fehlendes Gen für Faktor IX und behandelt die erbliche Gerinnungsstörung Hämophilie B

Die Hämophilie B ist eine eher seltene Gerinnungsstörung, die auf einem Faktor-IX-Mangel beruht. Firmen aus den Niederlanden und den USA haben gemeinsam die Gentherapie Hemgenix entwickelt, die in ersten Studien die Zahl der Blutungsepisoden deutlich verringern konnte.

In den USA ist Hemgenix seit November 2022 zugelassen, in der EU seit Februar 20231.

Die Krankheit – erhöhtes Blutungsrisiko

Kennzeichen der Hämophilie B ist ein Mangel an dem Gerinnungsfaktor IX. Erkrankte leiden unter einer erhöhten Blutungsneigung und schlechten Wundheilung2. Vermehrt treten auch innere Blutungen auf, häufig in den Gelenken, Muskeln und inneren Organen. Die Häufigkeit und Schwere der Blutungen kann je nach Betroffenem stark schwanken. Eine andere Variante der Erkrankung, die häufigere Hämophilie A, zeigt ähnliche Symptome, verläuft aber oft schwerer.

Die Ursache der Hämophilie B ist ein genetischer Defekt in dem Gerinnungsfaktor IX. Der Defekt kann spontan entstehen, wird aber meist von der Mutter über das X-Chromosom vererbt. Die Gerinnungsstörung beeinträchtigt daher vor allem Männer. Etwa 1 von 25 000 männlichen Geburten ist betroffen.

Die Therapie – Leberzellen produzieren Gerinnungsfaktor

Die Gentherapie Hemgenix (etranacogene dezaparvovec) schleust ein funktionsfähiges Gen für den Gerinnungsfaktor IX in Leberzellen ein3. Als Genfähre dient ein AAV-Vektor. Bei dem eingeschleusten Gen handelt es sich um die sogenannte Padua-Variante, die bis zu achtmal aktiver ist als der natürliche Faktor IX. Die Leberzellen nutzen das eingeschleuste Gen, um den Gerinnungsfaktor zu produzieren und in das Blut auszuschütten.

Der Nutzen – prophylaktische Therapie wird meist überflüssig

Bislang haben zwei Studien die Wirksamkeit von Hemgenix untersucht. Die größere dieser Studien behandelte 54 erwachsene Männer, die unter einer schweren oder gemäßigt schweren Form der Hämophilie B litten4. Vor der Behandlung konnte der Körper der Betroffenen maximal 2 % der normalen Faktor-IX-Aktivität produzieren. 18 Monate nach der Behandlung stieg die Faktor-IX-Aktivität auf durchschnittlich etwa 34 % an.

Zudem nahm die Zahl der Blutungen um etwa 60 % ab: Vor der Behandlungen erlitten die Betroffenen durchschnittlich 4,2 Blutungen pro Jahr, 7 bis 18 Monate nach der Behandlung waren es nur 1,5 Blutungen pro Jahr. 51 der 54 Behandelten konnten daraufhin die regelmäßige Prophylaxe mit Faktor IX beenden. Bei einzelnen Patienten blieb die Wirkung bis zu 5 Jahre lang erhalten (die bislang längste Beobachtungsdauer).

Die Nebenwirkungen – erhöhte Leberwerte

Die Nebenwirkungen von Hemgenix blieben meist vergleichsweise mild. Einige Patienten zeigten erhöhte Leberwerte. Häufig traten auch Kopfschmerzen, grippeähnliche Symptome und Reaktionen auf die Infusion auf.

Die Alternativen – Substitutionstherapie mit Faktor IX

Die Ursache der Hämophilie B kann nur mit einer Gentherapie behandelt werden. Alternativ ist ein Ersatz des fehlenden Gerinnungsfaktors mit einer Faktor-IX-Substitutionstherapie möglich2. In schweren Fällen muss diese prophylaktische Therapie ein- bis zweimal in der Woche erfolgen. In Deutschland betragen die jährlichen Kosten dieser Substitutionstherapie pro Patient ungefähr 240 000 €7.

Möglich ist auch die Gabe von blut- und schmerzstillenden Medikamenten. Zur Linderung der Symptome können auch eine Krankengymnastik, orthopädische Betreuung und psychosoziale Unterstützung beitragen.

Die Entwicklung – Start durch niederländische Firma

Ursprünglich wurde Hemgenix von der niederländischen Firma uniQure entwickelt, die mit Glybera auch die erste Gentherapie der westlichen Welt auf den Markt gebracht hatte. Im Laufe der klinischen Studien von Hemgenix stieg die US-Firma CSL Behring als Partner ein. Für die Vermarktung ist CSL Behring allein verantwortlich.

Im November 2022 wurde Hemgenix in den USA zugelassen5. Die Zulassung für Europa erfolgte im Februar 2023.

Die Kosten – in den USA 3,5 Millionen US-Dollar

In den USA wurde der Preis für Hemgenix auf 3,5 Millionen US-Dollar festgesetzt. Über die voraussichtlichen Kosten in Europa ist noch nichts bekannt.

1 European Medicines Agency (EMA), Hemgenix (Etranacogen dezaparvovec) - Übersicht und warum es in der EU zugelassen ist, EMA/23299/2023, Februar 2023 (Link)
2 Tallen et al., Hämophilie A und B, kinderblutkrankheiten.de, Stand Dezember 2021 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Deutsches Ärzteblatt, Gentherapie der Hämophilie B in den USA zugelassen, November 2022 (Link)
4 Pipe et al., Gene Therapy with Etranacogene Dezaparvovec for Hemophilia B, The New England Journal of Medicine, Februar 2023 (Link)
5 K. Dunleavy, ASH: CSL, uniQure's gene therapy Hemgenix shows durable protection in hemophilia B, Fierce Pharma, Dezember 2022 (Link)
6 Federal Drug Agency, FDA Approves First Gene Therapy to Treat Adults with Hemophilia B, Pressemitteilung, November 2022 (Link)
7 N. Schmitt, Gentherapie der Hämophilie - Medizinisch ökonomische Analyse der AMNOG Preisverhandlungen, ePaper, BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung , Februar 2023 (Link)

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Hemgenix ersetzt ein fehlendes Gen für Faktor IX und behandelt die erbliche Gerinnungsstörung Hämophilie B
Die Gentherapie Hemgenix ist seit 2023 in der EU zugelassen.

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Kurz und knapp

  • die Gentherapie Hemgenix lindert die Erbkrankheit Hämophilie B
  • eine Genfähre schleust dazu ein aktives Faktor-IX-Gen in Leberzellen ein
  • in ersten Studie wurde das Blutungsrisiko gesenkt, andere Therapien wurden oft überflüssig
  • die Nebenwirkungen blieben vergleichsweise mild
  • in der EU ist Hemgenix seit Februar 2023 zugelassen
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