Durveqtix: Gentherapie gegen Hämophilie B

Die Gentherapie Durveqtix behebt einen Defekt in der Blutgerinnung, der bei der Hämophilie B autritt. Erste Daten deuten an, dass etwa 6 von 10 Behandelten keine schweren Blutungen mehr erleiden.

Gentherapie gegen Hämophilie

Durveqtix ersetzt ein fehlendes Gen für Faktor IX bei der erblichen Gerinnungsstörung Hämophilie B

Die Hämophile B ist eine seltene Störung der Blutgerinnung, die durch einen Mangel an Faktor IX verursacht wird. Die Gentherapie Durveqtix des US-Konzerns Pfizer konnte in einer ersten Studie die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern.

In der Europäischen Union ist Durveqtix seit Juli 2024 zugelassen1. In den USA erfolgte die Zulassung im April 2024, allerdings unter einem anderen Markennamen (Beqvez).

Die Krankheit – Störung der Blutgerinnung

Menschen mit Hämophilie B leiden häufig unter Blutungen, die sich nur schwer stillen lassen. Auch die Wundheilung ist oft beeinträchtigt. Zudem besteht ein hohes Risiko für innere Blutungen in Gelenken, Muskeln und anderen Organen. Die Blutungsneigung kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein: Es gibt milde, mittelschwere und schwere Verlaufsformen2.

Ursache der Hämophilie B ist ein genetisch bedingter Mangel am Gerinnungsfaktor IX, einem wichtigen Bestandteil der Gerinnungskaskade. Das Gen für den Faktor IX liegt auf dem X-Chromosom, die Erkrankung wird also von der Mutter vererbt (in seltenen Fällen kann sie auch spontan entstehen). Die Auswirkungen zeigen sich meist bei den männliche Kinder, etwa 1 von 25 000 männlichen Neugeborenen ist betroffen.

Es gibt eine weitere Variante der Erkrankung: Die Hämophilie A beruht auf einem Mangel des Gerinnungsfaktors VIII. Sie zeigt ein ähnliches Krankheitsbild, verläuft aber oft schwerer als die Hämophilie B.

Die Therapie – Leberzellen produzieren Gerinnungsfaktor

Die Gentherapie Durveqtix (fidanacogene elaparvovec) ermöglicht es dem Körper, den vormals fehlenden Gerinnungsfaktor IX selbst zu bilden. Dazu wird ein funktionsfähiges Gen mit Hilfe einer Genfähre in die Leber eingeschleust. Das Gen beinhaltet eine natürlich vorkommende Mutation: Diese sogenannte Padua-Variante ist etwa achtmal aktiver als der natürliche Gerinnungsfaktor3.

Die Leberzellen nutzen das eingeschleuste Gen als Vorlage für die Herstellung der Padua-Variante. Diese wird dann ins Blut abgegeben. Wird eine ausreichende Menge der Padua-Variante gebildet, kann die Blutgerinnung wieder annähernd normal ablaufen.

Die Anwendung – wer darf Durveqtix erhalten?

Nicht alle Menschen mit Hämophilie B können Durveqtix erhalten. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat vier Kriterien festgelegt, die die Auswahl der Behandelten einschränken x2:

  • Die Behandlung darf nur bei Erwachsenen erfolgen.
  • Es muss sich um eine mittelschwere oder schwere Form der Erkrankung handeln.
  • Im Blut dürfen keine Antikörper gegen Faktor IX nachweisbar sein.
    Erläuterung: Bei einigen Betroffenen hat das Immunsystem eine Abwehrreaktion gegen den Wirkstoff entwickelt, der bei der Faktor-IX-Substitutionstherapie eingesetzt wird. Diese Abwehrreaktion kann auch die Wirkung von Durveqtix beeinträchtigen.
  • Im Blut dürfen keine Antikörper gegen bestimmte Viren (AAV vom Serotyp Rh74) nachweisbar sein.

    Erläuterung: Manche Menschen zeigen eine natürliche Immunreaktion gegen das Virus, das in veränderter Form in Durveqtix als Genfähre verwendet wird. Diese Immunreaktionen können die Wirksamkeit von Durveqtix beeinträchtigen.

