Opdivo: Ein Checkpoint-Hemmer gegen sechs Arten von Krebs
Die Krebstherapie Opdivo aktiviert das Immunsystem und erleichtert den Kampf gegen Tumore. Bei manchen Patienten kann sie das Leben verlängern.
Viele Krebszellen senden Signale aus, die die Entwicklung einer Immunantwort blockieren. Checkpoint-Inhibitoren heben diese Blockade auf. Bei manchen Patienten haben sie dauerhaften Erfolg: Körpereigene Immunzellen werden aktiviert und drängen den Krebs zurück.
Der Checkpoint-Hemmer Opdivo basiert auf dem Antikörper Nivolumab. Seit Juli 2015 darf er in Europa bei erwachsenen, schwerkranken Patienten für die Therapie von sechs verschiedenen Krebsarten eingesetzt werden.
Mehrere Studien zeigen, dass Opdivo das Leben von Krebspatienten deutlich verlängern kann. Ein abschließendes Urteil über die Wirksamkeit ist jedoch erst in einigen Jahren möglich. Zudem müssen viele Patienten mit Nebenwirkungen rechnen, die allerdings vergleichsweise moderat ausfallen.
Die Krankheit – sechs verschiedene Formen von Krebs
Opdivo ist in Europa für die Therapie von sechs verschiedenen Krebsarten zugelassen:
- malignes Melanom (schwarzer Hautkrebs)
- Lungenkrebs (nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom)
- Nierenzellkarzinom
- klassisches Hodgkin-Lymphom
- Plattenepithelkarzinom der Schleimhäute im Kopf-Hals-Bereich
- Harnblasenkrebs (Urothelkarzinom)
Als erste Form der Behandlung (Erstlinientherapie) ist Opdivo allerdings nur bei Melanomen und manchen Formen von Nierenkrebs vorgesehen. Bei den anderen Erkrankungen ist der Einsatz erst zulässig, wenn andere Therapien versagt haben.
Zwei weitere Bedingungen schränken die Anwendung ein: Der Tumor muss bereits weit fortgeschritten sein oder Metastasen gebildet haben. Und es dürfen nur erwachsene Patienten behandelt werden.
Der Nutzen – verlängertes Überleben
Der Einsatz von Opdivo kann das Leben von Krebspatienten verlängern, wie mehrere Studien gezeigt haben1. Doch noch bleibt unklar, wie groß der Nutzen ist: Dazu bedarf es langjähriger Untersuchungen, die noch nicht abgeschlossen sind. Aussagekräftige Daten liegen bislang am ehesten zur Therapie von Melanomen vor.
Bei Melanomen hat Opdivo deutliche Vorteile gegenüber älteren Therapieformen. So sprechen etwa 3 von 10 Patienten auf Opdivo an, bei einer Chemotherapie ist das nur etwa 1 von 10. Und etwa 3 von 10 Patienten können auch damit rechnen, vier Jahre nach Behandlungsbeginn noch am Leben zu sein. Im direkten Vergleich mit Yervoy (Ipilimumab) schneidet Opdivo ebenfalls gut ab, mit Vorteilen sowohl bei der Überlebensrate als auch bei der Schwere der Nebenwirkungen.
Auch bei anderen Krebsarten zeigen erste Studien, dass Opdivo das Überleben verlängern kann und es Vorteile gegenüber konventionellen Therapien bietet. Der Nutzen lässt sich allerdings meist nur schwer exakt beziffern.
Das Wirkprinzip – Hemmung des Signalmoleküls PD-1
Die Wirkung von Opdivo beruht auf dem Antikörper Nivolumab. Dieser bindet an das Signalmolekül PD-1, das auf der Oberfläche vieler Immunzellen zu finden ist. PD-1 ist ein sogenannter Checkpoint, der eine wichtige Kontrollfunktion ausübt: Es kann eine Aktivierung der Immunzellen verhindern.
Manche Krebszellen nutzen Checkpoints für ihre Zwecke. Sie produzieren den natürlichen Bindungspartner von PD-1, aktivieren so die PD-1-Signalkaskade und blockieren die Immunreaktion. Nivolumab unterbricht diese Kette, indem es selbst an den Checkpoint PD-1 bindet und die blockierenden Signale verhindert. Das Immunsystem kann sich ungestört entfalten und den Krebs attackieren.
Eine Behandlung mit Opdivo ist allerdings nur wirksam, wenn die Krebszellen der körpereigenen Abwehr eine ausreichende Angriffsfläche bieten. Viele Tumore sind jedoch auch dann für das Immunsystem unsichtbar, wenn die Checkpoint-Blockade gelöst ist.
Die Nebenwirkungen – häufig sind Erschöpfung, Ausschläge und Durchfall
Checkpoint-Inhibitoren lösen eine Bremse des Immunsystems. Das hilft bei der Bekämpfung von Krebs, kann aber auch zu unerwünschten Reaktionen führen – die Immunzellen richten sich gegen das eigene Gewebe. Bei Opdivo muss etwa die Hälfte der Patienten mit derartigen Komplikationen rechnen2. Insgesamt sind die Nebenwirkungen allerdings meist weniger dramatisch als bei einer konventionellen Chemotherapie oder dem Checkpoint-Inhibitor Ipilimumab.
Die häufigsten Nebenwirkungen bei der Monotherapie sind Erschöpfung, Hautausschlag, Juckreiz, Durchfall und Übelkeit. Weiterhin treten Funktionsstörungen von Schilddrüse, Darm und Atemwegen auf, und häufig stellen sich auch Neutropenie, Bluthochdruck, Kopfschmerzen und Schwindel ein. Die Stärke diese Nebenwirkungen blieb meist leicht bis mäßig, allerdings kam es vereinzelt auch schon zu Todesfällen.
Die Entwicklung – erster Schritt mit Nobelpreis gewürdigt
Die Entwicklung von Opdivo geht auf die Entdeckung des Signalmoleküls PD-1 durch eine Gruppe um den japanischen Wissenschaftler Tasuku Honjo Anfang der 1990er Jahre zurück (der dafür 2018 den Nobelpreis für Medizin erhielt). Bereits etwa zehn Jahre später zeigten erste Versuche, dass eine Hemmung dieses Signalwegs bei Krebs von Vorteil sein könnte.
In dieser Zeit entwickelte die US-amerikanische Firma Medarex eine Reihe von menschlichen Antikörpern gegen PD-1, aus denen Nivolumab als vielversprechender Kandidat für klinischen Studien hervorging3. Im Jahre 2009 wurde Medarex von dem Pharma-Riesen Bristol-Myers Squibb aufgekauft, der die klinische Entwicklung von Nivolumab weiter führte. Die Zulassung in den USA und Japan erfolgten im Jahr 2014, die Europäische Union zog ein Jahr später nach.
Die Kosten – über 100 000 € im Jahr
Opdivo wird im zwei- bis vierwöchigem Abstand direkt in das Blut injiziert, die Kosten belaufen sich dabei auf etwa 8.500 Euro pro Monat4. Die Behandlung erfolgt so lange, wie ein klinischer Nutzen ersichtlich ist und der Patient die Behandlung verträgt.
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Kurz und knapp
- Opdivo nutzt den Antikörper Nivolumab als Wirkstoff
- Nivolumab bindet an den Checkpoint PD-1 und hemmt dessen Signalkaskade
- Opdivo ist für sechs Arten von Krebs zugelassen
- bei Melanomen überleben 3 von 10 Patienten länger als vier Jahre
- Nebenwirkungen sind häufig, aber meist relativ leicht