Therapien mit CRISPR/Cas – außerhalb des Körpers

Forscher wollen schwere Erkrankungen mit der Genschere CRISPR/Cas behandeln. In fünf Studien wird versucht, die Zellen der Behandelten im Labor zu verändern.

ex-vivo-Therapien mit CRISPR

CRISPR/Cas wird u.a. für die Therapie von Sichelzellanämie und ß-Thalassämie getestet

Im Jahr 2019 wurden erstmals Menschen mit der Genschere CRISPR/Cas behandelt. Die Entwicklung wird vor allem von US-amerikanischen Firmen vorangetrieben, die den Einsatz bei unterschiedlichen Erkrankungen testen:

Fünf weitere klinische Studien nutzen CRISPR/Cas, um das Erbgut direkt im menschlichen Körper zu verändern:

Sichelzellanämie und ß-Thalassämie (CRISPR Therapeutics)

Zwei hämatologische Erkrankungen beruhen auf Mutationen in dem Gen für Hämoglobin – sie können auch nach dem gleichen Prinzip behandelt werden. Die US-Firmen CRISPR Therapeutics und Vertex entwickeln dazu eine Therapie, die eine fetale Version des Hämoglobin-Gens aktiviert. Bei Patienten mit Sichelzellanämie und ß-Thalassämie gingen daraufhin die Symptome deutlich zurück.

Sichelzellanämie und ß-Thalassämie (Editas Medicine)

Zwei hämatologische Erkrankungen beruhen auf Mutationen in dem Gen für Hämoglobin – sie können auch nach dem gleichen Prinzip behandelt werden. Die US-Firma Editas entwickelt dazu eine Therapie, die eine fetale Version des Hämoglobin-Gens aktiviert. Editas steht damit in Konkurrenz zu CRISPR Therapeutics, deren Gentherapie Casgevy aber seit November 2023 in Großbritannien zugelassen ist.

Welche Krankheiten werden behandelt?

Die Sichelzellanämie beruht auf einem Defekt in dem Blutfarbstoff Hämoglobin. Als Folge entwickeln sich deformierte rote Blutzellen, die sich zu größeren Aggregaten zusammenballen und Blutgefäße verschließen können – es treten sehr schmerzhafte Sichelzellkrisen auf. Bei der ß-Thalassämie ist ebenfalls das Gen für Hämoglobin mutiert: Die Folge ist jedoch eine Blutarmut, die regelmäßige Transfusionen erfordert.

Wie wirkt die Therapie?

Die Therapie EDIT-301 greift in das Erbgut von Blutstammzellen ein: Eine Genschere verändert regulatorische Abschnitte und aktiviert die Produktion von fetalem Hämoglobin. Diese Gen-Variante soll das fehlerhafte adulte Hämoglobin ersetzen und die Krankheitssymptome lindern. Die Blutstammzellen werden für den Eingriff aus dem Körper isoliert, im Labor behandelt und dann wieder in die Blutbahn gegeben.

Als Genschere kommt eine Variante zum Einsatz, die eigens von Editas entwickelt wurde. Diese Variante trägt die Bezeichnung AsCas 12a.

Gibt es bereits Zwischenergebnisse?

Der erste Patient wurde im Juli 2022 behandelt. Ermutigende Zwischendaten von zwei Patienten wurden im Dezember 2022 veröffentlicht: Das fetale Hämoglobin wurde in ausreichendem Maß erzeugt, Sichelzellkrisen traten nach der Behandlung nicht mehr auf3.

Non-Hodgkin-Lymphome (Caribou Biosciences)

CRISPR/Cas9 kann auch bei Krebs helfen, wenn es mit CAR-T-Zellen kombiniert wird: Menschliche Immunzellen, die mit einem künstlichen Rezeptor gegen Tumore vorgehen. Die US-Firma Caribou Biosciences nutzt die Genschere, um die Wirksamkeit von CAR-T-Zelltherapien zu verbessern.

Welche Krankheit wird behandelt?

Mehrere CAR-T-Zelltherapien sind bereits für die Bekämpfung von Leukämien und Lymphomen zugelassen. Auch Caribou engagiert sich auf diesem Gebiet: Die experimentelle Therapie CB-010 richtet sich gegen Non-Hodgkin-Lymphome, die aus den B-Lymphozyten des Immunsystems entstehen. Diese Krebsart ist oft gut behandelbar, bei sehr aggressiven Formen bleiben die Überlebensaussichten jedoch schlecht.