Der Nutzen – prophylaktische Therapie wird meist überflüssig

Zur Wirksamkeit von Durveqtix liegen bislang nur wenige Daten vor. Entscheidend für die Zulassung war eine Studie mit 45 erwachsenen Männern, die an einer mittelschweren oder schweren Form der Hämophilie B litten1. Nach einer Beobachtungszeit von 2 bis 4 Jahren zeigte sich, dass Durveqtix die Blutungsneigung deutlich verringern konnte:

  • Die jährliche Blutungsrate war um den Faktor 3 niedriger.
  • Nach der Behandlung erlitten die Behandelten im Durchschnitt etwa 1,4 Blutungsepisoden pro Jahr. Vor der Behandlung lag die jährliche Blutungsrate noch bei etwa 4,5.
  • 6 von 10 Behandelten hatten überhaupt keine Blutungen mehr.
  • Der Bedarf an künstlichen Gerinnungsfaktoren sank um mehr als 90 Prozent.

Die Teilnehmer dieser Studie werden noch bis zu 15 Jahre lang nachbeobachtet, um verlässliche Aussagen über die Dauer der Wirkung zu erhalten.

Die Nebenwirkungen – erhöhte Leberwerte

Die Gentherapie wurde in der Regel gut vertragen. Die Nebenwirkungen waren meist mild und gut behandelbar. Sie traten meist als unerwünschte Folge der Infusion auf, mit der die Behandlung eingeleitet wurde.

Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen:

  • Erhöhung der Leberwerte (Transaminasen)
  • Kopfschmerzen und grippeähnliche Beschwerden
  • erhöhte Kreatininwerte (ein Marker für eine beeinträchtigte Nierenfunktion)
  • erhöhte Werte der Laktatdehydrogenase (ein Marker für Gewebeschäden)

Die Alternativen – Faktor-IX-Substitutionstherapie und Hemgenix

Die Hämophilie B wird häufig mit einer Faktor-IX-Substitutionstherapie behandelt, bei der ein künstlich hergestelltes Protein den fehlenden Gerinnungsfaktor ersetzt. Diese Therapie muss in schweren Fällen bis zu zweimal in der Woche erfolgen. Manche Behandelte entwickeln im Laufe der Zeit eine Immunreaktion, die die Wirksamkeit der Therapie stark beeinträchtigt. In Deutschland belaufen sich die jährlichen Kosten für diese Substitutionstherapie auf ca. 240 000 €4.

Blutverdünner und Schmerzmittel können die Symptome lindern. Weitere Möglichkeiten sind Krankengymnastik, orthopädische Anwendungen und psychosoziale Beratung.

Seit 2023 ist in Deutschland auch die Gentherapie Hemgenix zur Behandlung der Hämophilie B zugelassen.

Die Kosten – in den USA 3,5 Millionen US-Dollar

Für Deutschland gibt es noch keine Angaben zu den Kosten von Durveqtix. In den USA wurde der Preis von 3,5 Millionen US-Dollar für eine einmalige Behandlung festgesetzt5.

1 European Medicines Agency (EMA), AWas ist Durveqtix und wofür wird es angewendet?, EMA/264781/2024, August 2024 (Link)
2 Tallen et al., Hämophilie A und B, kinderblutkrankheiten.de, Stand Dezember 2021 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 J. Russ, Gentherapeutikum bei Hämophilie B zur Zulassung empfohlen, Deutsche Apotheker Zeitung, Juli 2024 (Link)
4 N. Schmitt, Gentherapie der Hämophilie - Medizinisch ökonomische Analyse der AMNOG Preisverhandlungen, ePaper, BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung , Februar 2023 (Link)
5 K. Dunleavy, Pfizer scores FDA nod for hemophilia B gene therapy, will charge $3.5M per dose, Fierce Pharma, April 2024 (Link)

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Kurz und knapp

  • die Gentherapie Durveqtix lindert die Beschwerden der Hämophilie B
  • sie schleust das Gen für einen Gerinnungsfaktor in Leberzellen ein
  • die Therapie kann die Blutungsrate auf ein Drittel senken
  • eine Behandlung mit Durveqtix macht andere Therapien häufig überflüssig
  • in Europa ist Durveqtix seit Juli 2024 zugelassen
  • in den USA ist die Gentherapie seit April 2024 unter dem Namen Beqvez zugelassen
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