Vyjuvek – Gentherapie gegen „Schmetterlingskrankheit‟

Die Gentherapie Vyjuvek fördert die Heilung von Hautwunden bei der Erbkrankheit Epidermolysis bullosa dystrophica. Die Therapie wird als Gel aufgetragen und kann wiederholt angewendet werden.

Vyjuvek

Die Gentherapie Vyjuvek behandelt Hautwunden bei der Erbkrankheit Epidermolysis bullosa dystrophica

Die Epidermolysis bullosa dystrophica („Schmetterlingskrankheit‟) ist eine schwere Erkrankung, die zu häufigen und tiefen Hautwunden führt. Ein erblicher Defekt in einem Gen führt dazu, dass die oberste Hautschicht nicht fest im Gewebe verankert ist. Bereits bei geringer Belastung löst sich die Haut vom Körper ab.

Die Gentherapie Vyjuvek lindert den genetischen Defekt, indem sie ein intaktes Collagen-Gen in die Hautzellen transportiert. Sie nutzt dazu veränderte Herpesviren, die als Gel auf die Wunden aufgetragen werden1.

Vyjuvek ist seit Mai 2023 in den USA zugelassen, seit April 2025 auch in der Europäischen Union2.

Inhalte

Die Krankheit – Hautwunden bei kleinster Belastung

Ursache

Die Epidermolysis bullosa dystrophica (EBD) ist eine sehr seltene Erbkrankheit, von der etwa 3 bis 12 von 1 000 000 Menschen betroffen sind3. Die Erkrankung kann sowohl dominant als auch rezessiv vererbt werden. Ursache der EBD ist ein Defekt im Gen COL7A1, das für die Herstellung von Collagen Typ VII benötigt wird4. Collagen Typ VII ist ein sehr langes, fadenförmiges Protein und ein wichtiger Bestandteil des Bindegewebes der Haut. Fehlt das Collagen-Molekül, ist die oberste Hautschicht (Epidermis) nicht mehr fest mit dem darunterliegenden Gewebe (Dermis) verbunden.

Die EBD wird umgangssprachlich oft als „Schmetterlingskrankheit‟ bezeichnet. Dieser Name weist darauf hin, dass die Haut der Betroffenen so dünn und verletzlich wie ein Schmetterlingsflügel ist.

Symptome

Bei Menschen mit EBD führt oft schon ein leichter Stoß oder Druck dazu, dass sich die oberste Hautschicht ablöst und eine mit Flüssigkeit gefüllte Blase entsteht. Diese Blasen können sich ausbreiten, entzünden und schließlich vernarben. Häufig kommt es zu schweren Infektionen der Haut. Sind die Schleimhäute von Mund und Speiseröhre betroffen, können schmerzende Wunden die Nahrungsaufnahme erschweren.

Betroffene Kinder können unter ständiger Erschöpfung und mangelnden Kraftreserven leiden, da der große Verlust von Proteinen und Eisen über die offenen Blasen, die fortdauernde Entzündungsreaktion und die Bekämpfung von Infektionen sehr viel Energie kosten. Die Kinder bleiben oft eher klein und die Pubertät kann sich verzögern. Die geistige Entwicklung verläuft hingegen normal.

Spätfolgen

Zu den Spätfolgen zählen der Verlust von Finger- und Fußnägeln sowie das Zusammenwachsen von Fingern und Zehen. Die chronische Entzündungsreaktion begünstigt zudem Veränderungen im Erbgut, welche die Entstehung aggressiver Plattenepithelkarzinome fördern.

Der Nutzen – deutlich bessere Wundheilung

Grundlegende Studie in den USA

US-amerikanische Forscher testeten die Wirksamkeit von Vyjuvek in einer Studie mit 31 Teilnehmern, die bis auf eine Ausnahme unter der rezessiven Form der EBD litten5. Die Teilnehmer waren zwischen 1 und 44 Jahren alt, das Durchschnittsalter betrug 16 Jahre.