Wie wirkt die Therapie?

Die CRISPR/Therapie CB-010 stattet Immunzellen mit einem Rezeptor gegen den Krebsmarker CD19 aus, um aggressive Non-Hodgkin-Lymphome zurückzudrängen. Dabei gibt es zwei Besonderheiten: Erstens stammen die Immunzellen von fremden Spendern – bislang zugelassene Therapien nutzen ausschließlich körpereigene Zellen. Und zweitens hat CRISPR/Cas zwei Gene ausgeschaltet. Den natürlichen T-Zell-Rezeptor, der vollständig durch den künstlichen chimeric antigen receptor (CAR) ersetzt wurde. Und den Immuncheckpoint PD-1, der die Aktivität von Immunzellen bremsen kann.

Gibt es bereits Zwischenergebnisse?

Der erste Patient wurde im Juni 2021 behandelt, insgesamt soll die Studie bis zu 50 Teilnehmer einschließen. Im Juli 2023 veröffentlichte Caribou Zwischenergebnisse von 16 Patienten, deren Behandlung mindestens 6 Monate zurücklag4. Die wichtigsten Ergebnisse sind:

  • bei 7 der 16 Behandelten ist der Krebs nach 6 Monaten noch vollständig verschwunden
  • 1 Patient ist auch nach 24 Monaten noch frei von Krebs
  • die Therapie wird allgemein gut vertragen (abgesehen von den für CAR-T-Zelltherapien erwartbaren Komplikationen)

Akute lymphatische Leukämien der B-Zell-Reihe, B-ALL (University College London)

Forscher in London versuchen, CAR-T-Zellen zur Behandlung von B-Zell-Leukämien einzusetzen. Die Genschere CRISPR/Cas hat dazu beigetragen, dass die Studie mit CAR-T-Zellen von fremden Spendern durchgeführt werden konnte.

Welche Krankheit wird behandelt?

Leukämien entstehen im Knochenmark, wenn Vorläuferzellen zu einem unkontrolliertem Wachstum übergehen. Häufig gehen diese Leukämien aus Vorläufern der B-Zellen hervor: Die Leukämiezellen tragen dann – genau wie normale B-Zellen – den Marker CD19 auf ihrer Oberfläche.

Leukämien können die Funktion des Knochenmarks stören und lebensbedrohliche Komplikationen zur Folge haben. 9 von 10 Kindern mit akuten lymphatischen Leukämien der B-Zell-Reihe (B-ALL) können heute gut behandelt werden. Bei sehr aggressiven Formen ist die Überlebenszeit jedoch oft sehr kurz.

Wie wirkt die Therapie?

Die Therapie basiert auf einem CAR-Molekül, das gegen das Oberflächenprotein CD19 gerichtet ist. Die CAR-T-Zellen beseitigen Leukämiezellen, aber auch fast alle normalen B-Zellen. Ein Mangel an B-Zellen lässt sich aber vergleichsweise einfach behandeln.

Da die CAR-T-Zellen von einem fremden Spender stammen, besteht ein erhöhtes Risiko, dass diese Zellen das Gewebe des Empfängers angreifen. Um dieses Risiko zu verringern, inaktivierten die Forscher das TRAC-Gen (Teil des natürlichen T-Zell-Rezeptors) im Erbgut der transplantierten Zellen. Zusätzlich schalteten sie das Gen für das Oberflächenprotein CD52 aus, um eine Vorbehandlung der Patienten mit dem Antikörper Alemtuzumab zu ermöglichen.

Gibt es bereits Zwischenergebnisse?

Im Oktober 2022 wurden erste Ergebnisse von sechs Studienteilnehmern veröffentlicht5. Sie hatten eine aggressive Form der B-ALL und waren zwischen 11 Monaten und 11 Jahren alt. Bei vier Behandelten vermehrten sich die CAR-T-Zellen im Körper und drängten die verbliebenen Leukämiezellen vollständig zurück. Alle erhielten anschließend eine Stammzelltransplantation, die in den ersten Wochen erfolgreich verlief. Informationen über das Langzeitüberleben der Studienteilnehmer liegen noch nicht vor.

Akute lymphatische Leukämie der T-Zell-Reihe, T-ALL (University College London)

In einer weiteren Studie versuchen Forscher aus London, CAR-T-Zellen zur Behandlung von T-Zell-Leukämien (T-ALL) einzusetzen. In diesem Fall nutzen die Forscher das Base Editing, um mit einer Variante von CRISPR/Cas gezielt einzelne DNA-Basen auszutauschen.

