Krebstherapie: Checkpoint-Inhibitoren lösen die Bremse

Krebszellen können die Immunabwehr ausbremsen. Checkpoint-Hemmer lösen diese Bremse – oft jedoch nur bei einem Teil der Behandelten.

Checkpoint-Inhibitor

Eine neue Immuntherapie löst die Bremse beim Immunsystem und hilft bei der Bekämpfung von Krebs.

Manche Tumore sind voll von Abwehrzellen. Doch statt anzugreifen, verharren diese Zellen untätig im Gewebe und lassen den Krebs gewähren. Der Grund: Der Tumor sendet Signale aus, die den Immunangriff zum Stillstand bringen. Checkpoint-Hemmer können diese Signale abfangen und das Immunsystem aktivieren.

Checkpoint-Hemmer werden seit 2011 in der Medizin eingesetzt. Derzeit sind etwa 10 verschiedene Medikamente zugelassen, die bei etwa 20 Krebsarten angewendet werden. Sie können fortgeschrittene Tumore oft deutlich zurückdrängen und das Leben spürbar verlängern1. In vielen Fällen bleiben sie jedoch wirkungslos.

Inhalte

Checkpoints stoppen das Immunsystem

Die Zellen des Immunsystems tauschen ständig Signale aus. Eine wichtige Rolle spielen dabei die sogenannten „Checkpoints‟: Moleküle auf der Oberfläche von Immunzellen, die einige Signale ins Zellinnere weiterleiten. Ausgelöst wird diese Signalkette, wenn die Checkpoints einen passenden Bindungspartner auf anderen Zellen finden. Die Abwehrzellen stellen daraufhin ihre Angriffe ein. So wird verhindert, dass das Immunsystem zu stark aktiviert wird und dabei gesundes Gewebe zerstört.

Krebszellen haben gelernt, diese Signalwege für ihre Zwecke zu nutzen. Sie produzieren die Bindungspartner der Checkpoints, lösen damit die hemmenden Signale aus und schalten die Immunabwehr ab. Der Krebs ist dann vor den Angriffen geschützt und kann sich ungestört ausbreiten.

Checkpoint-Hemmer sind Medikamente, die in diesen Prozess eingreifen. Sie verhindern, dass der Krebs das Immunsystem abschalten kann. Die Immunzellen können wieder aktiv werden und den Tumor angreifen. Allerdings ist dieser Immunangriff oft nicht stark genug, um den Tumor vollständig zurückzudrängen1.

Drei geeignete Ansatzpunkte: CTLA-4, PD-1 und PD-L1

Im Immunsystem gibt es mehrere Signalmoleküle, die als Checkpoints fungieren. Forscher erkunden seit vielen Jahren, welche davon die Krebstherapie unterstützen können. Bereits bewährt haben sich die Checkpoints CTLA-4, PD-1 und PD-L1.

Alle zugelassenen Medikamente basieren auf Antikörpern, die fest an die Checkpoints oder ihre Bindungspartner andocken. Dadurch unterbrechen die Antikörper die Signalkette und steigern die Aktivität der Immunzellen.

CTLA-4

CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4) ist ein Rezeptor auf der Oberfläche von T-Zellen. CTLA-4 bindet an die Signalmoleküle CD80 und CD86, die vor allem auf den sogenannten antigenpräsentierenden Zellen vorkommen. Die Zusammenarbeit von T-Zellen und antigenpräsentierenden Zellen ist von entscheidender Bedeutung, um eine zielgerichtete Immunantwort einzuleiten. In Gegenwart von CTLA-4 ist diese Zusammenarbeit gestört – die Immunantwort kommt zum Erliegen.

Der Antikörper Ipilimumab (Handelsname Yervoy) war im Jahr 2011 der erste Checkpoint-Hemmer, der als Medikament zugelassen wurde. Er wird vor allem zur Behandlung des malignen Melanoms (schwarzer Hautkrebs) eingesetzt. Ein zweiter Checkpoint-Hemmer, der über CTLA-4 wirkt, ist der Antikörper Tremelimumab (Imjudo).

PD-1

PD-1 (programmed cell death protein 1) befindet sich ebenfalls auf der Oberfläche von T-Zellen. PD-1 bindet an die Rezeptoren PD-L1 und PD-L2, die sowohl in gesunden Geweben als auch auf Krebszellen vorkommen. PD-1 vermittelt Signale, die Immunzellen hemmen und deren vorzeitiges Absterben auslösen können.

Die ersten Checkpoint-Hemmer, die über PD-1 wirken, waren die Antikörper Nivolumab (Opdivo) und Pembrolizumab (Keytruda). Sie wurden 2015 fast zeitgleich in der Europäischen Union zugelassen. Weitere zugelassene Hemmer des PD-1-Checkpoints sind die Antikörper Cemiplimab (Libtayo), Dostarlimab (Jemperli), Tislelizumab (Tevimbra) und Toripalimab (Loqtorzi).

PD-L1

PD-L1 (programmed cell death 1 ligand 1) ist der Bindungspartner von PD-1. Manche Krebszellen produzieren PD-L1 und hemmen damit die Aktivität von T-Zellen.