Ärzte wählten bei jedem Teilnehmer zwei Hautwunden mit vergleichbarer Größe aus. Eine der Wunden wurde mit Vyjuvek behandelt, die andere mit einem Scheinmedikament (Placebo). Die Therapie erfolgte einmal wöchentlich in Form eines Gels, das direkt auf die Wunden aufgetragen wurde. Die Gesamtdauer der Behandlung betrug 26 Wochen.

Nach der Behandlung mit Vyjuvek waren 2 von 3 Wunden nach 6 Monaten vollständig abgeheilt, bei den Kontrollen waren es nur etwa 1 von 5 Wunden. Zudem gab es Hinweise, dass die Wunden nach der Behandlung mit Vyjuvek etwas länger verschlossen blieben.

Schutz vor Erblindung in einem Einzelfall

Bei etwa 1 von 4 Betroffenen kann die EBD auch die Konjunktiva schädigen, also die Bindehaut zwischen Augapfel und Augenlidern. Narben in der Konjunktiva können dazu führen, dass die Augenlider fest an die Bindehaut anheften und das Auge verschließen. Den Betroffenen droht dann der Verlust der Sehfähigkeit.

In einem Einzelfall konnte die Vyjuvek das Augenlicht eines 13-jährigen Jungen retten. Ärzte einer Augenklinik in Florida entfernten das Narbengewebe an den Augen und behandelten die Stellen insgesamt 19 Mal mit Vyjuvek. Nach 8 Monaten waren kaum noch Auffälligkeiten am Auge vorhanden und der Junge konnte wieder fast uneingeschränkt sehen6.

Offene Fragen zur Langzeitwirkung

Da Vyjuvek erst seit wenigen Jahren zugelassen ist, kann die Langzeitwirkung noch nicht beurteilt werden. Es kann auch noch nicht ausgeschlossen werden, dass zusätzliche Nebenwirkungen auftreten. Die Europäische Arzneimittelbehörde hat den Hersteller daher verpflichtet, eine Langzeitstudie durchzuführen und die Ergebnisse der Behörde vorzulegen.

Die Therapie – wiederholt anwendbare Herpesviren

Wirkmechanismus – Einschleusen eines Collagen-Gens

Vyjuvek (Beremagene Geperpavec) ist die erste Gentherapie, die einen Herpes-simplex-Virus als Genfähre verwendet. Das veränderte Virus schleust ein intaktes Gen für Collagen Typ VII in Hautzellen ein7. Dieses COL7A1-Gen lagert sich nicht direkt in das Erbgut ein: Dadurch sinkt das Risiko, dass unerwünschte Krebsmutationen entstehen. Allerdings geht das eingeschleuste Gen bei der Zellteilung leicht verloren, sodass die Wirkung der Therapie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist.

Das Herpesvirus ist gentechnisch so verändert, dass es sich nicht mehr selbstständig vermehren und im Körper ausbreiten kann. Im Gegensatz zu anderen Arten von Genfähren scheint es auch keine starke und lang anhaltende Immunreaktion bei den Behandelten auszulösen8. Dies hat den Vorteil, dass die Behandlung mehrmals wiederholt werden kann.

Anwendung – Auftropfen eines Gels

Vyjuvek wird mit einer Spritze vorsichtig auf die Wunde aufgetropft. Dazu wird zuerst eine wässrige Lösung der veränderten Herpesviren mit einem Gel vermischt. Kleine Tropfen des Gels werden dann gitterförmig in einem Abstand von etwa einem Zentimeter direkt auf die offenen Stellen aufgetragen. Schließlich wird die Wunde mit einem wasserabstoßenden Verband abgedeckt, unter dem sich ein flächendeckender Film des Vyjuvek-Gels bilden kann.

Die Behandlung wird wöchentlich wiederholt und solange fortgesetzt, bis sich die Wunde geschlossen hat. Eine vorsorgliche Behandlung von intakter Haut ist nicht vorgesehen.