Welche Krankheit wird behandelt?

Das unkontrollierte Wachstum von Knochenmarkzellen kann zu Leukämien führen. Ein Typ dieser Leukämien entsteht aus den Vorläufern von T-Zellen – die Leukämiezellen tragen daher fast die gleichen Merkmale auf ihrer Oberfläche wie CAR-T-Zellen. Dies stellt eine CAR-T-Zelltherapie vor große Herausforderungen: Sie muss die Leukämiezellen sicher erkennen, gleichzeitig aber einen „Brudermord‟ unter den CAR-T-Zellen verhindern.

Wie wirkt die Therapie?

Die CAR-T-Zelltherapie nutzt das Protein CD7 als Erkennungsmerkmal für Leukämiezellen. Allerdings tragen auch die CAR-T-Zellen den CD7-Marker: Mit Hilfe des Base Editing haben die Londoner Forscher daher das Gen für CD7 in den CAR-T-Zellen ausgeschaltet. Dies verhindert, dass sich die CAR-T-Zellen gegenseitig angreifen.

Zusätzlich schalteten die Forscher noch zwei weitere Gene aus. Das Ausschalten von CD52 dient dazu, eine Vorbehandlung der Patienten mit Alemtuzumab zu ermöglichen. Das Ausschalten von TRAC (einem Teil des natürlichen T-Zell-Rezeptors) soll Immunreaktionen der körperfremden CAR-T-Zellen gegen das Gewebe des Empfängers zu unterdrücken.

Die Therapie dient bisher nur als Vorbereitung für den nächsten Therapieschritt. Ziel ist es, den Zustand der schwerkranken Kinder so weit zu verbessern, dass sie eine Stammzelltransplantation überstehen.

Gibt es bereits Zwischenergebnisse?

Die erste Patientin wurde im Mai 2022 behandelt6. Das 13-jährige Mädchen litt an einer sehr aggressiven Form der T-ALL und hatte bereits erfolglose Chemotherapien und Stammzelltransplantationen hinter sich. Die CAR-T-Zelltherapie konnte die Leukämiezellen stark zurückdrängen. Das Mädchen erhielt anschließend zwei Stammzelltransplantationen und ist nach 9 Monaten auf dem Weg der Besserung.

Das zweite behandelte Kind sprach zunächst ebenfalls auf die CAR-T-Zelltherapie an, starb aber nach 33 Tagen an einer Infektion. Ein drittes Kind wurde nach der CAR-T-Zelltherapie mit einer Stammzelltransplantation behandelt und befindet sich noch in der Genesungsphase7.

Akute lymphatische Leukämie der T-Zell-Reihe, T-ALL (Beam Therapeutics)

Auch die US-Firma Beam Therapeutics testet, ob das Base Editing die Wirkung von körperfremden CAR-T-Zellen steigern kann. Der Ansatz ähnelt in vielen Punkten der oben beschriebenen britischen Studie, allerdings hat die US-Firma ein weiteres, viertes Gen verändert.

Welche Krankheit wird behandelt?

Die Therapie BEAM-201 richtet sich gegen aggressive Leukämien, die von T-Zellen ausgehen. Bei deren Behandlung besteht das Problem, dass sich Leukämiezellen und CAR-T-Zellen sehr ähnlich sind. Ohne den genetischen Eingriff würden sich die CAR-T-Zellen daher gegen sich selbst richten.

Wie wirkt die Therapie?

Ähnlich wie in der britischen Studie hat die US-Firma die Gene CD7, TRAC und CD52 verändert. Diese Veränderungen verringern die Nebenwirkungen, erlauben eine Vorbehandlung mit dem Antikörper Alemtuzumab und verhindern einen „Brudermord‟ zwischen den CAR-T-Zellen.

Zusätzlich wurde in diesen CAR-T-Zellen auch das Gen PDCD1 verändert, das den Bauplan für den Immun-Checkpoint PD-1 trägt. Dieser Eingriff soll verhindern, dass Krebszellen die Aktivität der CAR-T-Zellen hemmen können.

Gibt es bereits Zwischenergebnisse?

Der erste Patient wurde im August 2023 behandelt. Zwischenergebnisse liegen noch nicht vor8.

