Opdivo: Ein Checkpoint-Hemmer gegen viele Arten von Krebs
Die Krebstherapie Opdivo aktiviert das Immunsystem und erleichtert den Kampf gegen Tumore. Bei manchen Patienten kann sie das Leben verlängern.
Checkpoint-Inhibitor Opdivo
Krebszellen können Signale aussenden, die die Entwicklung einer Immunantwort blockieren. Checkpoint-Inhibitoren heben diese Blockade auf. Bei manchen Patienten haben sie dauerhaften Erfolg: Körpereigene Immunzellen werden aktiviert und drängen den Krebs zurück1.
Der Checkpoint-Hemmer Opdivo basiert auf dem Antikörper Nivolumab. Er ist seit 2015 in der Europäischen Union zugelassen und wird heute für die Therapie von elf verschiedenen Krebsarten eingesetzt. Für die Therapie von Lungenkrebs ist er unter dem Markennamen Nivolumab BMS erhältlich.
Mehrere Studien zeigen, dass Opdivo das Leben von Krebspatienten deutlich verlängern kann. Viele Patienten müssen mit Nebenwirkungen rechnen, die allerdings vergleichsweise moderat ausfallen.
Inhalte
Die Erkrankungen – elf verschiedene Formen von Krebs
Opdivo ist in Europa für die Therapie von elf verschiedenen Krebsarten zugelassen2:
- malignes Melanom (schwarzer Hautkrebs)
- Lungenkrebs (nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom)
- fortgeschrittenes Nierenzellkarzinom
- klassisches Hodgkin-Lymphom
- Plattenepithelkarzinom im Kopf-Hals-Bereich
- Harnblasenkrebs (Urothelkarzinom)
- malignes Pleuramesotheliom, ein Tumor im Lungenfell
- Tumore im unteren Darmabschnitt, die eine „hohe Mikrosatelliteninstabilität“ (MSI-H) oder einen „Defekt in der Mismatch-Reparatur“ (dMMR) aufweisen
- Ösophagus-Plattenepithelkarzinom in der Speiseröhre
- Tumore im Übergang zwischen Magen und Speiseröhre (Ösophaguskarzinom)
- Magenkarzinom
Bei manchen Formen von Lungenkrebs kann Opdivo bereits vor der Operation eingesetzt werden. Bei einigen anderen Krebsarten wird der Checkpoint-Hemmer erst nach der Operation angewendet, um eine Rückkehr des Tumors zu verhindern.
Beim Ösophaguskarzinom ist die Anwendung nur zugelassen, wenn zuvor eine Chemotherapie, Strahlentherapie und Operation durchgeführt wurden.
Die Zulassung gilt in der Regel ausschließlich für Erwachsene. Nur bei der Therapie von Melanomen darf Opdivo auch bei Jugendlichen ab 12 Jahren eingesetzt werden.
Der Nutzen – verlängertes Überleben
Der Einsatz von Opdivo kann das Leben von Krebspatienten verlängern, wie zahlreiche Studien gezeigt haben2. Im Vergleich zu anderen Therapien (meist Chemotherapien) wird das Fortschreiten der Erkrankung oft um mehrere Monate verzögert. Häufig zeigt sich die Wirkung von Opdivo jedoch nur bei einem Teil der Behandelten1.
Melanome
Die größten Erfahrungen mit Opdivo liegen bei der Behandlung von Melanomen vor. Die Wirkung hängt meist vom Stadium der Erkrankung und vom Zeitpunkt des Therapiebeginns ab. So zeigte eine große Studie mit 418 zuvor unbehandelten Patienten, dass etwa 7 von 10 Behandelten nach einem Jahr noch am Leben waren. In einer Vergleichsgruppe, die eine Chemotherapie erhielt, überlebten 4 von 10 Behandelten.
Mehre weitere Studien zeigten eine ähnliche Wirkung.
Lungenkrebs
Der Antikörper Nivolumab verlängert das Leben bei einem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, das Metastasen gebildet hat und zuvor noch nicht behandelt wurde. Der Antikörper – in dieser Indikation unter dem Namen Nivolumab BMS vermarktet – wurde in einer Studie mit 719 Teilnehmern mit dem Checkpoint-Hemmer Yervoy kombiniert. Die Überlebenszeit mit den Checkpoint-Inhibitoren lag bei knapp 16 Monaten, mit Chemotherapie bei knapp 11 Monaten.
Weitere Studien zeigten eine ähnliche Wirkung.
Nierenkrebs
Eine Studie untersuchte die Wirkung von Opdivo bei 1096 Menschen mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom, die zuvor keine andere Behandlung erhalten hatten. Opdivo wurde in Kombination mit dem Checkpoint-Hemmer Yervoy eingesetzt, eine Vergleichsgruppe erhielt das zielgerichtete Krebsmedikament Sunitinib.
Nach 24 Monaten lebten noch 67 von 100 Personen, die die Opdivo-Kombination erhalten hatten. In der Vergleichsgruppe waren zu diesem Zeitpunkt noch 53 von 100 Personen am Leben. Die Opdivo-Kombination konnte das Fortschreiten der Erkrankung im Schnitt um etwa 12 Monate aufhalten, das Vergleichsmedikament Sunitinib um etwas mehr als 8 Monate.