Dosis – Höchstmengen können Behandlung einschränken

Für Vyjuvek gilt die Empfehlung, eine wöchentliche Höchstdosis nicht zu überschreiten9. Bei Kindern bis zu einem Alter von 3 Jahren beträgt diese Höchstdosis 1 Milliliter Gel oder 2 x 109 plaque forming units (PFU), bei älteren Kindern und Erwachsenen beträgt sie 2 Milliliter Gel 4 x 109 PFU.

Wenn die Höchstdosis eingehalten wird, ist bei schwer betroffenen Personen unter Umständen nicht möglich, alle Wunden gleichzeitig zu behandeln.

Die Nebenwirkungen – vor allem Juckreiz und Schüttelfrost

Zusammenfassung

Die erste Studie deutete an, dass etwa die Hälfte der Behandelten mit Nebenwirkungen rechnen muss. Die Beschwerden blieben aber eher mild und waren nicht dauerhaft. Am häufigsten traten Juckreiz und Schüttelfrost auf, manchmal auch Rötungen, Husten und Erkältungssymptome. In keinem Fall waren die Nebenwirkungen so stark, dass die Behandlung abgebrochen werden musste.

Die wesentlichen Erkenntnisse der Studie

Die Erkenntnisse über Nebenwirkungen stammen bislang vor allem aus einer Studie mit 31 Teilnehmern5. Insgesamt kam es zu 45 unerwünschten Nebenwirkungen, von denen 18 Teilnehmer betroffen waren (einige Personen waren mehrfach betroffen). In 40 Fällen blieben die Nebenwirkungen mild oder moderat.

Bei 3 Teilnehmern traten insgesamt 5 Fälle von schweren Nebenwirkungen auf. Laut den Studienärzten hingen diese Nebenwirkungen jedoch nicht mit der Therapie zusammen.

Zu den milden und moderaten Nebenwirkungen zählten vor allem:

Erkrankungen der Atemwege

  • Husten (2 von 31 Behandelten)
  • Absonderung von Nasensekret (Rhinorrhoe, 2 von 31 Behandelten)

Erkrankungen der Haut

  • Juckreiz (Pruritus, 3 von 31 Behandelten)
  • Rötungen der Haut (Erythem, 2 von 31 Behandelten)
  • Ausschlag (2 von 31 Behandelten)

Allgemeine Erkrankungen

  • Schüttelfrost (3 von 31 Behandelten)

Die Alternativen – vorbeugende Maßnahmen und Wundbehandlung

Wundbehandlung

EBD ist derzeit nicht heilbar. Die Behandlung beschränkt sich in der Regel auf eine sorgfältige Versorgung der Wunden. Es gibt diverse Medikamente, die die Wundheilung unterstützen können9. Bei Bedarf können auch Schmerzmittel verabreicht werden.

Vorbeugende Maßnahmen

Vor allem bei Kindern ist es sehr wichtig, das Auftreten von Wunden möglichst von vornherein zu verhindern. Die dazu notwendigen Maßnahmen schränken allerdings die Bewegungsfreiheit und die Lebensqualität der Kinder stark ein.

Zu den empfohlenen Maßnahmen zählen:

  • Die Kinder sehr vorsichtig behandeln. Nicht fest anfassen, nach dem Baden nicht trocken rubbeln, auf weiche Sitz- und Liegeunterlagen achten.
  • Weiche und weite Kleidung aussuchen. Möglichst ohne innenliegende Nähte, enge Gummizüge, harte Knöpfe und Reißverschlüsse.
  • Stoßen, Fallen, Schieben, Schlagen und festes Zugreifen auch beim Spielen vermeiden.
  • Normale Pflaster verwenden.
  • Hitze meiden.
  • Das körperliche Wachstum beobachten und ausreichend Nährstoffe bereitstellen, da die Kinder aufgrund der ständigen Wundheilung einen erhöhten Energiebedarf haben.