1 M. Eisenstein, Gene therapies close in on a cure for sickle-cell disease, Nature, August 2021 (Link)
2 S. Bryson, Exa-cel Continues to Prevent VOCs in Sickle Cell Patients: New Trial Data, Sickle Cell Disease News, Juni 2022 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 P. Schloesser, Editas reports early-stage data from two patients in sickle cell disease, Endpoints News, Dezember 2022 (Link)
4 Caribou Biosciences, Caribou Biosciences Reports Positive Clinical Data from Dose Escalation of CB-010 ANTLER Phase 1 Trial in r/r B-NHL, Pressemitteilung, Juli 2023 (Link)
5 Ottaviano et al., Phase 1 clinical trial of CRISPR-engineered CAR19 universal T cells for treatment of children with refractory B cell leukemia, Science Translational Medicine, Oktober 2022 (Link)
6 Deutsches Ärzteblatt, T-Zell-Leu­kämie: Base Editing ermöglicht CAR-T-Zell­therapie ohne Brudermord, Juli 2023 (Link)
7 Chiesa et al., Base-Edited CAR7 T Cells for Relapsed T-Cell Acute Lymphoblastic Leukemia, The New England Journal of Medicine, Juni 2023 (Link)
8 B. Fidler, Beam begins US testing of first-of-its-kind ‘base editing’ cancer drug, BioPharma Dive, September 2023 (Link)

ex-vivo-Therapien mit CRISPR

CRISPR/Cas wird u.a. für die Therapie von Sichelzellanämie und ß-Thalassämie getestet
Im Jahr 2019 wurde erstmals ein Mensch mit CRISPR/Cas behandelt.

Genscheren: CRISPR & Co

  • Drei Genscheren schneiden das Erbgut – CRISPR, TALEN, ZFN mehr...
  • CRISPR/Cas verändert das Erbgut mehr...
  • In-vivo-Therapien: CRISPR/Cas im menschlichen Körper mehr...
  • Therapien mit CRISPR/Cas – außerhalb des Körpers mehr...
  • Genscheren gegen AIDS und Blutkrebs mehr...
Genscheren: CRISPR & Co
  • Drei Genscheren schneiden das Erbgut – CRISPR, TALEN, ZFN mehr...
  • CRISPR/Cas verändert das Erbgut mehr...
  • In-vivo-Therapien: CRISPR/Cas im menschlichen Körper mehr...
  • Therapien mit CRISPR/Cas – außerhalb des Körpers mehr...
  • Genscheren gegen AIDS und Blutkrebs mehr...
Gentherapie

⇒ Allgemein

  • Gentherapie – hartnäckige Probleme gefährden den Erfolg mehr...
  • Warum sind Gentherapie so teuer? mehr...
  • Warum dauert die Entwicklung so lange? mehr...
  • Genfähren: Viren ermöglichen die Gentherapie mehr...

⇒ Zugelassene Therapien

  • Zolgensma – spinale Muskelatrophie mehr...
  • Strimvelis – tödliche Immunschwäche ADA-SCID mehr...
  • Luxturna – frühkindliche Erblindung mehr...
  • Libmeldy – metachromatische Leukodystrophie mehr...
  • Upstaza – AADC-Mangel mehr...
  • Roctavian – Hämophilie A mehr...
  • Hemgenix – Hämophilie B mehr...
  • Casgevy – Sichelzellkrankheit und ß-Thalassämie mehr...
  • Durveqtix – Hämophilie B mehr...

⇒ Mögliche Anwendungen

  • Elevidys – Duchenne Muskeldystrophie mehr...
  • Vyjuvek – Schmetterlingskrankheit mehr...
  • Lumevoq gegen erbliche Erblindung mehr...
  • Gentherapien sollen das Herz stärken mehr...
  • Gentherapie für Parkinson und Alzheimer mehr...
  • Genscheren gegen AIDS und Blutkrebs mehr...

⇒ Zurückgezogene Therapien

  • Zynteglo – ß-Thalassämie mehr...
  • Skysona – zerebrale Adrenoleukodystrophie mehr...
  • Glybera – die erste Gentherapie scheiterte rasch mehr...
Genomforschung

⇒ Aufbau des Erbguts

⇒ Wissenswertes

⇒ Epigenetik

OK

Diese Webseite verwendet Cookies, die für das Bereitstellen der Seiten und ihrer Funktionen technisch notwendig sind.    Info