Weitere Studien zeigten eine ähnliche Wirkung.
weitere Krebsarten
Die Wirkung von Opdivo wurde auch beim malignen Pleuramesotheliom, beim Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre und bei Tumoren des Enddarms untersucht. Häufig erfolgte die Behandlung in Kombination mit dem Checkpoint-Hemmer Yervoy. Die Überlebenszeit konnte meist um einige Monate verlängert werden.
Das Wirkprinzip – Hemmung des Signalmoleküls PD-1
Die Wirkung von Opdivo beruht auf dem Antikörper Nivolumab. Dieser bindet an das Signalmolekül PD-1, das auf der Oberfläche vieler Immunzellen zu finden ist. PD-1 ist ein sogenannter Checkpoint, der eine wichtige Kontrollfunktion ausübt: Es kann eine Aktivierung der Immunzellen verhindern.
Manche Krebszellen nutzen Checkpoints für ihre Zwecke. Sie produzieren den natürlichen Bindungspartner von PD-1, aktivieren so die PD-1-Signalkaskade und blockieren die Immunreaktion. Nivolumab unterbricht diese Kette, indem es selbst an den Checkpoint PD-1 bindet und die blockierenden Signale verhindert. Das Immunsystem kann sich ungestört entfalten und den Krebs attackieren.
Eine Behandlung mit Opdivo ist allerdings nur wirksam, wenn die Krebszellen der körpereigenen Abwehr eine ausreichende Angriffsfläche bieten. Viele Tumore sind jedoch auch dann für das Immunsystem unsichtbar, wenn die Checkpoint-Blockade gelöst ist.
Die Nebenwirkungen – häufig sind Erschöpfung, Ausschläge und Durchfall
Checkpoint-Inhibitoren lösen eine Bremse des Immunsystems. Das hilft bei der Bekämpfung von Krebs, kann aber auch zu unerwünschten Reaktionen führen – die Immunzellen richten sich dann gegen das eigene Gewebe.
Bei Opdivo muss etwa die Hälfte der Patienten mit derartigen Komplikationen rechnen. Die Stärke diese Nebenwirkungen blieb meist leicht bis mäßig, allerdings kam es vereinzelt auch schon zu Todesfällen. Insgesamt ist Opdivo meist besser verträglich als konventionelle Chemotherapien oder der Checkpoint-Hemmer Yervoy (Ipilimumab).
Die häufigsten Nebenwirkungen bei der Monotherapie sind2:
- Erschöpfung
- Hautausschlag
- Juckreiz
- Durchfall
- Übelkeit
Weiterhin können folgende Beschwerden auftreten:
- Funktionsstörungen von Schilddrüse, Darm und Atemwegen
- Neutropenie
- Bluthochdruck
- Kopfschmerzen
- Schwindel
Die Entwicklung – erster Schritt mit Nobelpreis gewürdigt
Die Entwicklung von Opdivo geht auf die Entdeckung des Signalmoleküls PD-1 durch eine Gruppe um den japanischen Wissenschaftler Tasuku Honjo Anfang der 1990er Jahre zurück (der dafür 2018 den Nobelpreis für Medizin erhielt). Bereits etwa zehn Jahre später zeigten erste Versuche, dass eine Hemmung dieses Signalwegs bei Krebs von Vorteil sein könnte.
In dieser Zeit entwickelte die US-amerikanische Firma Medarex eine Reihe von menschlichen Antikörpern gegen PD-1, aus denen Nivolumab als vielversprechender Kandidat für klinischen Studien hervorging. Im Jahre 2009 wurde Medarex von dem Pharma-Riesen Bristol-Myers Squibb aufgekauft, der die klinische Entwicklung von Nivolumab weiter führte. Die Zulassung in den USA und Japan erfolgten im Jahr 2014, die Europäische Union zog ein Jahr später nach.
Die Kosten – etwa 80 000 € im Jahr
Opdivo wird im zwei- bis vierwöchigem Abstand direkt in das Blut injiziert, die Kosten belaufen sich bei der Behandlung von Melanomen auf etwa 80 000 Euro im Jahr3. Die Behandlung erfolgt so lange, wie ein klinischer Nutzen ersichtlich ist und der Patient die Behandlung verträgt.
2 EMA, Übersicht über Opdivo (Nivolumab) und warum es in der EU zugelassen ist, Stand Mai 2024 (Link)
3 IQWiG, Nivolumab – Nutzenbewertunggemäß § 35a SGB V, Stand Juni 2021 (Link)
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Kurz und knapp
- die Krebstherapien Opdivo und Nivolumab BMS beruhen auf dem Antikörper Nivolumab
- Nivolumab bindet an den Checkpoint PD-1 und hemmt dessen Signalkaskade
- Opdivo ist für elf Arten von Krebs zugelassen
- das Fortschreiten der Erkrankung kann häufig für mehrere Monate gestoppt werden
- Nebenwirkungen sind häufig, aber meist relativ leicht