Checkpoint-Hemmer gegen PD-L1 haben einen vergleichbaren Wirkmechanismus wie PD-1-Hemmer. Über PD-L1 wirken die Antikörper Avelumab (Bavencio), Atezolizumab (Tecentriq) und Durvalumab (Imfinzi).

Wirksam bei vielen Krebsarten

Checkpoint-Hemmer werden bei etwa 20 Arten von Krebs eingesetzt. Dazu zählen:

  • schwarzer Hautkrebs (malignes Melanom)
  • Lungenkrebs (nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, NSCLC)
  • Nierenkrebs
  • das klassische Hodgkin-Lymphom
  • Blasenkrebs
  • Tumore der Speiseröhre, des Magens und des Darms

Ihre größte Wirkung entfalten sie bei Tumoren, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befinden. In vielen Fällen sind sie dann deutlich wirksamer als konventionelle Behandlungen wie die Chemotherapie. Vor allem in Kombination mit anderen Therapien können sie den Krebs deutlich zurückdrängen.

In Einzelfällen konnten Checkpoint-Hemmer Menschen dauerhaft heilen, die von ihren Ärzten schon fast aufgegeben worden waren1. In vielen anderen Fällen haben sie das Fortschreiten der Erkrankung um einige Monate verzögert und das Leben der Betroffenen deutlich verlängert.

Es gibt aber auch viele Fälle, in denen die Checkpoint-Hemmer nicht wirken. Noch ist weitgehend unklar, welche Menschen von der Behandlung profitieren und welche nicht.

Nebenwirkungen

Ein weiteres Problem sind die Nebenwirkungen2. Checkpoint-Hemmer sind zwar in der Regel besser verträglich als Chemotherapien, aber sie lösen die Bremsen des Immunsystems – welches sich dann gegen den eigenen Körper richten kann. Checkpoint-Hemmer verursachen daher häufig Entzündungsreaktionen, die schwerwiegend oder sogar lebensbedrohlich sein können.

Häufige Folgen können sein:

  • weitreichende Probleme im Magen-Darm-Trakt mit Durchfall, Erbrechen, Verstopfung, Kolitis und Übelkeit
  • allergische Reaktionen wie Hautausschlag, Rötung und Juckreiz
  • entzündliche Reaktionen wie Schüttelfrost, Fieber Schwindel und Kopfschmerzen,
  • Störungen des Allgemeinbefindens wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Erschöpfung und Gewichtsverlust

Inzwischen wissen die Ärzte, wie diese Nebenwirkungen am besten zu behandeln sind. Häufig lösen sich die Entzündungen dann wieder auf. Es ist aber auch nicht ungewöhnlich, dass Erkrankte die Behandlung wegen der schweren Nebenwirkungen wieder abbrechen müssen.

Mit dem Absetzen der Therapie verschwinden in der Regel auch die Nebenwirkungen wieder. In einigen Fällen können sich jedoch zu Langzeitfolgen einstellen: Entzündliche Reaktionen, die den Magen-Darm-Trakt oder die Lunge betreffen2,3.

Wie geht es weiter?

Checkpoint-Hemmer sind ein großer Fortschritt für die Krebstherapie, doch die Weiterentwicklung ist zuletzt ins Stocken geraten. Die bewährten Ansatzpunkte – die Checkpoints CTLA4 und PD-1/ PD-L1 – sind inzwischen durch verschiedene Wirkstoffe gut abgedeckt. Neue Ziele wie das Signalmolekül LAG3 werden zwar intensiv getestet, konnten sich aber noch nicht durchsetzen4.

Ein großes Potenzial liegt auch darin, Checkpoint-Hemmer mit anderen Krebstherapien zu kombinieren5. Aber diese Versuche sind aufwendig und zeitraubend – und oft noch im Anfangsstadium. Die Forschung geht jedoch weiter: Gut möglich, dass es in einigen Jahren einen neuen Durchbruch bei den Checkpoint-Hemmern gibt1.

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Teil 2/2: Checkpoint-Inhibitoren lösen die Bremse
1 J. Gardner, A decade of cancer immunotherapy: Keytruda, Opdivo and the drugs that changed oncology, Biopharma Dive, September 2024 (Link)
2 Deutsches Ärzteblatt, Langzeitwirkungen (und -probleme) von Immuncheckpoint­inhibitoren, April 2024 (Link)
alle Referenzen anzeigen 3 Güven et al., Survivorship outcomes in patients treated with immune checkpoint inhibitors: a scoping review, Journal of Cancer Survivorship, Januar 2024 (Link)
4 Joller et al., LAG-3, TIM-3, and TIGIT: Distinct functions in immune regulation, Immunity, Februar 2024 (Link)
5 Goswami et al., Next-generation combination approaches for immune checkpoint therapy, Nature Immunology, Dezember 2024 (Link)

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Kurz und knapp

  • die Oberflächenmoleküle CTLA-4 und PD-1/PD-L1 wirken als Checkpoints – sie bremsen das Immunsystem
  • Krebszellen nutzen diese Checkpoints, um das Immunsystem abschalten
  • Checkpoint-Hemmer (auch Checkpoint-Inhibitoren) blockieren die Signale über CTLA-4 oder PD-1 und setzten die Immunabwehr wieder in Gang
  • Checkpoint-Hemmer können fortgeschrittene Tumore zurückdrängen
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