Experimentelle Stammzelltherapie

Deutsche und österreichische Forscher arbeiten an einer Stammzelltherapie, bei der genetisch veränderte Hautzellen transplantiert werden. Die Zellen werden als Infusion verabreicht und können so überall im Körper wirksam werden10.

Eine erste Studie erbrachte vielversprechende Ergebnisse, eine Folgestudie wurde im Jahr 2023 gestartet. Ob und wann diese Therapie allgemein verfügbar sein wird, ist noch unklar.

Die Entwicklung – durch eine kleine US-Firma

Federführend bei der Entwicklung von Vyjuvek ist die Firma Krystal Biotech mit Sitz in Pittsburgh, USA. Die größte klinische Studie erfolgte in Zusammenarbeit mit drei kalifornischen Universitäten. Im Mai 2023 wurde Vyjuvek in den USA zugelassen.

Die Kosten – etwa 28 500 € pro Behandlung

Im Gegensatz zu anderen Gentherapien wird Vyjuvek wiederholt angewendet. Eine Durchstechflasche des Vyjuvek-Gels kostet etwa 28 500 Euro, die Anwendung kann bis zu einmal wöchentlich erfolgen. Der tatsächliche Bedarf hängt stark von der Schwere der Erkrankung ab und lässt sich kaum als Durchschnittswert angeben. Der maximale Jahresverbrauch pro Person ist aber auf 52,1 Durchstechflaschen begrenzt, die Kosten können dann bis zu 1,5 Millionen Euro betragen3.

1 B. Gensthaler, Erste topische Gentherapie im Handel, Pharmazeutische Zeitung, September 2025 (Link)
2 European Medicines Agency (EMA), Vyjuvek (Beremagene geperpavec) - Übersicht und warum es in der EU zugelassen ist, EMA/82143/2025, Mai 2025 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Beremagen geperpavec (dystrophe Epidermolysis bullosa), iqwig.de, November 2025 (Link)
4 Interessengemeinschaft Epidermolysis Bullosa e. V. DEBRA Deutschland, Was ist Epidermolysis bullosa (EB)?, ieb-debra.de, abgerufen Juni 2023 (Link)
5 Guide et al., Trial of Beremagene Geperpavec (B-VEC) for Dystrophic Epidermolysis Bullosa, New England Journal of Medicine, Dezember 2022 (Link)
6 Deutsches Ärzteblatt, Epidermolysis bullosa dystrophica: Gentherapie rettet 13-jährigem Jungen das Augenlicht, Februar 2024 (Link)
7 Beremagene Geperpavec: Topische Gentherapie bei Epidermolysis bullosa dystrophica wirksam, Deutsches Ärzteblatt, Januar 2023 (Link)
8 Rote Liste Service GmbH, Vyjuvek, fachinfo.de, Stand April 2025 (Link)
9 Prodinger und Laimer, Neue Lokal- und Systemtherapien bei Epidermolysis bullosa, Hautnah, Februar 2024 (Link)
10 Rheacell, Stammzelltherapie bei „Schmetterlingskrankheit", Pressemitteilung, Juni 2023 (Link)

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Kurz und knapp

  • die Epidermolysis bullosa dystrophica wird durch einen Defekt im Gen für Collagen Typ VII ausgelöst (COL7A1)
  • als Folge entstehen zahlreiche und teils tiefe Hautwunden
  • die Gentherapie Vyjuvek (Beremagene Geperpavec) schleust eine intakte Form des Gens COL7A1 in Hautzellen ein
  • Vyjuvek nutzt ein Herpesvirus als Genfähre und ist wiederholt anwendbar
  • die Behandlung führt zu einer deutlich verbesserten Wundheilung
  • die Nebenwirkungen sind in der Regel eher mild
  • über die Langzeitwirkung ist noch wenig bekannt
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