Genscheren gegen AIDS und Blutkrebs

Genscheren sollen das Erbgut von Immunzellen verändern, um den HI-Virus abzuwehren oder die Wirksamkeit von CAR-T-Zelltherapien zu erhöhen.

Genscheren gegen HIV

Genscheren schneiden CCR5 und verhindern den Eintritt von HIV

Kleine Eingriffe in das Immunsystem können große Auswirkungen haben. Dies macht den Einsatz von Genscheren so interessant: Eine gezielte Veränderung im Erbgut kann Infektionen verhindern1 oder Krebserkrankungen zurückdrängen2. So verwundert es nicht, dass an Immunzellen die ersten medizinischen Anwendungen von Genscheren getestet wurden.

HIV den Eintritt verwehren

Das Molekül CCR5 spielt eine zentrale Rolle bei AIDS: Viele Formen von HIV-1 können nur in Immunzellen eindringen, wenn der Rezeptor CCR5 als Eintrittspforte dient. Menschen, die einen natürlichen Mangel an CCR5 zeigen, sind daher vor einer Infektion geschützt. Im Jahr 2007 konnte in Berlin sogar ein Mensch von AIDS geheilt werden, als er eine Stammzelltransplantation mit Zellen erhielt, die kein CCR5 aufwiesen. Schon früh entwickelte sich daher die Idee, das Gen für CCR5 gezielt mit Genscheren auszuschalten.

Die US-Firma Sangamo Therapeutics hatte bereits im Jahr 2009 mit den ersten Studien begonnen3. Deren Ablauf war kompliziert: Ärzte isolierten bestimmte Immunzellen aus dem Patienten, veränderten sie mit der Genschere ZFN im Labor und gaben sie dann in den Körper zurück. Bei gut 50 Erkrankten hatte dieser Eingriff das Virus in den ersten Monaten anscheinend zurückgedrängt. Doch die Wirkung war in der Regel nicht von Dauer: Nach gut drei Jahren waren die veränderten Zellen kaum noch nachweisbar. Sangamo hat daher beschlossen, diesen Ansatz nicht weiter zu verfolgen.

Im Jahr 2018 kam die Genschere CRISPR/Cas zum Einsatz, als ein junger AIDS-Kranker in China eine Stammzelltransplantation benötigte. Forscher der Universität Peking haben versucht, das Gen für CCR5 vor der Transplantation auszuschalten – waren dabei aber wenig erfolgreich. Die Zahl der veränderten Stammzellen war letztlich zu klein, um das HI-Virus wirkungsvoll zu bekämpfen4.

HIV aus dem Körper entfernen

HIV lässt sich mit Medikamenten soweit zurückdrängen, dass die Betroffenen ein fast normales Leben führen können. Allerdings können bisherige Therapien das Virus nicht vollständig eliminieren: Es lagert sich in das Erbgut von Immunzellen ein und ist dort vor den Medikamenten geschützt. Die im Erbgut ruhenden Viren werden als HIV-Reservoir bezeichnet.

Die US-Firma Excision BioTherapeutics entwickelte eine Methode, um mit Hilfe von CRISPR/Cas das HIV-Reservoir restlos zu beseitigen. Dafür soll die Genschere die DNA-Sequenz des Virus an drei verschiedenen Stellen schneiden. Der erste Patient wurde im Juli 2022 behandelt, Zwischenergebnisse sind noch nicht bekannt5.

Komplizierte Therapie von Blutkrebs

Im Jahr 2015 kam die dritte Variante der Genscheren zum Einsatz – die TALEN. Ähnlich wie bei den AIDS-Patienten wurde hier eine Gentherapie mit einer Zelltherapie kombiniert. Allerdings handelte es sich hier um ein todkrankes Baby, das an Leukämie zu sterben drohte und dem keine Therapie helfen konnte6.

Die letzte Rettung für das 11-Monate alte Mädchen war eine damals noch neue Form der Krebstherapie, die auf CAR-T-Zellen basierte. Für das stark geschwächte Baby kamen nur CAR-T-Zellen von einem fremden Spender in Frage – bei diesen bestand jedoch die Gefahr, dass sie auch den Körper des Mädchen angreifen. Zudem sollte zusätzlich eine weitere Krebstherapie erfolgen, die sich nur schwer mit der Gabe von CAR-T-Zellen vereinbaren ließ.

Forscher nutzten die Genschere TALEN, um beide Probleme gleichzeitig zu lösen. Sie veränderten das Erbgut der CAR-T-Zellen und schalteten zwei Gene für Rezeptoren ab, die bei den Unverträglichkeiten eine zentrale Rolle spielten. Die komplizierte Mischung aus Gen- und Zelltherapie erwies sich erfolgreich: Sie hat dem Kind über eine schwere Krise geholfen, bis es kräftig genug war, um eine konventionelle Knochenmarktransplantation zu erhalten.

Optimierung von CAR-T-Zellen

Ein ähnlicher Ansatz wird nun von mehreren Firmen verfolgt, um allogene CAR-T-Zelltherapien mit Zellen von fremden Spendern für einen Einsatz in der Klinik nutzbar zu machen. Die Genschere soll gezielt Gene in den Immunzellen ausschalten, um die Verträglichkeit für den Empfänger zu erhöhen oder die Wirksamkeit gegen den Krebs zu verstärken.

Erste Tests am Menschen hat die US-Firma Caribou Biosciences gestartet: Im Juli 2021 erhielt der erste Patient mit Non-Hodgkin-Lymphom eine allogene CAR-T-Zelltherapie, die ähnlich wie Kymriah und Yescarta wirken soll. Erste Zwischenergebnisse zeigen, dass die Therapie in den ersten Monaten bei manchen Patienten gut wirkt – langfristige Daten fehlen allerdings noch7.

1 Mohamed et al., Targeting CCR5 as a Component of an HIV-1 Therapeutic Strategy, Frontiers in Immunology, Januar 2022 (Link)
2 Razeghian et al., A deep insight into CRISPR/Cas9 application in CAR-T cell-based tumor immunotherapies, Stem Cell Research & Therapy, Juli 2021 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Xiao et al., Application of CRISPR/Cas9-Based Gene Editing in HIV-1/AIDS Therapy, Frontiers in Cellular and Infection Microbiology, März 2019 (Link)
4 S. Begley, In a CRISPR first, therapy intended to cure HIV patient appears safe – though ineffective, STAT News, September 2019 (Link)
5 Excision BioTherapeutics, Excision BioTherapeutics Doses First Participant in EBT-101 Phase 1/2 Trial Evaluating EBT-101 as a Potential Cure for HIV, Pressemitteilung, September 2022 (Link)
6 J. Couzin-Frankel, Baby’s leukemia recedes after novel cell therapy, Science, November 2015 (Link)
7 Caribou Biosciences, Caribou Biosciences Reports Positive Additional Data from CB-010 Allogeneic CAR-T Cell Therapy Phase 1 ANTLER Trial at the European Hematology Association (EHA) 2022 Hybrid Congress, Pressemitteilung, Juni 2022 (Link)

Genscheren gegen HIV

Genscheren schneiden CCR5 und verhindern den Eintritt von HIV
Genscheren verändern das Erbgut von Immunzellen und schützen sie vor einer Infektion mit dem HI-Virus.

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Kurz und knapp

  • Genscheren verändern das Erbgut zielgenau und präzise
  • Immunzellen können mit Genscheren vor einer HIV-Infektion geschützt werden
  • Genscheren sollen die Wirksamkeit und Verträglichkeit von CAR-T-Zelltherapien verbessern
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